Digitale Selbstbestimmung

Das Internet liest aus seinen Nutzern wie aus einem Buch

26.01.2016
Von   
Mark Zimmermann leitet hauptberuflich das Center of Excellence (CoE mobile) zur mobilen Lösungsentwicklung bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe. Er weist mehrere Jahre Erfahrung in den Bereichen Mobile Sicherheit, Mobile Lösungserstellung, Digitalisierung und Wearables auf. Der Autor versteht es, seine Themen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln für unternehmensspezifische Herausforderungen darzustellen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeiten ist er Autor zahlreicher Artikel in Fachmagazinen.

Sie bestimmen Ihr Profil

Neben Trackern für Webseiten sind Soziale Netzwerke die Könige im Analysieren. Sozialen Netzwerke stehen im täglichen Mittelpunkt und wie befühlen diese freiwillig und oft auch sehr freizügig. Die Persönlichkeit eines Menschen lässt sich dabei erstaunlich präzise mit Hilfe der von ihm in eben diesen sozialen Netzwerken hinterlassenen Daten bestimmen.

Das "Gefällt-mir" von Seiten über Hobbys, berühmten Personen, Katzenvideos oder Marken wie Apple zeigt nicht nur den "Followern" was einem gerade gefällt. Diese Daten sind die Grundlage für viel weitreichendere Analysen der Persönlichkeit.

Dieses ermittelbare Persönlichkeitsprofil hat eine erstaunliche Genauigkeit. Es gibt den Datensammlern einen sehr guten Überblock über Ihren Charakter, Ihren Beziehungstatus, Ihr Alter, ob Sie (Nicht-)Raucher sind, ihre politische Gesinnung, ob Sie drogenabhängig sind, wie glücklich Sie sich fühlen, Ihre sexuellen Neigungen und vieles mehr.

So gehen die Datenanalysen beispielsweise davon aus, dass Fans von Star Trek oder Matrix eher Schüchtern und Introvertiert sind. Fans von Batman hingegen haben im Verhältnis weniger Freunde.

Zehn Gefällt-mir-Angaben genügen, um die Persönlichkeit des Benutzers präziser einzuschätzen, als es dessen besten Arbeitskollegen können. Mit ca. 70 Gefällt-mir-Angaben werden Freunde und Mitbewohner überboten. Selbst der eigene Lebenspartner weiß über die Verhaltensweisen des Benutzers weniger, als ein Computer aus 300 Gefällt-mir-Angaben berechnen kann.

Neben Trackern für Webseiten sind Soziale Netzwerke die Könige im Analysieren.
Neben Trackern für Webseiten sind Soziale Netzwerke die Könige im Analysieren.
Foto: David Arts - Shutterstock.com

Ich habe doch nichts zu verbergen

Wenn Sie jetzt denken: "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten". Ich möchte daher die Chance nutzen und Ihnen einen Perspektivwechsel anbieten. Die Gefahr hinter diesen Datensammlern ist nicht die zielgerichtete Werbung und auch nicht die Staumeldung auf Ihrem Handy. Viel mehr ist der Einfluss dieser Profile auf unser Konsum und Informationverhalten maßgeblich. Wenn Sie nur noch die Informationen erhalten, die gut zu Ihnen passen und die Sie iInteressieren, werden Sie sich Stück für Stück für andere Themen weniger Iinteressieren. Die Internetgiganten sind theoretisch in der Lage das Meinungsbild sogar zu bestimmten und zu beeinflussen.

Ein weiterer Punkt liegt in der Auswertung Ihrer Daten. Denken Sie dabei nicht an die kurzfristig möglichen Einflüsse, denken Sie eher an die nächsten Jahre. Ausgefeilte Profile aus Millionen von Anwendern könnten dann die Basis bilden, um über Kreditwürdigkeit, Versicherungsstatus oder Jobangebote zu entscheiden. Bereits heute geben Unternehmen wie Lenddo Kredite auf Basis derartiger Daten. Der Benutzer stellt Lenddo den Zugriff auf die Daten seiner regelmäßig genutzten Sozialen Netzwerke (LinkedIn, Facebook, usw.) bereit und erhält daraus seine Kreditwürdigkeit errechnet.

Aber auch die Werbung selbst könnte bisher nicht mögliche Einblicke erlangen. "Targeted Advertising" gilt hier als Wunderwaffe der Werbewirtschaft. Diese als zielgerichtete Werbung bezeichnete Internet-Werbeform, bei der es darum geht, Werbeeinblendungen themenrelevant am Inhalt von Zielseiten ausgerichtet oder bestimmten Zielgruppen entsprechend darzustellen. Ein neues Patent optimiert diese Methode: Produkt-Werbung wird dem Kontostand oder Kreditrahmen des Nutzers angepasst. Sicherlich sind Patente nicht gleichzusetzen mit tatsächlicher Unsetzung. Das dies aber ein weiterer Weg sein kann, sollte Ihnen transparent geworden sein.

Auch wenn Sie bei alle diesen Dingen nicht direkt negativ betroffen sind (sein werden), helfen die Daten aus dem über Sie erzeugten Profil dabei, Rückschlüsse auch für andere Benutzer in anderen Profilen zu treffen. Sie werden quasi zu einem Referenzmodell für andere Benutzer mit "ähnlichen" Profilen und beeinflussen die Systeme im Umgang mit den anderen Benutzern.

Fazit

Die Möglichkeiten, Daten zu erheben und zu speichern ist stark gestiegen. Die meisten der heutigen Daten wurden alleine in den letzten 24 Monaten erfasst. Kein Wunder, dass die Datenflut der Nutzer des Internets ebenfalls iInteressant sind und die Methoden und Verfahren immer besser werden. (mb)