CIO-Agenda 2009

Flexibilität um jeden Preis verursacht Folgekosten

20.11.2008
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Verkauft die IT Scheinagilität?

Bisweilen verkauft die IT beziehungsweise der IT-Verantwortliche, so eine von vielen Teilnehmern unterschriebene These, eine regelrechte Scheinagilität. Damit wird der Eindruck von Beweglichkeit erweckt. Aber die dadurch erzeugte Bewegung ist weder proaktiv noch zielorientiert. "Manche Anstrengung der IT ist nur ein Treten im Wasserglas", erläuterte Resch. Die IT sollte sich stets fragen: Welche Beweglichkeit ist zielführend, welche nur scheinbar?

Achim Grögeder, IT-Chef von Fortis, attestierte vielen IT-Spezialisten einen ausgeprägten Spieltrieb.
Achim Grögeder, IT-Chef von Fortis, attestierte vielen IT-Spezialisten einen ausgeprägten Spieltrieb.
Foto: Jo Wendler

Wie die CIOs einräumten, entwickeln viele IT-Abteilungen mehr oder weniger hektisch an den Bedürfnissen ihrer Kunden vorbei. Die Gründe dafür liegen häufig in der sprichwörtlichen Technikverliebtheit der IT-Spezialisten. "Die meisten unserer Mitarbeiter haben einen ausgeprägten Spieltrieb", bestätigte Achim Grögeder, IT-Chef bei Fortis Consumer Finance, "sonst hätten sie ja eine andere Profession." Und diese Verspieltheit stehe einer Zielorientierung entgegen, so der Tenor der Diskussion.

Die Scheinagilität - im Laufe der Diskussion verselbständigte sich der Begriff - sei teilweise aber auch durch die IT-Industrie induziert, klagten die CIOs. Grögeder wurde konkret: "Neue Software-Releases, zum Beispiel Vista, werden fälschlicherweise mit dem Schlagwort Agilität verkauft."

Hochkonzentriert als Diskussionsteilnehmer wie als Beobachter (von links): Manfred Klunk, Hans-Joachim Popp, Hans-Joachim Jürgens und Jürgen Holderried.
Hochkonzentriert als Diskussionsteilnehmer wie als Beobachter (von links): Manfred Klunk, Hans-Joachim Popp, Hans-Joachim Jürgens und Jürgen Holderried.
Foto: Jo Wendler

"Wir werden durch die Industrie ständig in die Defensive gedrängt", ergänzte Hans-Joachim Popp, CIO des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR): "Mit bunten Slides wird uns und den Anwendern die kinderleichte Migration auf jede neue Technologie vorgespiegelt." Resch schlug deshalb vor, Maßnahmen zum "langfristigen Erwartungs-Management" zu ergreifen. Auf keinen Fall, so der Bayer-CIO, dürfe die IT "kurzfristige Agilität schaffen, die langfristig zur Starrheit führt"; vielmehr müsse sie "die Systeme auf langfristige Beweglichkeit anlegen." Das sei allerdings leichter gesagt als getan, weil die IT ständig an ihrer momentanen Agilität gemessen werde: "Wir täten uns leichter, wenn wir Messgrößen für die kurz- und langfristige Agilität hätten. Dann könnten wir belegen, warum eine Maßnahme, die uns kurzfristig mehr Beweglichkeit verschafft, langfristig zu einer Lähmung führen kann."

Das wollte Klunk nicht unkommentiert lassen: "Man muss da unterscheiden. Es ist durchaus akzeptabel, vor dem Hintergrund von Time-to-market-Überlegungen auch mal ein suboptimales System einzuführen und es bald wieder wegzuwerfen", gab er zu bedenken, "aber wir brauchen dafür einen bewussten und definierten Prozess". Leider fehle den IT-Chefs meist die Kraft, ein provisorisches System nach einem Jahr tatsächlich wieder aus dem Verkehr zu ziehen, entgegnete Resch.