Risikokapital wörtlich genommen - Ein Erfahrungsbericht

24.01.2002

Hinterher erzählten uns Politiker und Wirtschaftsexperten aus der Region, dass die Bayernkapital, wie so viele andere VC-Gesellschaften auch, in den „fetten“ Jahren zu oft daneben gegriffen habe und seit Ende 2000 schlicht und ergreifend über kein Kapital mehr verfüge. Zwar wurde im Mai 2001 nochmals ein neuer, kleiner Fond aufgelegt, der solle aber ausschließlich für die Region München verwandt werden.

Diese Insiderinformationen hätten uns zu einem früheren Zeitpunkt viel erspart. Nach außen wahrte die Bayernkapital aber stets ihren Schein: Sie trat bei Gründerwettbewerben auf, warb um Business-Pläne und machte Business as usual. Dass in diesem Zeitraum aber gar nicht mehr investiert wurde, wurde von der Bayernkapital nie nach außen kommuniziert.

Die Absage stellte uns letztlich vor immense Probleme, denn durch unser blindes Vertrauen hatten wir mehr als sechs Monate verloren, unsere ganze Existenz inklusive vieler Arbeitsplätze und privater Schicksale der Investoren stand mehr denn je auf dem Spiel. Niemand hätte sich beklagt, wenn die Bayernkapital etwa im Oktober oder November 2000 eine Absage erteilt hätte. Es wäre immer noch ausreichend Zeit gewesen, um sich nach Alternativen umzusehen.

Wenige Tage danach setzte uns schließlich auch Herr Klingler von Synchotech Invest davon in Kenntnis, dass er nach dem Ausstieg der Bayernkapital die Firma für nicht mehr ausreichend finanziert hält und daher auch aus dem Investment aussteigt. Dies geschah, obwohl die tbg zwischenzeitlich sogar angeboten hatte, ausnahmsweise das Investment auch alleine, sprich ohne Bayernkapital vorzunehmen.

Außer Spesen nichts gewesen

Anfang Juli 2001 standen wir somit praktisch über Nacht ohne Investor und ohne Geld da. Damit nicht genug, konfrontierte uns der Notar alsbald mit einer Honorarrechnung über mehr als 4500 Mark. Kurz darauf schickte auch die Wirtschaftskanzlei, die die Verträge aufsetzte, ihre Rechnung über mehr als 17 000 Euro. Sämtliche Mitarbeiter beschlossen, drei Monate lang ihr Gehalt dem Unternehmen zu stunden, um uns für die Suche nach einem neuen Investor den Rücken frei zu halten. 

Wir versuchten auf politischen Wege aktiv zu werden und wandten uns mit unserem Problem an den Wirtschafts-, den Justiz- und den Innenminister des Freistaates Bayern, nämlich die Herren Wiesheu, Weiß und Beckstein. Nachdem unser Produkt im Herbst 2000 vom Bundesministerium der Verteidigung sogar für drei Monate vorübergehend als Staatsgeheimnis eingestuft wurde, hofften wir bei den Politikern an der richtigen Adresse. Wir schilderten ihnen die Situation, den drohenden Verlust der Arbeitsplätze und der drohende Ruin einiger Existenzen. Alle sicherten sofort und rundweg breite Unterstützung zu. Im folgenden verging kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Staatssekretär anrief, um sich hilfsbereit zu zeigen. Herausgekommen ist nichts.

Auf ein Neues – VC Suche

Natürlich ließen wir nichts unversucht und sprachen mögliche weitere Investoren von der klassischen VC-Gesellschaft über passende Industrie-Unternehmen bis hin zu Privatpersonen an. Allerdings liegt dieser gesamte Bereich nach den Pleiten und Kursstürzen am Neuen Markt derzeit praktisch am Boden. Außerdem haben viele VC-Gesellschaften in der Vergangenheit zu oft daneben gegriffen und sind ebenfalls in ihrer Existenz bedroht.

Die überlebenden Risikokapitalgeber legen bei ihrer Prüfung heute häufig Maßstäbe an, die jeder Bank zur Ehre gereichen würde. So verlangen viele VCs bereits das Vorliegen von Umsätzen in Millionenhöhe oder die Vorlage banküblicher Sicherheiten. Natürlich eine verständliche Entwicklung, wenn man bedenkt, wie viel Geld in den letzten Jahren vernichtet wurde und wie reich so mancher Gründer mit fremdem Geld wurde, ohne die entsprechenden Taten oder Erfolge jemals vorgelegt zu haben.

In Folge dieser Entwicklung klafft im derzeitigen Investitionsverhalten der Wagnisfinanziers eine Lücke im Bereich zwischen einer halben und drei Millionen Euro. Entweder gibt es mit Glück kleinere Summen oder aber - bei Nachweis entsprechender Umsätze und Sicherheiten sowie natürlich dem Bedarf - Beträge von fünf und zehn Millionen Euro. So erklärten uns beispielsweise ein Vertreter der Telekom-Tochter T-Venture im September vergangenen Jahres, eine Investition von 15 Millionen anstatt zwei Millionen Mark wäre ein geringeres Problem. In unserem noch relativ frühen Stadium und der verhältnismäßig kleinen Summe sehe er jedoch keine Möglichkeit eines Investments.

Trotzdem erwiesen sich einige der VCs als überaus hilfsbereit und gaben nützliche Tipps und Beratung rund um Themen wie Vermarktung oder Vertrieb. Wir selbst haben schließlich ein österreichisches Unternehmen gefunden, das sein Finanzierungskapital aus einem Schweizer Fond bezieht. Ironie des Schicksals dabei ist, dass die Schweiz nach den Terroranschlägen vom 11. September sämtliche größeren Geldtransfers ins Ausland eingefroren hat und vor der Freigabe genau überprüft, ob bei dem Vorgang keine terroristische Vereinigung beteiligt ist.

Heute beschäftigt die Kryptografics neben mir als Geschäftsführer nur noch einen Azubi, wobei Gehälter schon seit Juni nicht mehr geflossen sind.

Fazit

Gewiss wäre es der Situation unangemessen, die Schuld für diese Entwicklung ausschließlich bei anderen - insbesondere der VCs zu suchen. Kardinalsfehler war es sicherlich, sich zu lange fast blind auf Versprechungen zu verlassen. So wären wir besser gefahren, wenn wir parallel zu allen Absprachen und Zusagen noch mit anderen potenziellen Kapitalgebern geredet und verhandelt hätten - auch wenn uns dies aufgrund einer schriftlichen Absichtserklärung untersagt war. So mussten wir jedoch schmerzlich erfahren, dass eine Finanzierung erst dann abgeschlossen ist, wenn sich das Geld auf dem eigenen Bankkonto befindet.

Gründern kann ich empfehlen, sich bei der Suche nach einem Investor nicht ausschließlich auf klassische VC-Gesellschaften zu beschränken, sondern auch passende Unternehmen anzusprechen. Dort liegt meiner Erfahrung nach ein weit höheres Finanzierungspotential als bei den meisten VC’s. Ich kann nur hoffen, dass in diesem Bereich bald eine gewisse Normalität eingekehrt. Nur so können Startups mit hervorragenden Konzepten und Ideen heute wieder eine Chance mehr bekommen.

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