Das große Doag-Interview

Oracle-Anwender fordern mehr Einfluss

10.11.2009
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Fusion Applications werden nicht der große Wurf

COMPUTERWOCHE: Oracle arbeitet seit Jahren mit Hochdruck an der neuen Linie der Fusion Applications. Hier ist es allerdings in letzter Zeit relativ still geworden. Wie ist Ihr Eindruck?

SAACKE: Das sehen wir relativ unkritisch. Für die Kunden ist wichtig, dass die bestehenden Produkte, die sie im Einsatz haben, weitergepflegt werden. Wenn es irgendwann eine interessante Alternative dazu gibt, dann kann man sich ja überlegen, dorthin zu wechseln. Außerdem ist es auch nicht ganz still um Fusion Applications geworden. Oracle hat den Schwerpunkt nur ein wenig verlegt. Wenn man sich die aktuelle Fusion Middleware ansieht, finden sich dort viele wichtige Funktionen die die technische Basis für die Fusion Applications legen. Man kann hier schon erkennen, in welche Richtung es geht.

COMPUTERWOCHE: Wohin denn?

SAACKE: Es wird sicher nicht der große Wurf einer komplett neuen Software sein. Vielmehr sind Module aus alter und neuer Software geplant, die sich auf Basis der Oracle-Middleware miteinander verknüpfen lassen sollen. Es wird vermutlich so aussehen, dass sich die Anwender zusätzliche Funktionalität kaufen können, ohne jedoch die alten Lösungen ablösen zu müssen. Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr dazu etwas hören werden. 2010 soll es dann eine große Roadshow zu den Fusion Applications geben. Das lässt zumindest erahnen, dass nun größere Schritte kommen werden.

COMPUTERWOCHE: Die Diskussion der vergangenen Jahre war meist sehr technikgetrieben. Doch das interessiert die Anwender eigentlich nicht?

SAACKE: Absolut richtig. Wir brauchen stabile Lösungen, möglichst aus einer Hand. Die Anwender können es sich heute nicht mehr leisten, die ganze Integrationsarbeit selbst zu übernehmen. Das wird künftig ein entscheidendes Kaufkriterium sein. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Plattform wie die Fusion Middleware für einen Hersteller sehr hilfreich, die Kunden von den eigenen Lösungen zu überzeugen. Die Tatsache, dass sich Bea in Oracles Produktportfolio durchgesetzt hat, ist zudem ein Beleg dafür, dass Oracle eine klare Strategie verfolgt, sich gezielt verstärkt. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch der Sun-Kauf gut überlegt ist. Ich glaube nicht, dass die Idee zu dem Deal zufällig auf dem Golfplatz entstanden ist.

COMPUTERWOCHE: Welche Chancen werden die Fusion Applications im Markt haben?

SAACKE: Die Fusion Applications werden auf der Basis einer stabilen und breit aufgestellten Technologie erfolgreich sein. Welchen Mehrwert kann man als Hersteller noch auf der reinen Anwendungsseite erzielen? Hier gibt es im Grunde schon alles, was der Markt brauchen könnte. Die Integrationsproblematik ist das Entscheidende in diesem Umfeld. Wenn ich als Anwender mein SAP Financials und mein Siebel-basierendes CRM-System auf einer gemeinsamen Technikplattform nutzen kann und der Hersteller garantiert mir, dass das problemlos funktioniert, dann spare ich mir als Kunde den ganzen Integrationsaufwand.

COMPUTERWOCHE: Wie offen und standardisiert sind diese Integrationsplattformen wirklich?

SAACKE: Wenn die Anwendungen zertifiziert sind, dürfte es keine Probleme geben. Der Anbieter der Plattform ist dann gefordert. Ein Beispiel: Anwender betrieben früher ihre E-Business-Suite von Oracle. Wenn daran ein SAP-System gekoppelt werden sollte, dann gab es eine Schnittstellenbeschreibung, wie die Daten in und aus dem System zu bekommen sind. Ob das allerdings funktioniert, hat Oracle nicht garantiert. Das ist heute anders, wenn ich ein SAP-Release einsetze, das von Oracle für die Fusion-Middleware zertifiziert ist. Für die Kunden ist das ein deutlicher Mehrwert.

COMPUTERWOCHE: Entfällt damit auch das aufwändige Testing bei jedem Release-Wechsel?

SAACKE: Das Testen wird auch in Zukunft erforderlich sein. Kaum ein Kunde setzt SAP oder Oracle im Standard ein. Die Komplexität bleibt, aber die Unterstützung durch die Hersteller reicht weiter. Trotzdem wird man als Anwender seine Lösungen auch in Zukunft weiter testen müssen. Kein Unternehmen kann es sich schließlich leisten, dass die Produktion stillsteht, nur weil die IT mal schnell blauäugig ein Softwaremodul ausgetauscht hat. Aber die Initiativen der Anbieter stellen aus meiner Sicht eine Hilfe dar, wodurch die Komplexität in einem gewissen Grad beherrschbar bleibt.