Allein oder mit Kollegen Mittag essen?

Du bist, wie du isst

17.08.2014
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Mit Kollegen essen zu gehen, lässt vorübergehend die Konzentration sinken, so eine Berliner Studie. Für die Kreativität und das Networking ist es wiederum vorteilhaft.

Die Mittagspause sollte eigentlich heilig sein. Wer sie weglässt, ist in Gefahr, sich langfristig zu überarbeiten - von der Gewichtszunahme ganz zu schweigen. Den Salat vor dem Bildschirm herunter zu schlingen, sollte wirklich nur die Ausnahme sein. Doch muss es immer der Gang in die Kantine sein? Danach fühlt man sich oft schlapp und müde - was sicher auch an der Currywurst liegen mag -, was einige oft von der wohlverdienten Pause abhält.

Der Berliner Psychologe Prof. Werner Sommer hat mit einem internationalen Forscherteam untersucht, wie sich bestimmte Mittagessens-Situationen auf die Konzentration auswirken. Herauskam: Mit Kollegen Essen zu gehen lässt vorübergehend die Konzentration sinken. Sollte man also nur noch im stillen Kämmerlein lunchen? So einfach ist es nicht. Beides, allein und gemeinsam essen, hat Vorteile.

Im Test: Gemeinsam gegen einsam

Gemeinsames Essen mit netten Kollegen entspannt und macht kreativ.
Gemeinsames Essen mit netten Kollegen entspannt und macht kreativ.
Foto: Tyler Olson - Fotolia.com

In der Studie schickten Sommer und seine Kollegen eine Teilnehmergruppe ins Restaurant, wo sie eine Stunde lang in angenehmer Gesellschaft Pause hatten. Die andere Gruppe hatte nur zwanzig Minuten in einem Raum für die Mahlzeit zur Verfügung, aß jeweils allein und bekam etwas vorgesetzt, was sie sich nicht aussuchen durften. "Das war aber kein Essen vor dem Bildschirm", erklärt Sommer. "Diejenigen, die allein aßen, hatten keine multimedialen Reize, sondern konzentrierten sich schlicht aufs Essen." Wer die Studienergebnisse für sich nachahmen will, sollte darauf also achten. Wie viel die Studienteilnehmer zu sich nahmen, wurde streng kontrolliert - schließlich sollte hinterher keiner übersättigt sein. Danach wurden die Gruppen Tests unterzogen.

Gemeinsame Mahlzeiten entspannen

Wenig überraschend dürfte folgendes Ergebnis sein: "Die Restaurant-Gruppe fühlte sich entspannter und müder", erzählt Psychologe Sommer. "Ihre Anspannung war gesunken." Diese Erkenntnis ist nicht nur positiv, sie hat auch Konsequenzen für den Arbeitsalltag, denn Entspannung wirkt sich auf die Fehlertoleranz aus.

Diejenigen, die in einem Lokal Mittagspause machten, waren sich ihrer Fehler in den Tests weniger bewusst. "Die Restaurant-Esser haben aber nicht mehr Fehler gemacht", sagt Sommer. "Sie hatten nur ein schlechteres Bewusstsein für die Fehler."

Das bedeutet: Wer nach dem Mittagessen einen besonders Fehler-anfälligen Bericht zu schreiben hat oder akribisch Datenmengen überprüfen muss, der sollte vielleicht auf die gemeinsame Mahlzeit verzichten. Er wird zwar nicht mehr Fehler machen, aber er wird sie sich wegen der Entspannung ganz unbewusst eher verzeihen. Es ist möglich, dass sich dieses Verhalten auch auf die Fehler von Kollegen bezieht, aber darüber gibt es bislang noch keine Untersuchungen. Für die Stimmung im Team kann die gesteigerte Fehlertoleranz sogar gut sein, schließlich wird dann nicht so viel genörgelt. Allerdings nur solange, wie das Projekt nicht gefährdet ist.

Anfälliger für Ablenkungen

Die Entspannung bewirkt auch, dass die sogenannte kognitive Kontrolle der Testpersonen reduziert war. "Die Testpersonen waren anfälliger für Störreize", erklärt der Psychologie-Professor. Das heißt, die Restaurant-Gruppe war hinterher leichter abzulenken. Dieses Ergebnis lässt sich leicht auf den Alltag von Wissensarbeitern übertragen: Die E-Mail-Benachrichtigung auf dem Bildschirm blinkt, das Smartphone vibriert und das Telefon klingelt. Das lenkt bereits im Normalzustand ab. Offenbar sind Restaurant-Esser während einer halben bis eineinhalb Stunden nach der Mittagspause noch leichter abzulenken.

Der Grund dafür sei leicht nachzuvollziehen, erklärt Sommer. Wer ins Restaurant geht, beschäftigt sich eine Stunde lang mit etwas völlig anderem. Um sich wieder einzuarbeiten und auf das Wesentliche zu konzentrieren, braucht es eine Weile. "In Multi-Tasking-Situationen, wie etwa einem Büro, dauert es eine Zeit lang, bis man wieder eine Routine entwickelt hat", sagt der Professor. Daher lasse man sich leicht von hereinkommenden E-Mails oder Telefonanrufen ablenken.

Konzentrierte Allein-Esser

Wer alleine ohne weitere Reize von außen isst, der ist hinterher konzentrierter, fanden die Forscher heraus. "Das heißt aber auch, nicht vor dem Bildschirm zu essen", mahnt Sommer. "Für die Testpersonen war das eine richtige Auszeit." Wer sich am Nachmittag stark konzentrieren muss, der sollte lieber ohne Ablenkung essen und das Multi-Tasking sein lassen. Das ist gerade beim Mittagessen keine gute Idee, sonst landet vielleicht noch das Handy in der Gulaschsuppe.

Packen Sie sich ab und zu ein Lunchpaket. Aber essen Sie nicht vor dem Bildschirm!
Packen Sie sich ab und zu ein Lunchpaket. Aber essen Sie nicht vor dem Bildschirm!
Foto: Kasia Bialasiewicz - Fotolia.com

Dieses Ergebnis kann man für sich nutzen: "Wer am Nachmittag eine komplexe Aufgabe vor sich hat, bei der er keine Fehler machen darf, für den kann es günstiger sein, allein zu essen", rät Sommer. Im Prinzip sei das aber Typ-Sache. Wer sich beim Allein-Essen unwohl fühlt, der hat von der gesteigerten Konzentration auch nichts.