Gudrun Happich arbeitet seit 15 Jahren als systemischer Coach. Die studierte Biologin hat mit ihrem Galileo Institut bislang über 800 Führungskräfte begleitet. In ihrer Beratungspraxis sitzt sie immer wieder Managern gegenüber, die zwar gut verdienen und auch mit Privilegien wie Dienstwagen ausgestattet sind, aber dennoch unzufrieden sind. Artikulieren sie ihre Unzufriedenheit, reagieren ihre Arbeitgeber oft hilflos - mit einer weiteren Gehaltserhöhung, einem höheren Bonus, einem neuen Dienstwagen. Rein materielle Belohnungsinstrumente wirken in Happichs Augen nur kurzzeitig, können aber die wirklichen Gründe der Unzufriedenheit nicht beseitigen.
CW: Frau Happich, was verstehen Sie unter einem Leistungsträger?
Happich: Leistungsträger definieren sich über Arbeit und Leistung, sind unheimlich engagiert und wollen etwas bewegen. Sie leisten etwa 30 Prozent mehr als der Durchschnitt. In jedem Unternehmen entsprechen aber nur drei bis fünf Prozent der Mitarbeiter dieser Definition.
CW: Angesichts dieser geringen Anzahl fragen sich sicher manche Unternehmen, warum sie sich um diese Zielgruppe besonders kümmern sollten...
Happich: Das ist leider so. Es wird heute viel getan, um gute Leute für das Unternehmen zu gewinnen oder um aus Low-Performern High-Performer zu machen. Aber die Besten im Unternehmen werden vergessen. Dabei ist gefährlich und teuer, wenn die wirklichen Leistungsträger abwandern. Der Wechsel eines Top-Mitarbeiter zu einem anderen Unternehmen kostet etwa das dreifache Jahresgehalt. Gerade in den Führungsetagen der IT-Unternehmen ist die Wechselbereitschaft sehr hoch.
CW: Warum werden Leistungsträger unzufrieden?
Happich: Sie arbeiten wie gesagt sehr viel, engagieren sich stark und sind nach außen sehr selbstbewusst. Darüber übersehen viele Arbeitgeber, dass die Leistungsträger für ihren Einsatz auch eine emotionale Gegenleistung haben wollen: Sie wollen Anerkennung und Wertschätzung, sie wollen einfach gesehen werden. Das passiert aber oft nicht. Im Gegenteil, die Unzufriedenen beschweren sich beispielsweise, dass ihnen keiner zuhört, dass ihre Mitarbeiter nicht mitdenken oder ihr Chef kein Verständnis für sie hat.
CW: Und warum ist eine Gehaltserhöhung keine passende Form der Wertschätzung?
Happich: Das Geld nehmen die Leistungsträger mit, aber es macht sie nicht zufrieden. Vor allem, wenn die Ursachen ihrer Unzufriedenheit bleiben und es sich im Unternehmen nichts geändert hat. Wenn Leistungsträger nicht mehr wissen, wofür sie morgens aufstehen, wird es schwierig, sie auf Dauer zu halten. Sind sie dagegen intrinsisch motiviert, überträgt sich ihre Begeisterung und Kreativität auch auf ihr ganzes Team.
- Typische Gehälter von Führungskräften 2012
Wir haben aus der Gehaltsstudie von COMPUTERWOCHE und Personalmarkt zehn Beispiele ausgewählt, um exemplarisch zu zeigen, was IT-Führungskräfte verdienen.
erhält....- ..ein IT-Leiter/Organisation im Maschinenbau.
45 Jahre, Diplom Uni Wirtschaftsinformatik, Branche: Maschinenbau (> 1.000 Mitarbeiter), Raum Darmstadt
verdient- ein IT-Leiter in einem Systemhaus.
43 Jahre, Diplom FH Informatik , Branche: IT-Systemhaus im Raum München (> 5.000 MA)
bekommt- ein Gruppenleiter Administration und IT.
34 Jahre, Bachelor Ingenieurwissenschaften, Branche Autoindustrie nahe Stuttgart (>20.000 MA)
erhält- eine Leiterin Global Head Profit Center
41 Jahre, Diplom FH Wirtschaftsinformatik, Branche: Softwareberatung in Hessen (1.000–5.000 MA)
verdient- ein Projektmanager SAP-Beratung.
40 Jahre, Diplom Uni Wirtschaftsingenieurwissenschaft, Unternehmensberatung im Raum Heidelberg (100-500 MA)
bekommt- ein Leiter IT-Sicherheit.
38 Jahre, Diplom Uni Wirtschaftsingenieurwissenschaft, Telekommunikationsbranche bei Karlsruhe (> 1.000 MA)
erhält- ein Teamleiter CRM.
31 Jahre, Diplom FH Wirtschaftsingenieurwissenschaft, Branche: Telekommunikation nahe Stuttgart (1000–5000 MA)
verdient- ein Leiter SAP-Technik.
42 Jahre, Diplom Uni Informatik, IT Systemhaus in der Umgebung von Aachen (100–500 MA)
bekommt- ein Teamleiter Softwareentwicklung.
32 Jahre, Diplom Uni Wirtschaftsingenieurwissenschaft, Branche: Bank nahe Frankfurt (1000–5000 MA),
erhält- eine Gruppenleiterin EDI.
43 Jahre, Diplom Uni Wirtschaftswissenschaften, Branche: Autoindustrie in Nordrhein-Westfalen (1000–5000 MA).
CW: Das heißt aber, dass es kein Standardwerkzeug geben kann, um die Besten an ein Unternehmen zu binden. Die Lösung muss individuell sein.
Happich: Ja, aber die Lösung muss nicht immer zeit- oder kostenaufwändig sein. Einer meiner Klienten brauchte das Gefühl, etwas Besonderes zu sein und wollte darum unbedingt einen MBA machen. Der Arbeitgeber war davon aber nicht begeistert. Nach drei Gesprächen fanden wir heraus, dass er gern etwas aufbauen will. Und die Lösung fand sich innerhalb des Unternehmens, das gerade einen Manager für den Aufbau des Südamerika-Geschäfts suchte.