Großrechner oder die Monster im Keller

15.07.2002
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Cobol kann man erwarten

Ganz unvoreingenommen ist Spruth allerdings nicht. Immerhin stand er früher in IBM-Diensten im Forschungslabor Schöneich bei Böblingen. Dort ist Big Blues Think Tank für die Entwicklung von Großrechnerprozessoren und Betriebssystemen beheimatet. Man kann nachvollziehen, dass sich Spruth auch heute noch für die Technologie dieser Großsysteme begeistern kann - und dass er "beim Fundraising durchaus wissen könnte, an welche Türen man anklopfen kann", wie es IBM-Sprecher Hans-Jürgen Rehm ziemlich dezent auszudrücken versteht.

Spruth, der Teilhaber der Schwarz, Prof. Spruth & Associates Unternehmensberatung AG & Co. KG mit Hauptsitz in Stuttgart ist, bietet Studenten außer in Leipzig und Tübingen auch an der Universität Chemnitz und an den Fachhochschulen Darmstadt und Bochum eine Großrechnerausbildung an. Über das Internet und das deutsche Forschungsnetz können sich die Studiosi auf einen vollwertigen OS/390-Rechner aufschalten, der in Leipzig zu Ausbildungszwecken installiert wurde. Die Studenten können mit einem 3270-Client einfache Übungen und Tutorien auf diesem Rechner abarbeiten. Für seinen "Feldzug", den er als "Spiritus rector" gemeinsam mit seinen Kollegen Paul Herrmann und Udo Kebschul führt, erhält er keine Fördergelder aus Berlin. Die Informatikfakultäten seien finanziell ohnehin in Kalamitäten. Es blieben ausschließlich private Sponsoren.

Den Hochschülern sollen vor allem Anwendungskenntnisse beigebracht werden, "denn von einem Studenten im Hauptstudium kann man erwarten, dass er sich selbst schnell in eine Programmiersprache wie Cobol einfindet". Auf der Homepage der Universität Leipzig bieten Spruth, Herrmann und Kebschul deshalb auch zuvörderst anwendungsspezifische Übungen an.

Den Studenten werden nicht nur die traditionellen Zugriffsmethoden erklärt, bei denen über das 3270-Protokoll ein "CICS"-Programm genutzt wird. Die zukünftigen Hosties - wie die Experten für die Großrechner-Hosts gerne genannt werden - lernen hier auch, wie man CICS-Anwendungen via Java Server Pages (JSP) und Java Servlets verfügbar macht.

Solche Kenntnisse sterben heutzutage mit den auf den Ruhestand zusteuernden System- und Anwendungsprogrammierern in den Großunternehmen langsam aus. Wer da auf dem Arbeitsmarkt nach Host-Experten sucht, wirft auch schon mal alte Gewohnheiten über Bord, um fündig zu werden. Neulich habe er sogar zwei von Headhuntern vermittelte Leute eingestellt, "das tue ich sonst nie", sagt Andreas Emhart. Emhart ist Geschäftsführer der Alegri International Service GmbH, eines Münchner Beratungsunternehmens, das erst seit einem halben Jahr existiert.

Alegri bietet System-Management-Dienstleistungen für die Großrechnerumwelt an, darüber hinaus Support für das gesamte Mainframe-Umfeld. Die Alegri-Mitarbeiter schreiben etwa Gateways für die OS/390-Umgebungen, um Altanwendungen, die nicht abgelöst werden sollen, funktionell so zu erweitern, dass mit modernen Schnittstellen darauf zugegriffen werden kann. Die beiden neuen Kollegen, erklärt Emhart, konnten Erfahrungen mit PL1 vorweisen, hatten Schnittstellen geschrieben, um auf XML zu kommen: "Solche Leute sind für uns absolute High Potentials, die wir aus dem Stegreif einstellen."

Der Alegri-Geschäftsführer spricht ein Thema an, das Informatikstudenten eigentlich brennend interessieren sollte: das der Zukunftsperspektiven. Nicht nur Professor Spruth singt nämlich das Hohe Lied des Großrechners. Harald Keinki, Gruppenleiter der Anwendungsentwicklung bei der HypoVereinsbank in München, ist der festen Überzeugung, dass im Großrechnerumfeld mittelfristig mehr Jobs zu finden sein werden. Das liege einfach daran, dass in den Unternehmen bei weitem nicht so schnell dezentrale IT-Strukturen aufgebaut würden, wie es Leute gebe, die in diesen Bereichen arbeiten wollten. Zudem böten sich dem Großrechnerexperten langfristig auch mehr Perspektiven. Wer das als junger Mensch mit Informatikausbildung nicht gewahr werde, der verspiele Zukunftsaussichten.

Keinki konzediert, dass auch deutsche Universitäten an der Malaise Schuld trügen. "Kenntnisse über CICS, DB2, PL/1, IMS etc. werden da nicht mehr gelehrt. Das müssen wir neuen Mitarbeitern alles selbst beibringen." Da sind sogar die Lehrpläne für DV-Kaufleute bei den IHK-Instituten zukunftsträchtiger. Deren Ausbildung ist, sagt Unternehmensberater Nowak, "noch stark historiengetrieben", berücksichtigt also etwa die Programmiersprache Cobol.