Smart Grids und Smart Meter

Keine Energiewende ohne IT und TK

19.10.2011
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Smart Meter: Trennung von Messung und Steuerung

In Zukunft wird sich das Smart Grid bis in die Haushalte, Büros und Unternehmen erstrecken. Eine wichtige Komponente wird der digitale Stromzähler beziehungsweise Smart Meter sein, wobei der Begriff streng genommen auch die intelligente Messung des Gas- und Wasserverbrauchs umfasst. Im Energiesektor löst der Smart Meter die bekannten analogen Ferraris-Zähler (Stromzähler) ab - und das ziemlich zügig. Seit 2010 müssen in Neubauten digitale Messgeräte installiert werden.

Foto: Jeff Wilber, Shutterstock

Bis zum Jahr 2020, so eine Richtlinie der EU-Kommission, müssen 80 Prozent aller Haushalte mit den intelligenten Zählern ausgestattet sein. Für 2022 ist eine flächendeckende Versorgung angestrebt. Sollten die Energiekonzerne und Stadtwerke im Januar 2012 mit dem Rollout beginnen, müssten sie in rund 40 Millionen Haushalten in Deutschland täglich (inklusive Wochenende) fast 11 000 Geräte installieren, wenn sie die Vollversorgung innerhalb von zehn Jahren erreichen wollen.

Schleppende Fortschritte

Bislang sind in Deutschland geschätzte 100.000 Geräte zumeist im Rahmen von Pilotprojekten installiert. Die Fortschritte in der Smart-Meter-Versorgung sind dürftig. Selbst in Neubauten verläuft die Digitalisierung schleppend. Die örtlichen Versorger drängen nicht immer darauf, dass die neuen Geräte installiert werden. Angeblich gibt es Lieferengpässe, außerdem sind heutige Geräte zum Teil unzuverlässig.

Bei der Konstruktion der Smart-Meter-Architektur bilden sich zwei unterschiedliche Lager heraus. Die einen möchten ein möglichst einfaches und günstiges Gerät, das ausschließlich Strom misst und die erhobenen Daten der Messdatensammelstelle übermittelt. Die anderen plädieren für intelligente Smart Meter, die vor Ort Steuerfunktionen und das Energie-Management für Verbraucher übernehmen und nur auf Anfrage der zentralen Messstelle Daten senden.

Die Verfechter der einfachen Gerätevariante verweisen auf Erfahrungen in Ländern, in denen intelligente Geräte bereits installiert wurden und die Kosten für die Infrastruktur aus dem Ruder liefen. "Die Funktionsfülle macht Smart Meter teuer, sie wurden nicht aus IT-Sicht entworfen", warnt Telekom-Managerin Riedmann de Trinidad. "Man muss die Intelligenz im Backend bündeln und dort die Verbrauchsdaten mit Tarifinformationen zusammenführen." Das Verfahren habe sich seit mehr als 20 Jahren im Mobilfunk- und Telekommunikationsnetz bewährt.

Messgeräte verbrauchen Energie

Die Befürworter der intelligenten Lösungen verweisen auf Skaleneffekte. In Brasilien und China gibt es große Projekte mit intelligenten Strommessern. Absehbar ist, dass mit der Massenfertigung die Preise fallen. Ein Befürworter der Variante ist Martin Böttner, Director Sales bei dem amerikanischen Smart-Meter-Hersteller Echelon: "Die intelligenten Smart Meter sind mit einem Chip ausgestattet, der sich beispielsweise auch über Powerline ansprechen lässt.

Wir können eine zertifizierte Skalierbarkeit von fünf Millionen ansteuerbaren Smart Meters nachweisen." Der Anbieter hat unter anderem Großprojekte in Italien, Dänemark und Schweden betrieben. Das Konzept der einfachen Geräte trübe die Energiebilanz, weil die Smart Meter ständig Daten senden müssten und dadurch selbst erhebliche Menge Strom verbrauchten, kritisiert Böttner.

Trotzdem scheint sich in Deutschland eine Mehrheit für die einfache Variante herauszubilden. Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) und Bundesumweltministerium fördern das Projekt "E-Energy" mit rund 140 Millionen Euro, das in sechs Modellregionen Lösungen für ein IT- und TK-basierendes Energiesystem der Zukunft erforschen soll. Projektkoordinator ist Ludwig Karg, Geschäftsführer der B.A.U.M Consult GmbH: "Es gibt Bestrebungen, die Smart Meter, die ja immer auch kleine Computer sind, auch zur Steuerung der Verbrauchsgeräte einzusetzen.

Davon distanzieren sich mittlerweile aber viele Experten. Die Mess- und Zählfunktion soll der Smart Meter übernehmen, die Steuer- und Management-Funktion sollte in einem weiteren Gerät stecken, das wir als Energie-Manager bezeichnen", schildert Karg die aktuelle Diskussion. Das digitale Messgerät müsse geeicht und über seine Kommunikationsschnittstelle, das Smart Meter Gateway, vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden. Dafür erarbeiten BMWI und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gerade ein Schutzprofil. Das sieht sehr restriktive Zugänge zu diesem Gerät vor.

Der intelligente Energie- Manager ist dagegen offen für neue Applikationen und damit Basis für neue Geschäftsmodelle. Hier lassen sich etwa Apps für Tarifprognosen installieren und Erzeugungs- und Verbrauchsgeräte in günstigen Zeiten zu- und abschalten. Dieses Gerät ist ein Schlüsselelement in einem Smart Grid, weil es die intelligente Energieverteilung und -nutzung erlaubt. "Die entscheidende Information für den Energie-Manager ist nicht, wie viel Strom ein Haushalt gerade verbraucht, sondern wie viel er gerade verbrauchen sollte - weil Strom zum Beispiel gerade günstig ist oder aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht", erläutert Karg.

Der Smart Meter ist in diesem Szenario nur ein einfaches, digitales Messgerät, das Daten an eine Messdatenstelle sendet und es damit erlaubt, dynamische Tarife abzurechnen. "Beide Funktionen in einem Gerät zusammenzuführen kann die Entwicklung des Smart Grid behindern. Es würde schwieriger, innovative Funktionen und Applikationen aufzuspielen", warnt Karg. Vielmehr sollten für den Energie-Manager offene Schnittstellen geschaffen werden, wie sie etwa die OGEMA-Allianz anstrebt.