Das große Doag-Interview

Oracle-Anwender fordern mehr Einfluss

10.11.2009
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Kunden wollen keine Marketing-Schlachten

COMPUTERWOCHE: Zwischen den großen Anbietern im weltweiten IT-Geschäft geht es zurzeit nicht gerade zimperlich zu. Kürzlich hat Oracle-Chef Lawrence Ellison mit markigen Worten IBM angegriffen. Wie sehen Sie das Säbelrasseln der IT-Giganten?

SAACKE: Wie bei Oracles Kleinkrieg gegen SAP kommt für die Anwender dabei letztlich nichts Fruchtbares heraus. Es ist ja nicht so, dass Oracle dabei nachhaltig Inhalte liefert. Den Anwendern geht es darum, dass Oracle sein Standing im Markt verbessert und Mehrwert ermöglicht. Die Anwender wünschen sich keine Einzelhersteller, die den Markt dominieren, wie beispielsweise Microsoft, sondern eine Vielzahl von Anbietern - auch damit regulierende Mechanismen greifen. Es ist immer bedrohlich, wenn ein Anbieter zu mächtig wird und einen Markt dominiert. Das hat man zuletzt auch im SAP-Umfeld gesehen. Hier hat der Softwarehersteller seine Marktmacht an einigen Stellen zu Lasten der Kunden ausgespielt, wie beispielsweise kürzlich mit der Umstellung der Supportmodelle. Die Zeche zahlen die kleineren Kunden, die kein so gutes Standing bei der SAP haben wie Konzerne. Der Anbieter nutzt aus, dass die Kunden praktisch kaum eine Wahl haben und mitgehen müssen. Deswegen nutzt es den Kunden wenig, wenn sich die Hersteller irgendwelche Marketing-Schlachten liefern. Wir brauchen nachhaltige Inhalte, anhand derer man sich im Markt orientieren kann. Das ist das Grundproblem: Oracle geht amerikanisch vor und versucht, den Gegner kleinzureden und schlecht zu machen. Die Kunden wollen aber wissen, wo die Stärken liegen und warum sie Oracle-Produkte kaufen sollen. Die Anwender wollen nicht wissen, warum SAP oder IBM schlecht ist.

COMPUTERWOCHE: Wenn sich die Anwender auf einen Anbieter konzentrieren, stecken sie in einer gewissen Abhängigkeit, bekommen aber besser integrierte Pakete. Umgekehrt sind sie mit einer Multi-Vendor-Strategie zwar unabhängiger, haben aber mehr Arbeit mit der Integration der verschiedenen Produkte. Ist das nicht eine Zwickmühle, in der die Unternehmen derzeit stecken?

SAACKE: Nach meiner Beobachtung hat die Unabhängigkeit einen sehr hohen Preis. Die Unternehmen müssen heute einen gigantischen Aufwand treiben, Produkte unterschiedlicher Hersteller zu integrieren und zu orchestrieren. Natürlich birgt es eine gewisse Gefahr, zu Komplettanbietern zu wechseln. Die tragen auf der anderen Seite eine große Verantwortung, das Vertrauen der Kunden nicht zu missbrauchen. Unsere Aufgabe als Anwendervertretung ist, den Finger zu heben, wenn wir glauben, dass es an der einen oder anderen Stelle hakt. Wir müssen darauf achten, dass die Interessen der Anwender gewahrt bleiben. Es kommt gelegentlich vor, dass das Vertrauen der Anwender von den Anbietern missbraucht wird.

COMPUTERWOCHE: Passiert es denn, dass die Anbieter das in sie gesetzte Vertrauen brechen?

SAACKE: Gelegentlich - ein Beispiel ist die fehlende GoB-Zertifizierung (GoB: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung) der E-Business-Suite, die wir dann aber auf Druck der Doag bekommen haben. Das war ein klarer Vertrauensmissbrauch. Die Kunden hatten sich in der Vergangenheit für die Oracle-Software entschieden und waren es gewohnt, dass es in den Versionen 7, 8, 9, 10 und 11 immer diese GoB-Zertifizierung gegeben hat. Natürlich verlässt man sich als Kunde darauf, dass es auch in Release 12 eine entsprechende Zertifizierung geben wird. Wenn der Hersteller dies dann nicht mehr leistet, ist das aus Sicht der Anwender ein Vertrauensbruch. Dann sehen wir uns als Doag in Verantwortung und auch gefordert, die Hand zu heben. Zum Glück gelingt es in vielen Fällen, die Interessen der Anwender durchzusetzen.

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