Nur Arbeitsbeschaffung für Gerichte?

Schafft endlich die Arbeitszeugnisse ab!

29.11.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Überflüssige Mehrarbeit für Personaler

Dieses Procedere findet nicht nur beim Ausscheiden des Mitarbeiters statt. Nein, die dringende Empfehlung aller Personal- und Karriereberater lautet: "Lassen Sie sich bei jedem Vorgesetzten- oder Abteilungswechsel, bei jeder Betriebsänderung und, damit Sie sich jederzeit extern bewerben können, auch mal zwischendurch ein Zwischenzeugnis ausstellen." Ein guter Rat. Denn welcher Vorgesetzte und welche Personalabteilung wären auch in der Lage, einem Mitarbeiter nach 25-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Zeugnis mit vollständiger Tätigkeitsbeschreibung und ehrlicher Bewertung der fachlichen und persönlichen Leistungen sowie der Bewertung der Führungskompetenz auszustellen? Zwischenzeugnisse sind daher wichtig.

Täglich arbeiten Heerscharen von hochqualifizierten und teuer bezahlten Personalleitern, Personalreferenten, Fachvorgesetzten, Geschäftsführern, Fachanwälten für Arbeitsrecht, Arbeitsrichtern und Personalberatern mit all ihren Assistenten und Assistentinnen an der Arbeitszeugnisfront. Diese volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung erlaubt sich Deutschland in einer international unvergleichlichen Detailtreue und mit einem derart ausgefeilten Regelwerk, das es so nirgendwo auf der Welt gibt.

Ob dieser enorme Aufwand den erhofften Nutzen bringt, ist fraglich. Viele große Unternehmen setzen zur Arbeitsvereinfachung spezielle Software ein, die Arbeitszeugnisse mit Textbausteinen aufbaut und in die anfordernde Fachabteilung zurückgibt. Der Vorteil ist, dass dadurch eine unternehmenseinheitliche Zeugniskultur etabliert wird. Nur: Wer formuliert die Tätigkeitsbeschreibung? Wer gibt dem Programm vor, ob es "volle" oder "vollste" Zufriedenheit schreiben soll? Durch wie viel persönliches Wohlwollen oder Abneigung ist diese Entscheidung gefärbt? Entstand das "vollste" einfach nur durch simple Konfliktvermeidung?

Hat eine Supermarktkassiererin Anspruch auf eine Formulierung, in der "Ehrlichkeit" bescheinigt wird, obwohl man sich aufgrund eines Diebstahls von ihr trennt?