Patentstreit: Sieg oder 'Schuss ins Knie'?

13.07.2005
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Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Wuermeling, der als Europaabgeordneter an der Richtlinie mit gearbeitet hatte, machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl, kann dem Votum aber dennoch Positives abgewinnen: "Die Ablehnung war der einzige Ausweg aus einer völlig verfahrenen Situation", so der CSU-Politiker gegenüber der computerwoche. Die Richtlinie sei "nicht entscheidungsreif" gewesen. Eine Einzelabstimmung über die knapp 200 Änderungsanträge hätte zu "unkalkulierbaren Ergebnissen" geführt. Aus diesem Grund habe sich die Europäische Volkspartei (EVP), die eigentlich für die Richtlinie in der Ratsversion gewesen sei, dagegen entschieden.

Auch der rechtspolitische Sprecher der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, Klaus-Heiner Lehne (CDU), vertrat diese Auffassung: "Kein Gesetz ist besser als ein schlechtes." Das sei eine der Lehren aus den gescheiterten Referenden zum Verfassungsvertrag. Anders Grünen-Chef Bütikofer: "Auch wenn es stimmt, dass keine Richtlinie besser ist als eine schlechte, so besteht kein Grund zum Feiern." Die Kehrtwende der Konservativen und Liberalen zeige immerhin, dass die beharrliche Kritik an der geplanten Richtlinie Wirkung gezeigt habe.

CSU-Mann Wuermeling hingegen nannte die Entscheidung einen "Pyrrhus-Sieg" für die Softwarepatentgegner. Die Rechtsunsicherheit, die in der Vergangenheit zu einem Übermaß an Patentierungen geführt habe, bleibe bestehen. Insofern habe sich die Open-Source-Bewegung mit ihrer radikalen Kampagne "selbst ins Knie geschossen".

Zu den Befürwortern der Richtlinie zählte auch der deutsche Softwarehersteller SAP. Mit der Ablehnung habe das Parlament "eine historische Chance vorerst verpasst", ließ Vorstandschef Henning Kagermann erklären. SAP erkenne sehr wohl, dass die technischen und juristischen Implikationen bei computerimplementierten Erfindungen hoch komplex seien. Dies gelte jedoch nicht für die ökonomischen Faktoren. "Auf einem globalen Markt sind computerimplementierte Erfindungen ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für Europa, der unbedingt durch Patente geschützt werden muss", so der Manager.