Schutz des geistigen Eigentums

Urheberrecht und Massendigitalisierung in der EU

27.01.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Verwaiste Werke

Verwaiste Werke sind Werke, die zwar urheberrechtlich geschützt sind, deren Rechteinhaber aber nicht ermittelt oder ausfindig gemacht werden können. Geschützte Werke können verwaisen, wenn Angaben zum Urheber und/oder anderen Rechteinhabern (wie Verlegern, Fotografen oder Filmproduzenten) fehlen oder überholt sind. Ein Werk darf nur mit vorheriger Genehmigung des Rechteinhabers verwertet werden. Bei verwaisten Werke ist es unmöglich, eine solche vorherige Genehmigung einzuholen. Dies führt dazu, dass Millionen von Werken weder kopiert noch anderweitig verwendet werden dürfen: z. B. darf eine Fotografie nicht zur Illustration eines Presseartikels genutzt werden, ein Buch darf nicht digitalisiert oder ein Film nicht für eine öffentliche Vorführung restauriert werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass ein beträchtlicher Teil der verwaisten Werke nicht in groß angelegte Maßnahmen zur Digitalisierung und zur Bewahrung des Kulturerbes wie Europeana oder ähnliche Projekte einbezogen werden kann.

Bibliotheken, Universitäten, Archive, einige kommerzielle Nutzer und mehrere Mitgliedstaaten bemängeln, dass bestehende Instrumente wie die Kommissionsempfehlung 2006/585/EG oder die Absichtserklärung von 2008 über verwaiste Werke und die entsprechenden Leitlinien für die gründliche Suche nicht rechtsverbindlich sind und dass darin auf die Frage der Massendigitalisierung nicht eingegangen wird. Da nichtlegislative Initiativen weder hinreichende Rechtssicherheit schaffen, noch das Problem lösen, dass die Verwendung verwaister Werke eine Urheberrechtsverletzung darstellt, befürworten sie eine gesetzgeberische Lösung auf europäischer Ebene, die verschiedene Nutzungen verwaister Werke zulässt. Außerdem wird betont, dass Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel auftreten können, wenn jeder Mitgliedstaat zur Lösung des Problems seine eigene Regelung trifft.

Für Verleger, Verwertungsgesellschaften und andere Rechteinhaber stellen verwaiste Werke lediglich ein Rechteklärungsproblem dar. Sie stehen einer generellen Ausnahme bezüglich der Nutzung verwaister Werke skeptisch gegenüber. Für sie ist das Hauptproblem, dafür zu sorgen, dass nach Treu und Glauben eine gründliche Suche zur Ermittlung und Ausfindingmachung der Rechteinhaber in bestehenden Datenbanken durchgeführt wird.