Web

Europas IT-Dienstleistern drohen Übernahmen

05.07.2007

Europas IT-Dienstleister werden immer mehr zu Übernahmekandidaten. Zu den Konzernen, von denen Zukäufe erwartet werden, zählen IBM und Hewlett-Packard (HP) sowie indische Anbieter wie Infosys und Tata Consultancy Services, so berichtet das "Wall Street Journal" in seiner heutigen Ausgabe. Demnach stehen außerdem Privat-Equity-Gesellschaften in den Startlöchern, die strauchelnde Dienstleister übernehmen, fit machen und teuer an die Global Player verkaufen möchten.

Der europäische IT-Servicemarkt gilt als fragmentiert: In jedem Land haben zwei, drei Anbieter das Heft in der Hand, eine Vielzahl kleinerer Servicefirmen vervollständigt das Bild. Damit ist einem Konsolidierungsprozess Tür und Tor geöffnet. Der Markt war in den letzten zehn Jahren einem heftigen Transformationsprozess ausgesetzt: Zum einen begannen Anwender nach dem Platzen der Internet-Blase mit einem Sparprogramm, wie es der Markt zuvor nicht gesehen hatte. Zum anderen änderten sich die Anforderungen an Servicelieferanten: Zu Argumenten wie lokaler Präsenz, Branchenwissen und Kundennähe gesellten sich andere Kriterien, allen voran der Preis und die Fähigkeit, global zu liefern. Low-cost-Anbieter aus Indien und Osteuropa wurden wichtiger.

Konzerne mit ungünstigen Kostenstrukturen, fehlender internationaler Ausrichtung oder schlicht dem falschen Angebot gerieten in die Bredouille. So erklärte die Deutsche Telekom, sie wolle T-Systems verkaufen oder in eine Partnerschaft einbringen. Japans Fujitsu Ltd., einer der stärkeren Global Player, bot im vergangenen Monat 560 Millionen Dollar für die französische GFI Informatique SA – eine Offerte, die zunächst abgelehnt wurde.

Die britische Logica CMG gilt ebenfalls als Übernahmekandidat, auch wenn das Unternehmen offiziell nichts davon wissen will. Zu Beginn dieser Woche erhielt außerdem die Amsterdamer Getronics NV ein Angebot von einem bislang nicht genannten US-Konzern. Capgeminis Börsenkurs kletterte vergangene Woche um acht Prozent - Brancheninsider spekulieren, dass Infosys ein Auge auf die Franzosen geworfen hat. Die beiden Anbieter verweigern die Aussage.

Atos Origin – Spielball der Finanzjongleure

Für mittelgroße europäische IT-Dienstleister ist das Risiko, so weiterzumachen wie bisher, beträchtlich. Wie man zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen aus Wirtschaft und Finanzinvestoren hin und her geworfen sein kann, zeigt das Beispiel von Atos Origin. Die Franzosen hatten im vergangenen Jahr detaillierte Verhandlungen mit T-Systems geführt, doch die Fusion kam laut WSJ nicht zustande, weil beide Seiten den Daumen auf dem Joint Venture haben wollten. Danach hatte Atos Origin ein Angebot von HP bekommen und rundheraus abgelehnt, berichtet das Wirtschaftsblatt mit Bezug auf Insiderinformationen.

Schließlich beteiligte sich der Londoner Hedge Fonds Centaurus Capital Ltd. mit zehn Prozent an Atos Origin und war damit größter Aktionär. Die Briten drängten gleich auf einen Verkauf, und der Verwaltungsrat beschloss, Atos Origin am Markt feilzubieten. Schnell meldete sich die Privat-Equity-Gesellschaft Permira mit einem großzügigen Angebot, behielt sich dabei aber vor, zunächst eine Stärken-Schwächen-Analyse vorzunehmen. Atos gestattet Permira die Due Diligence und bot mit Silver Lake Partners gleich noch einer zweiten "Heuschrecke" an, das Unternehmen auf Herz und Nieren zu prüfen.

Als die Prüffrist um war und ein Angebot der beiden Finanzgesellschaften eingehen sollte, geschah nichts. Insider berichteten, die Finanzgesellschaften hätten sich angesichts der dünnen Profitmargen in einigen Großverträgen zurückgezogen. Inzwischen heißt es bei Atos Origin, "eine Zukunft in Unabhängigkeit ist die beste Wert schöpfende Option für alle Stakeholder".

Das Beispiel von Atos Origin zeigt nicht nur die Macht und Willkür der Finanzinvestoren, sondern auch, dass nicht alle europäischen IT-Dienstleister in einer Verfassung sind, die sie für Kaufinteressenten begehrlich macht. T-Systems beispielsweise sucht schon lange nach einem Käufer oder Partner – bislang ist jedoch nichts passiert (siehe: T-Systems – wer bekommt den Zuschlag?). Auch für Siemens IT Solutions and Services (SIS, vormals SBS) bestand die Option einer Heirat mit einem anderen Dienstleister. Doch offensichtlich blieben die Angebote aus. Siemens trennte sich von kleineren Teilen des Unternehmens und führte den Rest enger an den Konzern heran.

Angesichts solcher Entwicklungen glaubt Pierre-Yves Cros, Strategiedirektor bei Capgemini, das bessere Rezept zu haben. Dem WSJ sagte Cros: "Unsere Aktionäre sind besser dran, wenn wir neue Kunden in solchen Märkten gewinnen, in denen ein Wettbewerber strauchelt, als wenn wir den schwächelnden Rivalen selbst kaufen." Cros schließt nicht aus, dass die Konsolidierung eher von den Finanzjongleuren der großen Privat-Equity-Gesellschaften getrieben wird. Allerdings müssten die Börsenbewertungen der Kandidaten erst einmal wieder sinken, bevor etwas passiere. (hv)