Falsche Position fördert Frust im Job

30.11.2001
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Sowohl IBM als auch SAP gehören zu denjenigen Unternehmen, die auch heute noch Mitarbeiter einstellen - und einiges zu bieten haben. Neben vermögenswirksamen Leistungen und betrieblicher Altersversorgung erhält ihr IT-Nachwuchs eigene Trainee-Programme und stehen flexible Arbeitszeitmodelle zur Auswahl. Letztere sind indes keine Domäne der IT-Giganten mehr. Mittlerweile ermöglichen immer mehr kleinere Firmen ihren Mitarbeitern, die Arbeitszeit in Einklang mit ihren persönlichen Bedürfnissen und den betrieblichen Erfordernissen zu bringen.

Zu den Unternehmen, die mit Teilzeit seit Jahren gute Erfahrungen machen, gehört das Softwarehaus Comet in München. Für Geschäftsführerin Sissi Closs sind flexible Arbeitszeiten eine Selbstverständlichkeit: "Wenn die Mitarbeiter sich Arbeit und Privatleben einteilen können, profitieren sowohl die Beschäftigten als auch der Arbeitgeber davon."

IT-Qualifizierungen nützen dem ganzen Unternehmen

Ganz oben auf der Prioritätenliste nichtentgeltlicher Anerkennung steht indes nach wie vor die Fortbildung. Dies haben die Analysten von Meta Group in ihrer Studie "European IT Staffing und Compensation Guide", die den Arbeitsmarkt und die Unternehmenskultur in Europa unter die Lupe nimmt, festgestellt. Ihr Resümee: IT-Qualifizierung nützt letztlich dem gesamten Betrieb und ist von daher sehr kosteneffizient.

Das Dilemma ist nur: Dieser Bereich wurde in den Unternehmen schon immer stiefmütterlich behandelt. Die meisten Betriebe halten sich bei der Qualifizierung zurück. Erklärungen dafür haben die Verantwortlichen allemal parat: Die gestandenen Profis steckten zu tief im Projektgeschäft, technische Wissenslücken könnten durch "learning by doing" ausgeglichen werden, und für die Defizite bei den Soft Skills gäbe es keine adäquate Ausbildung. Mentoren vermitteln Soft Skills an Jüngere.

Trainingsrate steht auf neuem Tiefpunkt

Wie viele Kollegen empfindet Uwe Kloos, Personalchef beim Münchner Softwarehaus Softlab, die Ausbildung an der Universität als zu techniklastig: "Darum geben bei uns die älteren Spezialisten im Rahmen eines Patenprogramms ihr Wissen über Soft Skills weiter." Für den Softlab-Manager eine gute Lösung, denn in puncto Sozialkompetenz hätten die "DV-Oldies" ihren jüngeren Kollegen einiges voraus. Fest steht, dass die Trainingsrate auf einem neuen Tiefpunkt angekommen ist.

Laut Meta Group stehen den Mitarbeitern nur noch 8,5 Fortbildungstage zu - im Vergleich zu zwölf Tagen im Jahr 1994. Stephan Pfisterer, Referent für Bildung und Personal beim IT-Dachverband Bitkom, hält diese Zahl noch für hochgegriffen: "Da es sich nicht in allen Fällen um berufsspezifische Fortbildungen handelt, bleiben den Beschäftigten höchstens fünf oder sechs Tage, um ihr IT-Know-how aufzupolieren." Das sei gerade in der schnelllebigen Hightech-Branche zu wenig.

"Die Situation wird sich noch weiter verschlechtern", prognostiziert Manfred Lang, Bildungsexperte bei Beratungshaus Diebold. Schließlich würde bei Sparmaßnahmen der Rotstift immer zuerst im Weiterbildungsbereich angesetzt. Dabei seien diese Kürzungen mehr als kurzsichtig. "Wenn die Unternehmen schon keine neuen Mitarbeiter mehr einstellen, sollten sie wenigstens das Know-how ihrer Stammbelegschaft aktualisieren und versuchen, diese an das Unternehmen zu binden", erklärt Lang.

Er erinnert daran, dass diese Situation nicht neu sei. Vor ein paar Jahren hätten die IT- und Personalchefs schon einmal massiv an der Qualifizierung gespart - und sich wenig später teure Berater ins Haus holen müssen. Der Diebold-Manager versteht nicht, dass in der IT-Branche der Lerneffekt so gar keine Rolle spiele. (hk)