Patentstreit: Sieg oder 'Schuss ins Knie'?

13.07.2005
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Nach der Ablehnung der Softwarepatentrichtlinie im EU-Parlament frohlocken die Kritiker. Vom Tisch ist das Thema damit noch lange nicht.
Mit Plakaten warben Patentgegner für eine Ablehnung der Richtlinie im Straßburger EU-Parlament.
Mit Plakaten warben Patentgegner für eine Ablehnung der Richtlinie im Straßburger EU-Parlament.

Den 6. Juli 2005 dürften die Gegner von Softwarepatenten als historisches Datum in Erinnerung behalten. Mit einer Mehrheit von 648 Abgeordneten gegen 14 Stimmen und 18 Enthaltungen wies das Europaparlament die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" zurück. "Ein Albtraum ist vorbei!", kommentierte Florian Müller, Gründer der Initiative NoSoftwarePatents.com. Jahrelang hätten die EU-Kommission und die meisten europäischen Regierungen dementiert, dass die Richtlinie reine Softwarepatente zulassen würde. Genau darum aber sei es gegangen.

Ziel der Initiative war es, die Patentgesetze in den 25 EU-Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Dazu hätte sich das Parlament mit dem EU-Ministerrat einigen müssen. Doch die Positionen ließen sich bis zuletzt nicht zusammenbringen. In der zweiten Lesung am 6. Juli lag dem Parlament ein Antragspaket vor, das die vom EU-Rat bereits abgesegnete Richtlinienversion in wesentlichen Punkten verändern sollte. Dahinter stand eine Gruppe von fast 200 Europaabgeordneten aus verschiedenen Parteien. Ihnen ging die vom Ministerrat unterstützte Regelung, die das relativ großzügige Erteilen von Patenten vorsieht, zu weit. Eine derart geregelte Patentvergabe würde vor allem kleine Unternehmen gegenüber Konzernen benachteiligen, lautete ein zentrales Argument.

Zu den schärfsten Kritikern der Ratsversion gehörten Anhänger der Open-Source-Gemeinde. Sie sehen darin eine Gefahr für die Entwickler quelloffener Software, die bei ihrer Arbeit stets riskieren würden, gegen Patente auf bestimmte Funktionen oder Algorithmen zu verstoßen. Eine restriktivere Patentregelung lehnen dagegen vor allem große ITK-Anbieter ab, darunter Microsoft, SAP, Ericsson und Nokia. Sie erachten Patente in Zusammenhang mit Computersystemen als notwendig, um ihre technischen Innovationen zu schützen. Nach der Ablehnung der EU-Richtlinie gilt für Software weiter das Urheberrecht. Es schützt nur den konkreten Programmcode, nicht die Idee oder das Verfahren an sich.

Die Kritiker feiern