Mit neuer Wertschöpfung aus der Krise

20.01.2003
Von Michael Dressen

Bisher wurde dieser Vorgang als "Optimierung der Geschäftsmodelle" verstanden, weil der absolute Gewinn und damit auch der davon abgeleitete Firmenwert (wichtig für die Börse) aufgrund des anhaltenden Wachstums kurzfristig gesteigert werden konnte. Allerdings stellt sich die Frage, was wirklich sinnvoller - und werthaltiger - ist: kurzfristige Gewinnsteigerung oder langfristiger Ausbau von Assets, eventuell auch bei konservativeren Gewinnerwartungen?

Die Problematik rigoroser Kostensenkungen liegt auf der Hand, denn man kann diese Entwicklung nicht ad infinitum weiterführen. Früher oder später erreichen die Kosten (und damit die Wertschöpfung) ein absolutes Minimum - im IT-Großhandel sind dies etwa drei bis vier Prozent. Damit ist die Grenze erreicht, der Prozess kann nicht weitergetrieben werden. Da nun zudem eine Marktsättigung eingetreten ist, wird über die weitere Verringerung der Kosten kein Wachstum mehr induziert, sondern die Produktion wird mit weniger Wertschöpfung erzeugt und steht - umgangssprachlich ausgedrückt - auf wackeligen Beinen. Als Folge sinkt tendenziell die Produktion, und die Wachstumsfalle schnappt zu. Die Faktoren, die bisher das Wachstum angetrieben haben, führen nun direkt in die Stagnation.

Neues Wachstum braucht neue Märkte

Neues Wachstum lässt sich nur über neue Märkte erzeugen, in denen noch keine Sättigung eingetreten ist. Aber um dies klarzustellen: Neue Märkte bedeutet nicht einfach die Verbesserung bestehender Produkte in gesättigten Märkten, wie dies in der Automobilindustrie versucht wird. Technologische Innovation führt hier nicht zu Wachstum. Das wird auch am Beispiel Mobiltelefon deutlich: UMTS ist zwar eine neue Technologie, aber allein aus diesem Grund werden die Kunden nicht mit zwei Telefonen in der Tasche herumlaufen. UMTS-Handys können - wenn sie denn ein Erfolg werden sollten - lediglich nach und nach die bestehenden Mobiltelefone ersetzen. Den erhofften UMTS-Boom wird es folglich nicht geben.

Die Kommentare über die anhaltende Schwäche an der Börse konzentrieren sich auf die Auswirkungen der Anschläge des 11. September, die Bilanzbetrügereien oder bestenfalls auf die überbewerteten Märkte nach dem Kurs-Gewinn-Verhältnis. Die ersten beiden Argumente legen nahe, dass es keine wirklich fundamentale Änderung in der wirtschaftlichen Entwicklung gegeben hat, sondern dass eine handfeste Rezession mittels Alibierklärungen verklärt werden soll. Das Schockereignis des 11. September hat die Börse längst verkraftet, die Kurse zogen kurz danach wieder an. "Überbewertete Märkte" ist normalerweise die Formulierung dafür, dass es sich um ein vorübergehendes Ungleichgewicht handelt, das früher oder später wieder ausgeglichen wird.

Damit machen es sich die IT-Anbieter allerdings zu leicht, denn die Veränderungen im IT-Markt sind fundamental. Das PC-Segment und alles, was damit zusammenhängt, ist in den entwickelten Industrienationen gesättigt. Technische Innovationen können das nicht ändern, solange sie auf bestehende Produkte angewendet werden. Schnellere Computer ersetzen nur die langsameren, wie Autos mit Navigationssystem die ältere Fahrzeuggeneration ablösen. Dadurch wird jedoch kein PC oder Auto mehr verkauft als vorher, von zyklischen Schwankungen einmal abgesehen.