Vorurteil: Mit einem Doktortitel überqualifiziert?
In den Naturwissenschaften gilt der Weg zum Doktortitel als anspruchsvoll und mit Rückschlägen gepflastert. Der Titel allein verhilft zwar selten zu einem interessanten Job, doch wer während der Promotion Kongresse besucht, Vorträge hält und Fachbeiträge schreibt, baut sich ein wichtiges Netzwerk auf.
Durch die Bachelor- und Master-Studiengänge sieht Lekkerland-CIO Müller-Wünsch die Gefahr, dass sich künftig weniger Studenten einer Doktorarbeit widmen. Außerdem sieht er deutliche Qualitätsunterschiede, in welchem Fach jemand einen Doktortitel erwirbt: "Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften gilt eine Promotion als Qualitätsmaßstab", ist Müller-Wünsch überzeugt.
Allerdings gibt es auch das Vorurteil, promovierte Bewerber als überqualifiziert einzustufen. "Es ist wichtig, den Innovationsaspekt einer Doktorarbeit in den Vordergrund zu stellen. Wer promoviert, betritt Neuland, möchte einen Wissenszuwachs generieren und beweist sich im Wettbewerb mit anderen. Das erfordert auch Mut", weiß der Informatiker aus eigener Erfahrung.
In vielen US-amerikanischen Unternehmen zählt ein Doktortitel wenig. Diese Erfahrung musste Sörge Drosten machen, als er nach seinem Doppelstudium in Betriebswirtschaft und Psychologie seine Hochschulausbildung mit einer Promotion abschloss. In seinem ersten Job bei Hewlett-Packard sollte der Doktortitel nicht einmal auf der Visitenkarte stehen. "Die Kollegen dort nennen sich alle beim Vornamen, im Arbeitsalltag spielt der Titel überhaupt keine Rolle", berichtet Drosten.
In Chemie und Maschinenbau bringt der Titel den CIOs Ansehen
Heute verantwortet Drosten als Geschäftsführer von Kienbaum Executive Consultants International in Düsseldorf den Sektor Technologie, CIO und IT. Regelmäßig spricht der Manager auch mit promovierten Informatikern. "Bei den CIO-Positionen kommt es auf die Branche an. In der chemischen Industrie steigt das Ansehen, wenn der CIO einen Doktortitel mitbringt, auch im konservativ geprägten Maschinenbau ist er empfehlenswert", so Drostens Erfahrung. Auch IT-Unternehmen engagierten in ihren Entwicklungsabteilungen promovierte Informatiker, ebenso Forschungsinstitute.
Im Lauf einer Karriere verdrängen fachliche Kenntnisse, Berufserfahrung und erfolgreich abgeschlossene Projekte sowieso die Bedeutung des Doktorhuts. Doch Drosten ist überzeugt, dass sich eine erfolgreiche Promotion auf das Gehalt auswirkt: "Einsteiger können mit 15.000 bis 20.000 Euro mehr im Jahr rechnen." Über das gesamte Arbeitsleben betrachtet lohne sich die Mühe, "kurzfristige Gehaltssprünge sind dagegen selten".
- Die Verdienstchancen für Hochschulabsolventen...
untersuchte die Personalvermittlung Alma Mater auch 2012. Für ihre Gehaltsstudie hat sie über 1000 Arbeitgeber befragt und über 6.300 Gahaltsdaten von akadamischen Nachwuchskräften ausgewertet. - Besonders die Fahrzeugindustrie...
bietet dem akademischen Nachwuchs beste Verdienstperspektiven: Dort steigen Hochschulabsolventen mit durchschnittlich 46.000 Euro im Jahr ein. - Auch der Maschinenbau...
zahlt überdurchschnittlich, und zwar im Schnitt 45.000 Euro im Jahr für Hochschulabsolventen. Ein einenso hohes Gehalt winkt in der Elektrotechnikindustrie. - Im Öffentlichen Dienst...
...ist der Verhandlungsspielraum durch die strikte Bindung an Tarifverträge gering. Hier beginnen IT-Absolventen mit knapp 38.000 Euro im Jahr. Auch die Art der Hochschule ( Universität oder Fachhochschule) beeinflusst die Höhe des Gehalts. - Die Medien....
...sind bei vielen Absolventen beliebt, gehören aber zu den Branchen, die Berufseinsteiger am schlechtesten vergüten. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt liegt bei 33.000 Euro im jahr, Trainees erhalten sogar nur 25.000 Euro. - Auch die Tourismusindustrie...
..gehört zu den Flopbranchen in Sachen Einstiegsgehälter: 26.000 Euro erhält ein Hochschulabsolvent im Marketing, als Trainee sind es sogar nur 10.000 Euro. - In Niedersachsen, hier die Autostadt Wolfsburg,...
können Hochschulabsolventen ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von über 42.000 Euro erwarten. Das liegt auch daran, dass hier große Konzerne wie VW angesiedelt sind, die sehr gut zahlen. - Auch Schleswig-Hostein, hier das Holstentor in Lübeck,...
kommt in der Alma Mater-Studie gut weg. Auch hier liegt das Einstiegsgehalt über 42.000 Euro. Kommentar: In dieser Region haben viele große Firmen mitgemacht, die besser bezahlen als kleinere Betriebe. - Gut lachen haben Berufseinsteiger auch in Bayern..
...hier gibt es nicht nur viele Jobs, sondern auch ein Einstiegsgehalt von 42.613 Euro. Masterabsolventen werden in Bayern... - ..und Baden-Württemberg...
am besten bezahlt. Im Ländle kommen Masterabsolventen auf knapp 44.000 Euro und überrunden damit sogar die Diplomierten. - In Frankfurt am Main....
werden Absolventen mit Master und Diplom auch sehr gut bezahlt, und zwar mit durchschnittlich 42.600 Euro. - In Bremen....
sind diese Abschlüsse dagegen nur gut 40.000 Euro wert. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Regionen nicht mehr so groß wie früher. - Mit einem Masterabschluss....
verdienen Hochschulabsolventen im Schnitt 2000 Euro mehr als mit einem Bachelor. 38 Prozent der befragten Firmen suchen vermehrt nach Masterabsolventen. - Das Diplom...
...ist trotz Bologna-Reform immer noch gefragt und mit durchschnittlich knapp 41.000 Euro fast so gut vergütet wie ein Master-Abschluss (41.311 Eur0).. - Ein Praktikum...
ist in einigen Firmen immer noch unbezahlt, aber im Schnitt gibt 605 Euro im Monat für Praktikanten und 675 Euro im Monat für eine Abschlussarbeit. - Große Unternehmen....
zahlen besser. das Einstiegsgehalt in Konzernen liegt im Schnitt bei über 44.000 Euro im Jahr. - In kleinen Firmen....
können Einsteiger nur etwa 36.000 Euro erwarten. - Hochschulabsolventen...
...sind auch in Zukunft weiter gesucht. Vor allem Absolventen mit Bachelor, Master oder Diplom sind begehrt.
Auch der Kienbaum-Mann prüft Bewerber mit einer Promotion genau, ob sie mit ihrer Arbeit fachlich etwas Neues geschaffen haben und umfassendes Wissen mitbringen. Drosten vergleicht eine Promotion mit einer Bergbesteigung, bei der es gilt, sich gut vorzubereiten, Ideen umzusetzen und, wenn es schwierig wird, die Route anzupassen oder auch zu ändern. "Es ist wichtig, dranzubleiben, wenn es Probleme gibt, und sich durchzubeißen", weiß Drosten aus Erfahrung. Kandidaten, die diese Qualifikationen mitbringen, hätten gute Chancen auf Spitzenpositionen. Die gerade angestoßene Plagiatsdiskussion hält Drosten für sehr wichtig: "Heute ist das Verfahren transparenter, und wer seine Arbeit fälschen möchte, sollte sich das gut überlegen."