Digitale Selbstbestimmung

Das Internet liest aus seinen Nutzern wie aus einem Buch

26.01.2016
Von   
Mark Zimmermann leitet hauptberuflich das Center of Excellence (CoE mobile) zur mobilen Lösungsentwicklung bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe. Er weist mehrere Jahre Erfahrung in den Bereichen Mobile Sicherheit, Mobile Lösungserstellung, Digitalisierung und Wearables auf. Der Autor versteht es, seine Themen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln für unternehmensspezifische Herausforderungen darzustellen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeiten ist er Autor zahlreicher Artikel in Fachmagazinen.
Nicht nur staatliche Organisationen sind bei der Überwachung von Verbrauchern und Bürgern aktiv. Auch Unternehmen sammeln für kommerzielle Zwecke Daten von Bürgern - und das nicht zu knapp.
Cookies sind nur eine Möglichkeit von Websites, ihre Besuchern eindeutig zu identifizieren.
Cookies sind nur eine Möglichkeit von Websites, ihre Besuchern eindeutig zu identifizieren.
Foto: Google

Viele Menschen sind bereits nach dem Aufstehen, evtl. sogar nach dem Öffnen der Augen im Bett liegend bereits online. Das Smartphone oder auch das Tablet bestimmt unser Leben. Kaum aufgestanden werden E-Mails geprüft, Nachrichten gelesen. Bevor wir das erste Wort mit unserem Lebenspartner wechseln haben wir schon Nachrichten beantwortet von Menschen denen wir (vielleicht) nahe sind, mit denen wir aber nicht die Nacht geteilt haben. Diese Aktivitäten haben sich zum Alltag entwickelt und das nicht nur für Nerds. Das Vertrauen in meist kostenlose Internetdienste wird dabei kaum bis gar nicht hinterfragt.

Jeder Nutzer muss sich aber im Klaren darüber sein, dass viele Dienste in ihren AGBs die Überlassung der Nutzungsrechte der eingestellten Daten festlegen - was gleichzeitig aber auch die Abfischung von zusätzlichen Daten erlaubt. Informationen, die aus der Verbindung von abgespeicherten Daten, egal ob diese von Ihnen aktiv eingestellt oder im Hintergrund über sie ermittelt wurden, generiert werden, sind oft eine Menge Geld wert. Der Satz "Muss der Kunde für das Produkt nichts bezahlen, ist der Kunde meist das Produkt selbst" greift mit jedem Tag mehr.

Ein Status-Update auf Facebook hier, ein Foto auf Twitter. Die Social-Network-Dienste boomen und die ihnen zu Verfügung stehenden Daten sind Millionen wert. Aber nicht nur die Nutzer dieser Dienste hinterlassen Daten, jeder wird vom Internet überwacht und das nicht nur von den Nachrichtendiensten.

Es begann mit dem ersten Sündenfall im Internet

In den 90er Jahren nahm der Siegeszug des Internets seinen Anfang. Hier stand der Benutzer im Mittelpunkt und alles war umsonst. Die Menschen wollten sich vernetzen. Die Datenautobahnen und Hosting-Server mussten jedoch stetig ausgebaut und gewartet werden, da immer mehr Wissen bereitgestellt wurde. Ich erinnere mich noch gut an die 5 vor 12 Darstellungen in verschiedenen IT-Zeitungen, die davor warnten, dass die Infrastruktur schlecht ausgebaut ist.

Auch Dienste wie das Usenet oder die eMail waren in vielen Fällen kostenfrei. In dieser Zeit war die Suche nach Einkünften entstanden. Werbeanzeigen sollten es richten. Diese Werbeanzeigen waren sich jedoch weder der Webseite bewusst, auf der sie positioniert waren, noch orientierten sich diese am Besucher der Webseite und dessen Bedürfnisse und Historie. So geschah es, das Ford-Werbung plötzlich auf einer Fanseite für Analsex positioniert wurde. Dies sorgte natürlich für einiges Ungemach.

Mit Hilfe von Java Script wurde damals ein Weg gefunden, die Werbeanzeige in einem kleinen Zusatzfenster zu öffnen, wenn eine Seite aufgerufen wurde. Diese Funktion erlaubte es, dass Werbung darin abgebildet werden konnte. So gab es zwar weiterhin Werbung auf evtl. nicht gewünschten Webseiten, diese sie stand aber nicht in direktem Zusammenhang mit dem Inhalt der ursprünglich aufgerufenen Seite. Die Pop-up- Werbung war erfunden.

Um zu verstehen wie sich der Konsument einer Werbeseite verhält, wurden die ersten Tracker erfunden. Diese kann man sich als eine Art Netzwerk von Datensammlern vorstellen, die sich in Webseiten integrieren lassen. Besuchen Sie eine Webseite, werden je nach Webseite, unterschiedlich (viele) Tracker über Ihren Besuch informiert.

Das dieses Vorgehen legal ist, lässt sich auf ein Gerichtsurteil der Firma DoubleClick im Jahr 2001 zurückführen. Der Entscheid des damaligen Richter war es, dass das mitlesen des Verhaltens auf der Webseite dem Zuhören "eines Freundes" beim Telefonieren gleich kommt. Mit diesem Sündenfall ist bist heute die Grundlage für das Sammeln von Daten gelegt.

Automatische Benutzer-Profile im Hintergrund

Seitdem bombardieren uns Tracker zunehmend. Ein beliebtes Hilfsmittel, um unser Verhalten nachzuvollziehen, sind Cookies. Diese sind dabei mit einer eindeutigen ID versehen, um den Benutzer eindeutig zu identifizieren und wiederzuerkennen. Diese Funktion ist für das Einkaufen in Shop-Systemen sicherlich sinnvoll, um den Inhalt seines Warenkorbs nicht zu verlieren. Leider sind die Cookies nicht darauf beschränkt.

Die Identifikation des Benutzers ist für das Tracking sehr wichtig, auch wenn dieser das gar nicht möchte. Jeder Webseitenaufruf hinterlässt aber auch dann, wenn Sie Cookies unterbinden, eine Art digitalen Fingerabdruck, um Sie eindeutig zu identifizieren und bei einer erneuten Aktivität im Internet wiederzuerkennen. Neben Cookies stehen eine Reihe von Speichertechniken hierzu bereit, wie:

  • diverse HTML5-Speichertechniken

Wenn Sie sich für die Tracker Ihrer Webseiten interessieren, könnten Sie evtl. beim Frauenhofer SIT fündig werden. Das Frauenhofer SIT untersucht regelmäßg die Webseiten der verschiedener Dienstleister im Internet. Bei dieser Untersuchung berücksichtigt das Fraunhofer SIT insbesondere die Webseiten, die im deutschen Sprachraum eine hohe Relevanz in der Nutzerschaft haben. Das Ergebnis der Auswertungen kann sich jeder auf einer dafür bereitgestellten Webseite anschauen. Schauen Sie einfach für Ihre am häufigsten genutzten Webseiten dort einmal nach und prüfen Sie Überschneidungen der Tracker.

Im Internet stehen zusätzlich verschiedene Browser-PlugIns bereit. Diese erlauben es dem Anwender zu sehen, welche Tracker und sonstige Dienste sich auf einer Homepage verbergen. Das Blocken selbiger ist ebenfalls möglich.

Das PlugIn “Lightbeam” zeigt im Firefox- Browser eine schöne Übersicht der Tracker und ihrer Beziehung zueinander. Die Besonderheit: Sie können nicht nur einen Anbieter analysieren.
Das PlugIn “Lightbeam” zeigt im Firefox- Browser eine schöne Übersicht der Tracker und ihrer Beziehung zueinander. Die Besonderheit: Sie können nicht nur einen Anbieter analysieren.
Foto: PlugIn “Lightbeam”

Sie können sich meine Verwunderung vorstellen, dass meine morgendlichen fünf Webseiten ca. 139 Tracker

bedienen. Dies konnte ich mit dem Plugin Lightbeam für Firefox ermitteln. Dieses PlugIn stellt Ihnen mittels interaktiver Visualisierung die Webseiten und Dienste dar, mit denen Sie interagieren. Beim Surfen zeigt Ihnen Lightbeam die gesamte Tiefe des heutigen Internets, einschließlich Bereichen, die für den Durchschnittsnutzer nicht transparent sind.

So wird von Ihnen stetig, jederzeit und quasi überall ein Profil erstellt. Die in der Vergangenheit und gegenwärtig besuchte Webseiten ergeben dabei ein gutes Profil von Ihnen. Dieses Profil ist zunehmend in der Lage zu analysieren, welche Links Sie als nächstes klicken oder aufrufen werden. Damit kann das geschätzte Verhalten mit Ihrem realen Verhalten verglichen und stetig optimiert werden.

Gerade für das Schalten von Werbung sind diese Informationen essentiell. Sehen Sie eine Werbung im Netz, basiert diese häufig auf den Analysen aus eben diesen Tracker -etzwerken. Es wird die Werbung ausgesucht, die am besten zu Ihnen passt. So brauchen Sie sich bei der nächsten Hitzewelle nicht wundern, wenn der Werbebanner sich über Ihre Wettersituation (Ortung auf IP Basis) bewusst ist und Ihnen eine Erfrischungsmöglichkeit unter Beachtung Ihrer persönlichen Eigenschaften (Alter, Geschlecht) anbietet.