Sichere Jobs

Arbeitgeber Staat wird in der Krise zur Alternative

21.04.2009
Von Anja Dilk und Heike Littger

Mehr Initiativbewerbungen

Die Einschätzung des ITK-Branchenverbands Bitkom - "ITler liebäugeln selbst in der momentanen Krisenzeit nicht mit dem Arbeitgeber Staat" - kann Engel nicht teilen. "Die Initiativbewerbungen haben in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen." Während sich ältere Arbeitnehmer für ihre letzte Berufsphase häufig einen sicheren Arbeitsplatz mit weniger Mobilität wünschen, steht bei den jüngeren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund. So ist vor kurzem ein hoch qualifizierter Systemadministrator von einem großen Pharmaunternehmen zu ihm gewechselt. "Weil Nachwuchs anstand, wollte der Mann die Möglichkeit haben, für einige Monate in Elternzeit zu gehen und danach noch eine gewisse Phase in Teilzeit arbeiten. In der freien Wirtschaft ist das nach wie vor schwierig."

Zudem schätzen jüngere Bewerber die Weiterbildungsmöglichkeiten. Engels Mitarbeiter stehen berufsbegleitend gleich drei Optionen offen: für Berufseinsteiger eine Ausbildung zum Fachinformatiker oder alternativ ein duales Studium in Wirtschaftsinformatik mit Bachelor-Abschluss an der privaten Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach. Für ambitionierte IT-Kräfte im mittleren und gehobenen Dienst dient ein Bachelor- sowie Master-Studium als Sprungbrett nach oben.

Große Kommunen bieten vielfältige Aufgaben

"Know-how ist wichtig", sagt Engel. Behörden seien keine Auffangbecken für Mitarbeiter, denen Freizeit über alles gehe. Karl-Heinz Schneider sieht das ähnlich. Er ist seit knapp einem Jahr der oberste IT-Mann der Stadt München. Als langjähriger IT-Berater kennt er viele deutsche Unternehmen von innen. Sein Fazit: "Nur wenige haben eine ähnliche Vielfalt an Aufgaben zu bewältigen wie eine große Kommune. Informatiker können sich strategisch, planerisch und operativ austoben." Wenn sie denn über die nötigen technischen, betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und menschlichen Fähigkeiten verfügen. "Der öffentliche Bereich befindet sich in einer Umbruchphase, er will effizienter und effektiver werden. Das erfordert automatisch eine höhere Professionalisierung bei den Mitarbeitern, sie müssen flexibel, neugierig, ja hungrig nach Austausch sein." Internationale Kooperationen und Meinungsaustausch gehören für den Münchner IT-Chef klar zum Geschäft.

Einziger Haken: Die IT-Gehälter. "Die müssten in der Tat stärker dem Markt angeglichen und leistungsorientiert ausgerichtet werden", räumt Schneider ein. So liegt das Einstiegsgehalt für einen diplomierten Wirtschaftsinformatiker ohne Berufserfahrung bei 2237 Euro. Nach 15 Jahren könnte er, wenn alles gut läuft, mit 4589 Euro nach Hause gehen. "Das ist für die meisten ITler nur mäßig bis gar nicht interessant", sagt Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte bei der Bitkom. "Sowohl das Einstiegsgehalt als auch die Gehaltsentwicklung sind in der freien Wirtschaft besser. Managementgehälter mit 100 000 Euro pro Jahr sind im öffentlichen Dienst nicht zu realisieren." Von einer Anpassung seien die Behörden seiner Meinung nach noch weit entfernt. "Es wird viel diskutiert, aber die Tarifstrukturen sind noch zu starr."