Young Professionals

Ein Doktortitel um der Karriere willen?

09.04.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Vorurteil: Mit einem Doktortitel überqualifiziert?

Eine Promotion kostet Zeit und Nerven. Viele Studierende starten deshalb lieber direkt in's Berufsleben.
Eine Promotion kostet Zeit und Nerven. Viele Studierende starten deshalb lieber direkt in's Berufsleben.
Foto: Marco2811 - Fotolia.com

In den Naturwissenschaften gilt der Weg zum Doktortitel als anspruchsvoll und mit Rückschlägen gepflastert. Der Titel allein verhilft zwar selten zu einem interessanten Job, doch wer während der Promotion Kongresse besucht, Vorträge hält und Fachbeiträge schreibt, baut sich ein wichtiges Netzwerk auf.

Durch die Bachelor- und Master-Studiengänge sieht Lekkerland-CIO Müller-Wünsch die Gefahr, dass sich künftig weniger Studenten einer Doktorarbeit widmen. Außerdem sieht er deutliche Qualitätsunterschiede, in welchem Fach jemand einen Doktortitel erwirbt: "Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften gilt eine Promotion als Qualitätsmaßstab", ist Müller-Wünsch überzeugt.

Allerdings gibt es auch das Vorurteil, promovierte Bewerber als überqualifiziert einzustufen. "Es ist wichtig, den Innovationsaspekt einer Doktorarbeit in den Vordergrund zu stellen. Wer promoviert, betritt Neuland, möchte einen Wissenszuwachs generieren und beweist sich im Wettbewerb mit anderen. Das erfordert auch Mut", weiß der Informatiker aus eigener Erfahrung.

Kienbaum-Geschäftsführer Sörge Drosten machte die Erfahrung, dass ein Doktortitel in vielen US-amerikanischen Unternehmen praktisch keine Rolle spielt.
Kienbaum-Geschäftsführer Sörge Drosten machte die Erfahrung, dass ein Doktortitel in vielen US-amerikanischen Unternehmen praktisch keine Rolle spielt.
Foto: Kienbaum

In vielen US-amerikanischen Unternehmen zählt ein Doktortitel wenig. Diese Erfahrung musste Sörge Drosten machen, als er nach seinem Doppelstudium in Betriebswirtschaft und Psychologie seine Hochschulausbildung mit einer Promotion abschloss. In seinem ersten Job bei Hewlett-Packard sollte der Doktortitel nicht einmal auf der Visitenkarte stehen. "Die Kollegen dort nennen sich alle beim Vornamen, im Arbeitsalltag spielt der Titel überhaupt keine Rolle", berichtet Drosten.

In Chemie und Maschinenbau bringt der Titel den CIOs Ansehen

Heute verantwortet Drosten als Geschäftsführer von Kienbaum Executive Consultants International in Düsseldorf den Sektor Technologie, CIO und IT. Regelmäßig spricht der Manager auch mit promovierten Informatikern. "Bei den CIO-Positionen kommt es auf die Branche an. In der chemischen Industrie steigt das Ansehen, wenn der CIO einen Doktortitel mitbringt, auch im konservativ geprägten Maschinenbau ist er empfehlenswert", so Drostens Erfahrung. Auch IT-Unternehmen engagierten in ihren Entwicklungsabteilungen promovierte Informatiker, ebenso Forschungsinstitute.

Im Lauf einer Karriere verdrängen fachliche Kenntnisse, Berufserfahrung und erfolgreich abgeschlossene Projekte sowieso die Bedeutung des Doktorhuts. Doch Drosten ist überzeugt, dass sich eine erfolgreiche Promotion auf das Gehalt auswirkt: "Einsteiger können mit 15.000 bis 20.000 Euro mehr im Jahr rechnen." Über das gesamte Arbeitsleben betrachtet lohne sich die Mühe, "kurzfristige Gehaltssprünge sind dagegen selten".

Auch der Kienbaum-Mann prüft Bewerber mit einer Promotion genau, ob sie mit ihrer Arbeit fachlich etwas Neues geschaffen haben und umfassendes Wissen mitbringen. Drosten vergleicht eine Promotion mit einer Bergbesteigung, bei der es gilt, sich gut vorzubereiten, Ideen umzusetzen und, wenn es schwierig wird, die Route anzupassen oder auch zu ändern. "Es ist wichtig, dranzubleiben, wenn es Probleme gibt, und sich durchzubeißen", weiß Drosten aus Erfahrung. Kandidaten, die diese Qualifikationen mitbringen, hätten gute Chancen auf Spitzenpositionen. Die gerade angestoßene Plagiatsdiskussion hält Drosten für sehr wichtig: "Heute ist das Verfahren transparenter, und wer seine Arbeit fälschen möchte, sollte sich das gut überlegen."