IT-Umstellung verschoben

Woran das Mammutprojekt der HVB krankt

03.05.2010
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Sechs Ursachen für die Probleme

Die Analyse, deren Urheber aus nachvollziehbaren Gründen nicht genannt werden will, führt das vor allem auf sechs Ursachen zurück:

  • Die Programme gehen in Teilen an den Bedürfnissen der Fachbereiche vorbei. Als Grund dafür sieht der HVB-Insider vor allem die Tatsache, dass die Budgetverantwortung nicht beim Business, sondern bei der IT liege.

  • Das Eurosig-Projekt folgt dem mittlerweile als überholt geltenden Wasserfallmodell: Erst entstand der gesamte Softwarecode, dann wurde getestet. Die Fachbereiche wurden zu spät einbezogen, um ihre teilweise heftige Kritik noch in die Softwareentwicklung einfließen zu lassen. Die Anwender hätten die uneinheitliche Benutzerführung moniert sowie die "zu vielen Klicks, um zum Ziel zu gelangen", so der interne Kritiker. Eine zeitgemäße Alternative wäre eine agile Softwareentwicklung gewesen. Mit kleinen Modulen, die sich schnell einführen lassen, hätten sich Fehlentwicklungen unkomplizierter revidieren lassen.

  • Als dritten Grund für die massiven Projektverzögerungen nennte der HVB-Kenner die zentrale Struktur der Software. Die gesamte Geschäftslogik laufe auf dem Host, und die Programme würden in "unverhältnismäßig teuren" italienischen Rechenzentren gehostet.

  • Der vierte Grund betrifft die Benutzerschnittstelle. Sie läuft als Intranet-Anwendung im Browser. Vorgesehen sei ein bankweiter Intranet-Login ohne SSL-Verschlüsselung, weiß der HVB-Insider. Damit wären die Passwörter aber nicht mehr gegen Angreifer von innen geschützt. Folglich bestehe das Risiko, dass sich Banktransaktionen nicht nachvollziehen und/oder korrekt zuordnen lassen. Darüber hinaus tadelte der interne Kritiker die HVB-Entwickler wegen der Verwendung des veralteten Web-Framework "Struts 1.1". Es ziehe eine umständliche Programmierung nach sich.

  • Zudem seien lange bekannte Bugs nicht behoben worden. Weil Eurosig "mit aller Gewalt" eingeführt werden soll, habe man lieber Workarounds definiert. Damit wurde die Fehlerbehebung allerdings nur auf die Zeit nach dem "Going live" verschoben. So konnte die HVB der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) aber nicht den reibungslosen Ablauf der Anwendungen garantieren, den diese nach Presseberichten forderte.

  • Im Zuge all dieser Widrigkeiten büßte das Projektteam seine Motivation und den offenen Umgang mit den Problemen ein - getreu dem Motto: "Das ist Eurosig, da darf nicht nach dem Warum fragen." Am Ende hätten nicht einmal mehr die Führungskräfte den vollständigen Überblick über den Projektstand, so die COMPUTERWOCHE-Quelle.