Karriere ohne Personalverantwortung

IT-Profis wollen nicht führen

17.12.2008
Von 
ist freie Wirtschaftsjournalistin in London.

IT-Spezialisten sind für diese Beförderung besonders geeignet. Durch die kurze Halbwertszeit des IT-Wissens drohen Führungskräfte, die mit Personalaufgaben beschäftigt sind, den Anschluss an das aktuelle Fachwissen schnell zu verlieren. Und bei einer vergleichsweise hohen Fluktuationsrate suchen Arbeitgeber nach Wegen, ihre Spezialisten im Unternehmen zu halten. "IT-Experten schätzen Fachkarrieren meist mehr als andere, weil sie ihr Interesse und ihre Sinnstiftung in der fachlichen Herausforderung ihres Jobs finden", erklärt Berater Biehal. Führungsarbeit wird nicht selten als Last und Qual erlebt. "Wer Top-IT-Fachkräfte von dieser Führungsverantwortung entlasten kann und ihnen trotzdem Karrierechancen bietet, nutzt ihre Kernkompetenz besser und bringt nur diejenigen in Führungspositionen, denen das wirklich liegt", so Biehal.

Das Gefühl, gebraucht zu werden

Auch Dürmeyer mochte keine Laufbahn mit Mitarbeiterverantwortung einschlagen. "Da wäre es meine Hauptaufgabe gewesen, Mitarbeiter anzuleiten. Das hätte mir nicht gereicht", erklärt die 50-Jährige. Außerdem hätte sie dann das Gefühl gehabt, "nach ein paar Jahren vor den anderen keinen Wissensvorsprung mehr zu haben". Heute, als Topspezialistin, schwärmt sie von den neuen technologischen Herausforderungen, vor die sie ihr Job ständig stellt. "Ich genieße das Gefühl, dass man mich braucht", so Dürmeyer. Ihr Chef nennt sie "mein technisches Gewissen". Innerhalb des globalen IBM-Netzwerks gehört sie der renommierten Academy of Technology an, dem Rat der Weisen bei IBM, in dem weltweit 300 ranghohe Mitarbeiter ihr Know-how bündeln.

Schwierige Arbeit - gutes Gehalt

Die Anforderungen an Topspezialisten sind auch in anderen Unternehmen hoch. "Führungskräfte können Defizite im Fachwissen unter Umständen mit erstklassigen Führungsqualitäten kompensieren, bei Fachkräften geht das nicht", erklärt Martin Hofferberth, Vergütungsexperte bei der Unternehmensberatung Towers Perrin in Frankfurt am Main.

Martin Hofferberth, Towers Perrin "Für Einzelgänger und Scheuklappenträger eignet sich die Fachkarriere nicht."
Martin Hofferberth, Towers Perrin "Für Einzelgänger und Scheuklappenträger eignet sich die Fachkarriere nicht."

Die Kandidaten müssen ihr Spezialgebiet besser kennen als ihre Vorgesetzten und zusätzlich eine hohe Sozialkompetenz mitbringen. Dazu gehört es, offen zu sein für Neues und mit Kollegen in verschiedenen Teams und Ländern zusammenzuarbeiten. "Für Menschen mit Scheuklappen oder Einzelgänger ist das nichts", so Hofferberth. Besonders Fachlaufbahnen im Projekt-Management gewinnen an Bedeutung. "Gerade wenn es um die Umsetzung großer, komplexer IT-Projekte geht, werden Topexperten benötigt und auch entsprechend gut vergütet", schildert Gehaltsexperte Hofferberth.

Was IT-Profis verdienen

Im Gegensatz zu Fachleuten vieler anderer Richtungen können IT-Spezialisten auch in Sachen Vergütung mit ihren Manager-Kollegen gleichziehen. Nach Berechnungen von Towers Perrin verdient ein IT-Spezialist mit acht bis zwölf Jahren Berufserfahrung im Schnitt 87.500 Euro. Ein auf derselben Ebene angesiedelter Gruppenleiter bringt es nur auf 86.000 Euro. Zwei Karrierestufen höher streicht ein Topexperte durchschnittlich 132.000 Euro ein - nur 14.600 Euro weniger als ein vergleichbarer Hauptabteilungsleiter.

Trotz guter Verdienstmöglichkeiten hat sich das Konzept Fachkarriere jedoch noch lange nicht überall durchgesetzt. Das klassische Bild, wonach eine Karriere nur dann eine ist, wenn sie Personalführung impliziert, wird nie ganz aus den Köpfen verschwinden. Viele Firmen haben noch Schwierigkeiten mit dem Prinzip, dass Führungs- und Fachlaufbahn als gleichwertig anerkannt und abgegolten werden können.