Corba - die graue Eminenz

05.12.2001
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Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.

Welche Rolle Corba haben kann, erläutert Ulrich Gähler, Chief IT Architect Zürich Financial Services bei der Zürich Versicherung: "Die Möglichkeit, mit Corba eine komplette Servicearchitektur aus Geschäftskomponenten aufbauen zu können, hat uns begeistert." Als sein Team vor drei Jahren entschied, mit Corba eine komplette Bankarchitektur aufzusetzen, war es zugleich die einzige funktionierende Infrastruktur am Markt, die diesen Wunsch erfüllen konnte. "Wir konnten sehr schnell neue Kontakt- und Vertriebskanäle implementieren und zählen heute 50 interne Anwender sowie einige tausend externe Benutzer", schildert Gähler. Typisch für die meisten Anwender wird Corba auch hier mit anderen Techniken kombiniert. So nutzt Zürich Microsoft-Clients, setzt bei der Web-Entwicklung zunehmend auf Java und experimentiert im Portal-Umfeld mit ersten Soap-Implementierungen.

Die Corba-Kernspezifikationen beschäftigen sich mit grundsätzlichen Aspekten wie Interfaces, Objektbus und Methodenaufrufen. Hinzu kommen zusätzliche Corba-Services und die dazugehörigen Spezifikationen für Namensdienste, Sicherheit, Ereignisse, Persistenz und Objektverwaltung. Corba unterstützt Interoperabilität durch Programmiersprachen- und Ortstransparenz sowie durch Plattformunabhängigkeit. Corba-Implementierungen existieren für die verschiedensten Betriebssysteme, und die OMG hat Inter-ORB-Protokolle zur reibungslosen Interoperabilität definiert. Aktueller Release-Stand ist 2.4, der auch die meisten Neuerungen des Corba-Standards 3.0 enthält. So sind jetzt bidirektionale Verbindungen über Firewalls möglich, und es steht ein interoperabler Namensdienst zur Verfügung, mit dessen Hilfe Objekte durch URLs identifiziert werden können. Das

ebenfalls vorgestellte "Corba Component Model" wurde bisher nicht implementiert.

Corba, so Gähler, sei nichts für IT-Shops mit nur 20 Mitarbeitern, denn der Aufwand für den Aufbau einer Infrastruktur sei enorm. "Mit einer gescheiten Architektur lässt sich in Großunternehmen die Komplexität aber immerhin erheblich reduzieren". Auch habe man die Entwickler nicht einfach auf Corba "losgelassen", sondern vorab ein Competence-Center mit mittlerweile vier Experten geschaffen, über das ein von der Anwendungslogik unabhängiges Datenmodell entwickelt wird. Ferner werden nur die wirklich benötigten Corba-Schnittstellen (Services) implementiert. Die anfangs erhoffte Servicelandschaft sei aber erst teilweise Realität geworden. In der Praxis lasse sich laut Gähler die von der OO-Theorie versprochene Wiederverwendung der generierten Objekte für neue Dienste nur schwer erzielen. "Dies ist für mich auch ein Grund, warum das Kozept der Web-Services derzeit auf so viel Interesse stößt."

Sorgen um externen Corba-Support braucht sich der IT-Profi indes wenig zu machen: Der Großraum Zürich gilt mit Anwendern wie UBS, Credit Suisse oder Zürich Versicherung seit Jahren als Corba-Hochburg. Wichtig für die Zukunft bleibt es aber laut Gähler, sich eng an den Corba-Standard zu halten und immer wieder Kompatibilitätstests mit anderen ORBs zu machen, um bei Bedarf die Schnittstellen auf einen anderen ORB neukompilieren zu können.

Wie bei der Zürich Versicherung, so ist laut Giga-Analyst Hoppermann die Entscheidung für Corba meist architekturgetrieben und geht von der IT aus. Doch angesichts schnellerer Technologie- und Anwendungszyklen, kann Corba nicht mehr jahrelang evaluiert und erprobt werden. Dies kann Gunther Lochstampfer, Mitarbeiter beim Dienstleister VR Kreditwerk Hamburg - Schwäbisch Hall AG, bestätigen.