CW: In Ihre Praxis kommen oft Mitarbeiter mit Beschwerden, die jedoch nicht wirklich krank sind. Vielmehr läuft im Unternehmen etwas falsch. Heißt das: Wenn der Krankenstand steigt, gehören nicht die Mitarbeiter zum Arzt, sondern die Führungskräfte?
Walter Kromm: Genau. Ich behaupte, weder gemeinte Gesundheitsprogramme noch der Gang zum Betriebsarzt - so wichtig sie auch sind - haben auch nur annähernd so viel Einfluss auf die Gesundheit im Unternehmen wie die Führungskräfte.
CW: Wird die Gesundheit von Mitarbeitern ignoriert?
Gunter Frank: In den Unternehmen besteht ein enormer Druck. Der Wunsch deshalb etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter zu tun, ist durchaus vorhanden. Über die Jahre ist uns aber aufgefallen, dass mit den klassischen Gesundheitsprogrammen in den Unternehmen keine wirklichen Verbesserungen bewirkt werden. Regelrecht kontraproduktiv sind Präventivangebote, wenn sie hauptsächlich auf die Vermeidung von Risikofaktoren zielen und versuchen, durch Auslösen von Ängsten Verhaltensänderungen zu bewirken. Das hat uns veranlasst, genauer hinzuschauen und zu überlegen, mit welchen Stellschrauben Gesundheitskennziffern tatsächlich verbessern kann. Da wurde schnell klar: Gesundheit im Unternehmen ist ein Führungsthema.
- 1. Betrachten Sie sich nicht als passiver „Arbeit-Nehmer“, sondern als selbstverantwortlich handelnder „Arbeitsmarkt-Unternehmer.“
Sie verkaufen ein Produkt, nämlich Ihre Arbeitskraft, und es ist Ihre Aufgabe, dieses Produkt laufend zu verbessern. In drei Jahren müssen Sie ein besserer Arbeitnehmer sein, als Sie es heute sind – wenn Sie in drei Jahren ein neues Auto kaufen, erwarten Sie schließlich auch, dass es ein besseres Modell ist als das, welches Sie heute fahren. - 2. Schätzen Sie Ihre Arbeitsmarktfitness realistisch ein.
Analysieren Sie Ihre eigenen Fähigkeiten und gleichen Sie diese realistisch mit dem ab, was derzeit gefragt ist. Lassen Sie sich regelmäßig Feedback von Kollegen und Vorgesetzten geben und nehmen Sie dieses ernst. - 3. Bleiben Sie geistig flexibel.
Das Umfeld, in dem Ihr Unternehmen tätig ist, hat sich bereits in den letzten zehn oder 15 Jahren tiefgreifend gewandelt, und die Zukunft wird noch mehr und noch schnelleren Wandel bringen. Dieser wird auch an Ihrem Job deutliche Spuren hinterlassen, in Ihrem Unternehmen und in der ganzen Branche. Das sollten Sie rechtzeitig erkennen und sich darauf einstellen. - 4. Besuchen Sie Weiterbildungsmaßnahmen – notfalls auch auf eigene Kosten.
Besonders die Personalabteilungen größerer Unternehmen legen Wert auf Zertifikate und Schulungsbestätigungen. Nur wer diese in seiner Personalakte hat und regelmäßig neue hinzufügt, dokumentiert seine Veränderungsbereitschaft und Lernwilligkeit. Auch im Hinblick auf externe Bewerbungen sollten Sie jährlich zwei bis vier Tage in Schulungen, Seminaren oder Kursen verbringen und dafür Nachweise abheften. - 5. Machen Sie Ihre Leistungen sichtbar.
Wer heute über 40 ist, spricht häufig nicht offensiv über das, was er oder sie gut kann, sondern meint, die anderen würden schon von selbst merken, wie tüchtig man ist: Das ist allerdings ein Irrglaube. Ihr Chef wird zwar wahrscheinlich merken, wenn jemand immer wieder Fehler macht oder schlechte Ergebnisse abliefert. Aber solange bei Ihnen alles reibungslos läuft, hat er keinen besonderen Anlass, Sie positiv zu bemerken. Was Sie im Einzelnen leisten wird er nur erfahren, wenn Sie es ihm sagen. Und mal ehrlich: Warum sollten die Kollegen von sich aus einem Vorgesetzten erzählen, wie hervorragend Ihre Arbeit ist? - 6. Engagieren Sie sich.
Bringen Sie eigene Ideen ein. Übernehmen Sie freiwillig Aufgaben, deren Sinn und Notwendigkeit Sie erkennen. Sagen Sie nie Sätze wie „Das muss ich laut meinem Arbeitsvertrag nicht tun“ oder „Dafür bin ich nicht zuständig“. Bleiben Sie auch dann engagiert bei der Sache, wenn Sie sich über Ihren Chef wirklich geärgert haben. Wie unfähig und unmöglich er auch sein mag, lassen Sie sich von ihm auf keinen Fall in die passive Resignation treiben. Suchen Sie lieber in aller Ruhe eine neue Stelle und kündigen Sie anschließend fristgerecht und mit einem freundlichen Lächeln. - 7. Denken und handeln Sie im Sinne des Unternehmens.
Bedenken Sie bei allem, was Sie tun, welche Folgen es für Ihre Abteilung und für das Unternehmen hat. Tun Sie das, was nötig ist, um Ihre Arbeit gut zu machen, und machen Sie niemals nur „Dienst nach Vorschrift“. Sie haben es zwar nicht mehr nötig, täglich zwölf Stunden im Büro zu sein, nur damit Ihr Chef sieht, wie einsatzfreudig und fleißig Sie sind. Aber Sie sind selbstverständlich da, wenn Sie wirklich gebraucht werden. Auch mal abends und am Wochenende, auch dann, wenn Sie etwas anderes vorhaben oder schon müde sind. - 8. Arbeiten Sie konstruktiv mit Jüngeren zusammen.
Strecken Sie die Hand aus und gehen Sie auf die jungen Kollegen zu. Nicht gönnerhaft, nicht ängstlich, sondern weil Sie wissen, dass Sie es sich leisten können. Beweisen Sie, dass Sie dialogfähig sind, indem Sie ehrliches Interesse zeigen. Und erinnern Sie sich ab und zu daran, wie blöd es war, als Sie jung und voller Ideen waren und die Älteren immer nur sagten „Das kennen wir alles schon, das bringt doch nichts, du wirst schon sehen …“ - 9. Pflegen Sie die Kommunikation mit Ihren Vorgesetzten.
Halten Sie keine Informationen zurück, sondern sorgen Sie für Transparenz, für umfassende und rechtzeitige Information. Suchen Sie auch dann das Gespräch mit der Chefin, wenn Sie Wünsche und Anregungen haben, wenn Sie sich Sorgen über Ihre weitere Entwicklung machen oder wenn Sie sich für eine neue Aufgabe positionieren möchten. Wichtig ist der regelmäßige Kontakt und die offene (nicht naive!) Kommunikation, die Vertrauen und Partnerschaftlichkeit wachsen lässt. - 10. Akzeptieren Sie Arbeitslosigkeit nicht als Schicksal.
Registrieren Sie aufmerksam, was um Sie herum passiert. Verdrängen Sie nicht, wenn Entlassungen abzusehen sind, sondern strecken Sie schon vorher die Fühler aus. Es ist immer besser, sich aus einer Beschäftigung heraus zu bewerben als aus der Arbeitslosigkeit. Ihre Verhandlungsposition ist dann viel stärker. Wenn Sie dennoch arbeitslos werden, jammern Sie nicht, sondern werden Sie aktiv, qualifizieren Sie sich, bewerben Sie sich, präsentieren Sie sich. Solange Sie gute Arbeitsleistung zu bieten haben, ist Ihre Suche keineswegs aussichtslos. - "Ü40 und top im Job"
Barbara Kettl-Römer: "Ü40 und top im Job: So werden und bleiben Sie attraktiv für Ihren Arbeitgeber - oder für einen anderen". Linde Verlag, 2010. 176 Seiten. 16,30 Euro. ISBN 978-3-7093-0305-4.