In der Softwarebranche droht Langeweile

06.05.2002
Von 
Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.

Dass sich die Vorzeichen bereits im vergangenen Jahr veränderten, haben einige Firmen längst hautnah erfahren müssen. Beispiel Intershop: Der Highflyer des Jahres 1999 befindet sich einem Urteil des Hamburger Marktforschungsunternehmens SES Research GmbH „mitten im Abschwung“. Ob und wann der Anbieter für E-Commerce-Software die Profitabilität erreicht, ist nach wie vor ungewiss. Der Jahresumsatz von 11,7 Millionen Euro mit einem Nettoergebnis von minus 24,7 Millionen Euro sei geradezu „beängstigend“ und schrecke die potenziellen Kunden ab. Auch bei einigen bestehenden Kunden der ostdeutschen Softwerker stehe die Fortführung einer Geschäftsbeziehung in Frage. Gerüchten zufolge will etwa der Otto-Versand, einer der größten Intershop-Kunden, seine geplante Internet-Anbindung an große Supermarktketten nicht mit Intershop-Produkten realisieren.

Obwohl weltweit mittlerweile rund 5000 Berater auf Intershop-Lösungen geschult sind, dürfte sich dieses Potenzial gegen die Zehntausende von SAP- oder Oracle-Partnern nicht durchsetzen können, heißt es bei SES. Hinzu komme, dass bei den derzeit eingefrorenen Investitionsvorhaben die Unternehmen E-Commerce-Projekte oft an erster Stelle nennen. Fazit der Hamburger Marktforscher: Die einst mit Weltmarktambitionen gestarteten Ostdeutschen werden sich im günstigsten Fall irgendwann „als Nischenanbieter wiederfinden“.

Auch Broadvision kämpft derzeit um das nackte Überleben. Für SES-Analyst Felix Ellmann ist das Geschäft des US-Anbieters bereits „jenseits von Gut und Böse“. Die im vergangenen Jahr präsentierten Ergebnisse seien schlichtweg katastrophal: Dem Umsatz von 248 Millionen Dollar stand ein Nettoverlust von 833 Millionen Dollar gegenüber.

SAP SI rühmliche Ausnahme

Zwar verfügt das Unternehmen laut SES noch über rund 160 Millionen Dollar an liquiden Mitteln, doch angesichts der derzeit unsicheren Lage ist schwer abzusehen, ob Broadvsion mit dieser Cash-Reserve den Weg zur Profitabilität bewältigen wird. Der wesentliche Vorwurf, den Ellmann Broadvision macht, ist das bis dato zu breit gefächerte Produktportfolio. Neben Content-Management-Anwendungen sowie für den Handel zugeschnittenen B-to-C-Lösungen bietet der Hersteller auch Systeme für B-to-B-Commerce, Electronic Billing sowie Portale an. Konsequenz dieser „Bauchladen“-Strategie: Das Unternehmen kämpft mit horrenden Kosten.

Ungeachtet dessen werden nach Ansicht von SES gerade in Deutschland eine Reihe kleinerer Softwareanbieter und -dienstleister mit spezifischen (Nischen-)Angeboten am Marktwachstum der nächsten Jahre partizipieren können. Grund zur Weltuntergangsstimmung nach publicityträchtigen Pleiten wie etwa der von Brokat gebe es nicht. Gute Perspektiven bescheinigt SES beispielsweise der SAP-Tochter SAP SI, die sich auf die Integration der Lösungen ihres Mutterkonzerns spezialisiert hat und sich damit nolens, volens in einem der aussichtsreichsten Märkte der kommenden Jahre bewegt. Außerdem verfüge das Unternehmen mit seinen Branchenlösungen für den Medienbereich sowie das Gesundheitswesen auch über adäquate Alleinstellungsmerkmale.