Die Zeche zahlen oft die Mitarbeiter

13.12.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Harte Bandagen wurden auch anderswo angelegt. "Die Stimmung der Mitarbeiter, die ja maßgeblichen Einfluss auf die Kreativität und den Arbeitswillen hat", beschreibt Karl Bauer (Name geändert) seine Outsourcing-Erfahrung, "wurde mit den Jahren zusehends schlechter." Ältere Kollegen, so Bauer, wurden nach dem Wechsel von der deutschen Aktiengesellschaft zu einem globalen IT-Riesen in Altersteilzeit gemobbt; während hochqualifizierte IT-Profis flugs absprangen. "Was vor sieben Jahren für mich mit Begeisterung begann", rekapituliert Bauer, der inzwischen der IT-Branche enttäuscht den Rücken gekehrt hat, "ist zu einem Trauerspiel geworden."

Wer meint, hier beglichen einige Frustrierte nur offene Rechnungen, irrt. "So kann Dienstleistung als ein von Menschen betriebenes Geschäft nicht funktionieren", verweist Andreas Burau, Research Director der Experton Group, auf gravierende Managementfehler. In vielen Projekten würde sich die Bedeutung der "weichen" Faktoren wie Wissen, Motivation und Identifikation nicht hinreichend in der betriebswirtschaftlichen Planung niederschlagen. Dies bestätigt Ralf Seidler, 47, freiberuflicher Consultant im Großrechnerumfeld und vor Jahren selbst von einem Versicherungskonzern outgesourct. "Kann ich meine Arbeit nicht ordentlich leisten, hat das auch Auswirkung auf die Motivation der Mitarbeiter."

Leistung und Motivation im Keller

Während Seidler vor allem den nachlässigen Umgang mit Service Level Agreements (SLA) kritisiert und darin einen zentralen Grund erkennt, warum "Stimmung, Motivation und Leistungsniveau auf beiden Seiten in den Keller rauschen", ist Unternehmensberaterin Monika Rösler täglich mit Entscheidern konfrontiert, die lieber "die Unsicherheit der Mitarbeiter ausnutzen wollen, nur um den Druck zu erhöhen." Wer im Wandel nur mit Zahlen jongliere und Mitarbeitern Respekt, Anerkennung und Dank verweigere, sagt Helmut Meyer, sei keine Stütze sondern eine Belastung. "Verändern sollen sich allein die Beschäftigten", so der Geschäftsführer der Starnberger Roots and Friends Academy, der als Coach zahlreiche Outsourcing-Projekte begleitet, "für viele Manager gilt das aber nicht."

Überforderte Manager

"Viele Manager haben Angst, dass ihnen die Tränen kommen", beschreibt Meyer das erdrückende emotionale Vakuum, das viele Führungskräfte erheblich belastet. Sich selbst Schwächen einzugestehen und offen darüber zu sprechen, um sich überhaupt in die Seelenwelt von Mitarbeitern einfühlen und sie durch unruhige Zeiten führen zu können, auf diesen Gedanken kämen nur die wenigsten Entscheidungsträger. "Ihr Selbstbild lässt das nicht zu", legt Meyer den Finger in die Wunde. Im konkreten Fall von Harald Berger (Name geändert), der 2002 gemeinsam mit 70 Kollegen zu einem internationalen Dienstleister wechselte, hatte der Change-Management-Prozess folgende Lesart: "Mitarbeiter sind wie Lieferanten zu behandeln. Was keinen Gewinn bringt, ist uninteressant."

"Gefördert", gibt Berger zu Protokoll, werde ein Führungskräfte-Typus, der alles nur von oben betrachtet und "sich um die persönlichen Belange und Sorgen der Kollegen nicht sonderlich schert." Plötzlich kämen sich Mitarbeiter vor wie eine jederzeit austauschbare Ware. Naiv auf rechtlichen Schutz des Paragrafen 613a aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu vertrauen, hilft auch nicht weiter. "Vor allem Betriebsräte werden leicht über den Tisch gezogen", lässt ein unzufriedener Programmierer ordentlich Dampf ab.

Wahr ist aber auch, wie der Münchener Rechtsanwalt Knut Müller betont, dass von einem IT-Outsourcing betroffene jüngere Arbeitnehmer "die Flexibilisierung ihrer Arbeitsbedingungen begrüßen, ältere Angestellte hingegen oft aus Angst vor Veränderung das Gesetz bemühen." Die ohnehin offene Schere zwischen den Zukunftsperspektiven jüngerer und älterer Mitarbeiter geht beim Outsourcing noch weiter auseinander. "Bereits jede zweite Führungsposition bei CSC wird durch übernommene jüngere Mitarbeiter besetzt", redet Burau Klartext.