Innovationsstandort Deutschland

Erfinden heißt nicht gründen

13.05.2014
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Obwohl Deutschland als Land der Dichter und Denker und als Ingenieurshochburg weltweit einen guten Ruf genießt, kann man die Zahl großer ITK-Firmen an einer Hand abzählen. Liegt es an fehlenden Innovationen?
Foto: peshkova - Fotolia.com

Die Botschaft, die Gartner den geladenen CIOs auf seinen Symposien regelmäßig mitgibt, lautet „Innovate oder die!“ Anders gesagt: Wenn ihr nicht den Hintern hochbekommt, seid ihr bald weg vom Fenster. Doch nicht nur die Innovationsfähigkeit der IT-Vorstände steht ständig auf dem Prüfstand, auch in der schnelllebigen ITK-Branche ist Fortschrittlichkeit überlebensnotwendig. Beispiele wie Nokia, Palm oder Research in Motion/Blackberry zeigen, dass in der IT bereits kurze Phasen ohne attraktives Produktangebot genügen, um von einem der oberen Plätze abzusteigen und in Vergessenheit zu geraten. Ein Mangel an Innovationsfähigkeit kann auch dazu führen, dass Unternehmen kaum wachsen und im Mittelmaß stecken bleiben.

Kaum Weltklasse

Der fehlende Mut, über regionale Grenzen hinaus Wachstum anzustreben, scheint für Deutschland geradezu symptomatisch zu sein: Zwar findet man in der zugegeben wichtigen mittelständischen ITK-Szene zahlreiche Local Heroes. Doch große Player, die im internationalen Vergleich vorne mitspielen können, sind kaum auszumachen. Hier gibt es grob umrissen eine mittlerweile stark amerikanisierte SAP AG, die Software AG sowie – dank ihrer Auslandsgeschäfte und der Servicetochter T-Systems – vielleicht noch die Deutsche Telekom.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich hierzulande ein junges Hightech-Unternehmen zum nächsten Google oder Salesforce.com entwickelt, ist – gelinde gesagt – gering. Formal scheint dabei alles im grünen Bereich zu sein, wenn man nach der Diagnose des „Innovationsindikators 2013“ geht. In der jährlich von der Deutsche Telekom Stiftung und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) herausgegebeben Studie werden die für Innovationsfähigkeit wichtigen Felder Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Staat und Gesellschaft untersucht und im Ländervergleich bewertet. Im abgelaufenen Jahr belegte Deutschland dabei einen soliden sechsten Gesamtplatz unter 28 Volkswirtschaften. Besser waren nur rohstoffarme Musterländer wie die Schweiz, Singapur oder Belgien, während wichtige Industrienationen wie die USA, Großbritannien, Frankreich, Südkorea oder Japan im Mittelfeld lagen.

Im Detail konnte dabei die deutsche Wirtschaft ihre Position gegenüber dem Vorjahr weiter verbessern und gilt nun als drittinnovativste weltweit. Vor Deutschland liegen lediglich die Schweiz und Singapur, während es die weltgrößte und immer als sehr innovativ gerühmte Wirtschaftsmacht USA nur auf Platz vier schaffte.

Jugend forscht

Einen deutlichen Sprung nach vorne machte auch das Subsystem Wissenschaft – hier rückte Deutschland von Rang elf auf Rang acht vor. Die Forscher mahnen jedoch, dass weiteres Engagement notwendig sei, um auf Dauer eine hohe Innovationsleistung zu garantieren. So müsse der Nachwuchs im Wissenschaftssystem besser gefördert werden. Hochschulstrukturen, die kaum Freiräume böten, sowie unsichere Karriereoptionen sorgten für eine Abwanderung von Talenten ins Ausland, so die Studie.

Was den staatlichen Beitrag zur Innovationsfähigkeit betrifft, loben die Verfasser der Studie die Hightech-Strategie der Bundesregierung. Gleichzeitig mahnen die Forscher aber mehr staatliche Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Innovationen sowie eine stärkere Kooperation von Bund und Ländern in der Innovationspolitik an. Insgesamt sehen sie den Sub-Indikator Staat im weltweiten Ranking auch nur auf Platz 13 mit 53 von 100 möglichen Punkten, dabei hatte sich Deutschland bereits um zwei Positionen gegenüber dem Vorjahr verbessert. Ebenfalls nur Mittelmaß bescheinigen die Studienbetreiber dem deutschen Bildungssys-tem. Obwohl sich Deutschland durch erhöhte Bildungsausgaben von Rang 17 auf Rang 15 leicht verbessern konnte, reiche das Niveau nicht aus, so das Urteil.

Laut Studie darf auch der gesellschaftliche Einfluss auf das Schaffen und Umsetzen von Innovationen nicht unterschätzt werden. Nicht selten sei eine Stärke im Heimatmarkt die Basis für den internationalen Erfolg von Innovationen. Mit Platz fünf liegt Deutschland in dieser Disziplin zwar leicht abgeschlagen hinter Ländern wie Norwegen, den Niederlanden, Kanada und Schweden, aber immerhin noch vor den Nachbarländern Schweiz und Österreich. Das Hightech-Land USA besetzt nur Platz 15.

Wir sind EU-Innovationsmeister

Der Innovationsindikator ist nicht die einzige Studie, die den Eindruck erweckt, dass die Vor-aussetzungen für IT-Unternehmen hierzulande nicht schlecht sind. Das Ende März 2013 veröffentlichte „Innovation Union Scoreboard“ zählt Deutschland zusammen mit Schweden, Dänemark und Finnland zu den „Innovation leaders“ – mit einer Innovationsleistung, die deutlich über dem EU-Durchschnitt liege. Die Wirtschaftsbereiche der Länder, so das Papier, funktionierten ausgezeichnet, was Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Patentanträge betrifft. Außerdem hätten alle einen gut ausgebauteten Hochschulsektor und starke Beziehungen zwischen Industrie und Wirtschaft.

Deutschland rangiert laut EU-Studie unter den besten Vier im EU-Raum
Deutschland rangiert laut EU-Studie unter den besten Vier im EU-Raum
Foto: EU-Kommission

Weniger gut schneiden die EU-Länder allerdings im internationalen Vergleich ab: In Europa sehen die Forscher die Schweiz als klaren Innovationsführer, der die EU-Länder regelmäßig übertreffe. Außerdem zeigten die Ergebnisse erneut, dass auch Südkorea, die USA und Japan der EU leistungsmäßig überlegen seien. Im Detail baute Südkorea dabei seinen Vorsprung aus, während die EU seit 2008 die Lücke zu den USA und Japan nahezu halbieren konnte. Außerdem bescheinigten die Forscher dem EU-Raum eine bessere Performance als Australien, Brasilien, China, Indien, Kanada und Südafrika.

"In großen Unternehmen sterben sehr viele große Ideen - weil sie gefürchtet werden." Gunter Dueck
"In großen Unternehmen sterben sehr viele große Ideen - weil sie gefürchtet werden." Gunter Dueck
Foto: Gunter Dueck via Google+

Doch wie misst man Innovation eigentlich? Der Ex-IBMer, Mathematiker und selbst ernanter Vordenker Gunter Dueck glaubt nicht, dass man Fortschrittlichkeit mit der Zahl der Patente gleichsetzen kann. Hinsichtlich Erfindungen sei Deutschland sehr gut, auch bei Innovationen in mittelständischen Firmen, sagte er in einem Interview mit dem Magazin „t3n“. Im Gegensatz dazu seien die großen Konzerne nur im Industrialisieren gut, während ihnen für Innovationen der lange Atem fehle.

Als wohl prägnantestes Beispiel für diese Grundeinstellung verweist Dueck in seinem Buch „Das Neue und seine Feinde“ darauf, dass Kodak schon vor 1975 eine Digitalkamera erfunden hatte. Das höchst innovative Gerät sei jedoch in der Schublade geblieben, um dem berühmten Kodak-Film keine Konkurrenz zu machen. Auf diese Art, so sein Fazit, würden in großen Unternehmen viele große Ideen verpuffen – weil es an Mut und Weitsicht fehle, sie weiterzuverfolgen.