Anwender brauchen mehr Flexibilität und Agilität

ERP in Zeiten der Digitalisierung

10.08.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Hersteller machen auf Cloud

Tatsächlich forcieren derzeit viele Softwarehersteller ihre Aktivitäten rund um Cloud-ERP – gerade auch die großen Softwarekonzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten ihr Geschäft vor allem mit klassischen On-Premise-Produkten gemacht hatten. Beispielsweise hat Oracle jüngst bekannt gegeben, für 9,3 Milliarden Dollar das Unternehmen Netsuite übernehmen zu wollen, einen Spezialisten für Cloud-ERP-Lösungen, die sich vor allem an kleinere und mittelgroße Firmen richten. Microsoft hat kürzlich mit Dynamics 365 ein integriertes gebündeltes SaaS-Angebot für ERP und CRM geschnürt, das zudem von einem AppSource, einem speziellen Business-AppStore, flankiert wird. Und SAP bemüht sich geraumer Zeit neben seinem auf die Belange kleiner und mitelgroßer Kunden zugeschnittenen Cloud-ERP-Paket Business byDesign auch den Nachfolger der Business Suite S/4Hana in der Cloud in Position zu bringen.

Der Markt für Cloud-ERP-Lösungen birgt noch großes Potenzial, konstatiert denn auch Oliver Giering, Analyst der Experton Group und verweist auf die Vorteile der SaaS-Angebote. Kunden verstünden immer häufiger die Dringlichkeit, interne Systeme an externe Datenquellen beziehungsweise Systeme andocken zu müssen, um bei der Wertschöpfung alles im Blick zu haben und keine Silos aufzubauen. Dies gehe nur über eine „Cloudifizierung“ von bestehenden Lösungen beziehungswiese den Einsatz nativer Cloud-Lösungen in SaaS-Form. Paul Hamerman von Forrester Research verweist darauf, dass sich die Verbreitung von Cloud-ERP zwischen 2012 und 2014 von sechs auf 16 Prozent mehr als verdoppelt habe. Dazu kämen weitere 19 Prozent, die den Einsatz eines ERP-Systems aus der Cloud konkret planten. 2012 waren es erst sechs Prozent. Der Forrester-Analyst räumt zwar ein, dass sich ein Cloud-ERP-System nicht automatisch für jeden Unternehmenseinsatz eigne, aber in vielen Fällen durchaus Vorteile biete, beispielsweise wenn es darum gehe, neue Geschäftsfelder oder -einheiten zügig zu unterstützen beziehungsweise in die Jahre gekommene heterogene ERP-Landschaften abzulösen.

ERP-Wertbeitrag herausarbeiten

Wichtige Vorteile, die ein neues oder überarbeitetes ERP-System leisten kann – sei es nun aus der Cloud oder klassisch on-premise – sind mehr Flexibilität, Agilität und zusätzliche Analysemöglichkeiten. Allerdings sei es auch wichtig, diese Pluspunkte offensiv herauszustellen und regelrecht zu vermarkten, mahnt Mattioli.

Das bedeutet aber auch, dass die IT-Verantwortlichen den Eintritt eines neuen ERP-Systems in die Organisation des Unternehmens begleiten und unterstützen müssen. Dazu zählt beispielsweise ein funktionierendes Datenqualitäts-Management. Denn wenn die Finanzabteilung von Anfang an, schlechte Daten in das neue ERP kippt und infolgedessen auch schlechte Ergenbisse damit erzielt, wird man in erster Linie das ERP dafür verantwortlich machen. Die IT-Verantwortlichen sollten daher sorgfältig prüfen, wie das eigene Unternehmen in Sachen Daten organisiert ist. Dabei helfen können Visualisierungs-Tools wie beispielsweise Tableau, rät ERP-Experte Kimberling. Damit ließe sich dem Management klar vor Augen führen, wie sich Datenanomalien auswirkten.

Darüber hinaus sollten die IT-Verantwortlichen auch ihr Wissen und Knowhow über die eigenen Prozesse ausspielen. Schließlich ist es seit Jahren deren Aufgabe, die eigenen Abläufe mit IT zu unterlegen. Es gelte, die Mitarbeiter in den Finanzabteilungen an die Hand zu nehmen und ihnen genau zu zeigen, wie sie mit IT-Unterstützung bessere und genauere Berichte für das eigene Geschäft produzieren könnten.

Zuguterletzt könne die IT auch damit punkten, indem sie die Sicherheit und Nachvollziehbarkeit der mit dem ERP-System erzeugten Berichte gewährleitet. Mittels eines Identity and Access-Management (IAM) lasse sich beispielsweise genau nachverfolgen, wer wann an welchen Versionen bestimmter Reports und Zahlen gearbeitet hat. Das Tracking, wie bestimmte Entscheidungen zustande kommen, werde immer wichtiger, mahnen die Experten. Auditoren seien meist wenig beeindruckt, wenn man ihnen achselzuckend sagen muss, dass im System nicht nachzuvollziehen sei, wie bestimmte Zahlen zustande gekommen seien.

Fazit

Um zielsichere Entscheidungen zu treffen, muss sich das Management auf die Informationen aus den Finanzsystemen verlassen können. Die IT-Verantwortlichen sollten daher ihr Hauptaugenmerk darauf richten, deren Anforderungen und Probleme möglichst genau zu verstehen. Auf die Kollegen in den Finanzabteilungen zu hören und von ihnen zu lernen, hilft letztlich auch der IT, mit am Tisch zu sitzen und Gehör zu finden, wenn es um Entscheidungen zu ERP-Systemen und anderen Technologien geht.