Die Zeche zahlen oft die Mitarbeiter

13.12.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Einige schaffen auch den Aufstieg

Katharina Grimme, Ovum: "IT-Dienstleister präsentieren sich als attraktive Arbeitgeber, um ihr Image zu verbessern."
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Auch wenn es den Anschein hat, ist Outsourcing nicht nur auf ein Geschäftsmodell zu reduzieren, das einzig von nüchternen Zahlen geprägt ist. Die Auslagerungsprojekte zeigen zudem, wie Unternehmen und ihre Akteure mit zweifelsfrei notwendigen Veränderungen umgehen. Während die einen mit den Neuerungen kaum klar kommen, nutzen andere die Gelegenheit zum beruflichen Durchmarsch. "Wenn man den Kopf nicht in den Sand steckt", betont Keppler, "erhält man eine große Chance, etwas aus sich zu machen." Ähnlich lautet das Resümee von Thomas Otremba, 2003 mit rund 110 Kollegen aus IT-Infrastruktur und Betrieb von Thomas Cook zu Lufthansa Systems gewechselt: "Heute bin ich überzeugt", fasst der einstige Teamleiter für Mainframe und SAP überraschend zusammen, "ich hätte schon viel früher wechseln sollen."

Outsourcing gleicht oft einem Himmelfahrtskommando, kann Mitarbeitern aber auch neue Perspektiven eröffnen. Trotz großer Verunsicherung zum Start des Auslagerungsprojekts fühlen sich Keppler und Otremba in ihrem neuen Berufsfeld wohler denn je. Während die 43-jährige Informatikerin und Bankkauffrau inzwischen in die Planung von Outsourcing-Verträgen involviert ist, sorgt Senior-Berater Otremba, 47, in SAP-Projekten für den konzeptionellen Feinschliff.

Geschichten aus der Halbwelt

Sich lediglich auf die Mut machenden Erfolgsstorys zu konzentrieren, würde aber ein schiefes Bild vermitteln. Mindestens ebenso oft trifft man auf das Gegenteil. Während Manager und ihre Berater unentwegt verkünden, die Auslagerung der IT würde erhebliche Kosten- und Servicevorteile mit sich bringen, blickt Hardy Meier (Name geändert), ein inzwischen arbeitsloser ehemaliger Projektleiter eines deutschen IT-Dienstleisters, enttäuscht zurück. "Es geht nur um Gewinn", schimpft Meier, der ein Outsourcing-Projekt in der Chemieindustrie verantwortete. "Moral bleibt auf der Strecke."

Andreas Burau, Experton Group: "Jede zweite Führungsposition bei CSC wird durch übernommene Mitarbieter besetzt."
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Was Meier schildert erinnert an Geschichten aus der Halbwelt. Mit dem Auftrag, jeden Bereich auf Herz und Nieren zu überprüfen und altgediente Mitarbeiter auf Schlüsselpositionen wie IT-Leiter, Netzwerk- und Helpdesk-Manager auszufragen, schleuste Meier zwei Freelancer in die IT ein. So floss dem Dienstleister immenses Wissen zu; etwa darüber, welche Bereiche womöglich den größten Profit abwerfen oder welche Mitarbeiter - wie beim Outsourcing durchaus üblich - nicht weiter beschäftigt werden sollen. "Anders kommt man an Informationen nicht heran", schildert er, "denn IT-Mitarbeiter dokumentieren und berichten nicht gerne." Als die Pläne bekannt gegeben wurden, stieg die Belegschaft auf die Barrikaden. "Die liefen Amok", sagt Meier, der einräumt, allein wegen der hohen Projektprämie sich auf das Spiel eingelassen zu haben. "Wenn der Bonus stimmt, schaltet jeder Projektleiter Verstand und Moralempfinden aus."