Controlling, Rechnungswesen, Vertrieb

So finden Sie das passende ERP-System

23.01.2014
Von 
Dr. Klaus Manhart hat an der LMU München Logik/Wissenschaftstheorie studiert. Seit 1999 ist er freier Fachautor für IT und Wissenschaft und seit 2005 Lehrbeauftragter an der Uni München für Computersimulation. Schwerpunkte im Bereich IT-Journalismus sind Internet, Business-Computing, Linux und Mobilanwendungen.

Offenheit und Anpassbarkeit

Sowohl Standard- als auch Branchen-Software sollte sich ohne großen Aufwand an die individuellen Besonderheiten des Unternehmens und seiner Prozesse anpassen lassen. Doch gerade KMUs scheuen die Ausgaben für teure Spezialisten, die die ERP-Lösungen auf ihre individuellen Bedürfnisse zuschneiden. So wählen sie in der Regel aus den angebotenen Standardmodulen aus, ohne ihre eigenen Prozesse, die vielleicht effizienter oder aber auch spezieller sind als die Standardabläufe, abbilden zu können.

Deshalb sollte die Software sich mit geringem Aufwand erweitern und auf individuelle Anforderungen zuschneiden lassen. Ein ERP-System muss in der Lage sein, ergänzende Drittlösungen wie Supply Chain Management, Personalwesen oder Business Intelligence einfach zu integrieren. Die Verfügbarkeit der notwendigen Schnittstellen sollte bei der Auswahl des Systems in jedem Fall abgefragt werden. Verfügbare Standardschnittstellen reduzieren den Aufwand und vermeiden das Entwicklungsrisiko einer Individualschnittstelle

Moderne ERP-Systeme sollten es den Anwendern auch ermöglichen, ihre Geschäftsprozesse selbst zu definieren oder zu verbessern. In der Regel funktioniert das über so genannte Prozess-Modellierungstools. Um Komplexität zu vermeiden, gilt für mittelständische Unternehmen hier: je einfacher, desto besser. Eine grafische Darstellung der einzelnen Prozessschritte erleichtert diesen Vorgang erheblich. Damit die Prozessdurchgängigkeit nicht an den Grenzen des ERP-Systems aufhört, sollten Anwenderunternehmen auf die Offenheit der Architektur der Systeme achten.

Benutzerfreundlichkeit und Usability

Damit das ERP-System von den Mitarbeitern akzeptiert und gern damit gearbeitet wird, sollte es möglichst nutzerfreundlich sein. Eine eingängige, nachvollziehbare und vor allem einfache und schnelle Bedienung ermöglicht nicht nur effizientes Arbeiten. Sie verringert auch den Aufwand für die Einarbeitung nach Einführung oder umfassenden Anpassungen und sorgt für eine hohe Akzeptanz bei den Nutzern.

Die Akzeptanz von ERP-Lösungen hängt neben ihrer intuitiven Bedienbarkeit auch von ihrem Funktionsumfang und ihrer Fähigkeit ab, die Produktivität ihrer Nutzer direkt positiv zu beeinflussen. Diese Gebrauchstauglichkeit - die so genannte Usability - umfasst dabei nicht nur das grafische User Interface, sondern alle Aspekte des Systemdesigns, die die Kommunikation zwischen Anwender und Programm beeinflussen. Hierzu zählen zum Beispiel die Navigation und die Steuerung des Systems.

Webbasierte Oberflächen können helfen, die Nutzerfreundlichkeit und Usability zu verbessern. Hierbei wird die System-Oberfläche in einem Browserfenster dargestellt. Dies bietet unter anderem die Möglichkeit, auch unternehmensexterne Zugriffe auf das eigene System zu realisieren, ohne eine grafische Benutzeroberfläche installieren zu müssen. Somit können etwa Lieferanten oder Kunden direkt in die Geschäftsprozesse einbezogen werden, um zum Beispiel Bestellungen aufzugeben oder Lieferungen zu terminieren. Diese Möglichkeiten bedeuten einen wesentlichen Zeit- und damit Kostenvorteil.

Service und Referenzen

Am Ende entscheiden nicht nur die harten, sondern auch die weichen Faktoren darüber, welches System am besten geeignet ist. Kleinere Unternehmen sollten großen Wert legen auf strategische Gesichtspunkte wie die Zukunftssicherheit oder die Branchenausrichtung des zukünftigen ERP-Partners.

Diese Konzentration auf die "Soft Facts" verlangt nach einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Anbieter und Kunde. So ist vielen Betrieben der schnelle und persönliche Kontakt zum Hersteller wichtig. Das liegt daran, dass in vielen kleineren und mittleren Unternehmen die IT-Ressourcen begrenzt sind. Daher ist man häufig von einem schnellen und reibungslosen Support abhängig sind. Deshalb kann auch die regionale Nähe des Anbieters mitentscheidend sein bei der Auswahl einer neuen Software - durch die regionale Nähe ist der Partner besser zu erreichen.

Laut einer Trovarit-Studie erfordern veränderte organisatorische Anforderungen eine Modernisierung des ERP-Systems.
Laut einer Trovarit-Studie erfordern veränderte organisatorische Anforderungen eine Modernisierung des ERP-Systems.
Foto: Trovarit-Studie / Computerwoche

Wichtig ist auch, wie lange der ERP-Anbieter mit seinem Produkt auf dem Markt ist. Hersteller, die schon länger aktiv sind, haben auch oft tiefere Kenntnisse über Branchenanforderungen als neue Anbieter. Darüber hinaus kann das Branchen Know-how der Anbieter genutzt werden, um die Produktivität im Unternehmen zu steigern.

Durch die meist starke Branchenfokussierung der kleineren ERP-Anbieter kennen diese ihr Klientel sehr gut und sprechen deren Sprache, da sie erstens selbst mittelständische Unternehmen sind und zweitens neben IT-Fachleuten häufig auch eine Vielzahl von Mitarbeitern haben, die früher direkt in den Branchen gearbeitet haben.

Für KMUs von zentraler Bedeutung ist die Zukunftssicherheit des Anbieters. Sollte der Hersteller vom Markt verschwinden, ist es für kleinere Unternehmen praktisch unmöglich, die Software in Eigenregie weiterzuentwickeln. Support und Weiterentwicklung sollten deshalb über den geplanten Einsatzzeitraum des ERP-Systems hinweg gesichert sein.

Die größtmögliche Sicherheit bei der ERP-Auswahl bieten Referenzen. Eine Diskussion mit Anwendern des potentiellen Systems über deren Erfahrung im täglichen Gebrauch kann wichtige Hinweise geben. Je mehr, desto besser.