Integration von Mainframes

Wie Tools den Host für das Internet öffnen

05.06.1998

Die Mainframes, egal ob von IBM oder einem anderen Host-Anbieter, scheinen nun doch noch nicht auszusterben. Nicht einmal das Web verdrängt sie nachhaltig - im Gegenteil: Host-Technologie und moderne Internet/Intranet-Technologie befruchten sich gegenseitig und bewirken eine Übereinstimmung beider Welten. Durch die immer stärkere Durchdringung der Unternehmens-DV mit Internet/Intranet-Technologie bietet sich die Möglichkeit, die Kommunikationsbeziehungen zwischen Desktop- und Host-Rechnern auf eine neue, möglicherweise zukunftsweisende Basis zu stellen. Die Host-Anbindung mit Web-Technologie fördert offenbar die Renaissance der Mainframes. Deutlich macht dies ein kurzer Blick auf den aktuellen Markt.

Obwohl die Zahl der neuinstallierten Mainframe-Systeme seit Anfang der 90er Jahre rückläufig ist, stieg die Leistungsfähigkeit der einzelnen Systeme, gemessen an der Zahl der installierten MIPS (Millionen Instruktionen pro Sekunde), ständig an. Die Marktforscher von IDC ermittelten 1995 gegenüber dem Vorjahr ein Wachstum von 50 Prozent, 1996 betrug die Steigerung 60 Prozent, und für 1997 rechnet man vorläufig ebenfalls mit einer Zunahme zwischen 50 und 60 Prozent. Bestätigt wird dieser Trend auch von der Meta Group: Bis zum Jahr 2003 soll die installierte Basis von IBM-S/390-Mainframes um jährlich 33 Prozent zunehmen, maßgeblich gefördert durch Performance-Steigerungen (plus 60 Prozent pro Jahr), ein verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis (plus 30 Prozent jährlich) sowie den allgemeinen technischen Fortschritt.

Zudem bieten neue TCP/IP-Stacks und SNA-Gateways eine gute Ausgangsbasis, um die auf Host-Rechnern untergebrachten riesigen Datenbestände via Browser-Technologie in einem Intranet nutzen zu können. Bis zum Jahr 2002, so prognostiziert die Meta Group, erfolgen mehr als zwei Drittel aller Zugriffe auf Legacy-Datenbestände auf Mainframes via Web-Browser-Technologie. Der Browser wird damit zum universellen Client - eine Funktion, die in der Mainframe-Ära die IBM-3270-Terminals innehatten.

Als Startpunkt einer rasanten Entwicklung, bei der sich die Intranet-Architektur als tragendes Fundament einer unternehmensweiten DV-Struktur erweist, gilt das Jahr 1996. Damals wurden nach Einschätzung von IDC zirka 2200 Web-to-Host-Gateways verkauft. Im Jahr 2000 soll die installierte Basis, bei einem Marktvolumen von einer Milliarde Dollar, bereits auf 330000 Web-to-Host-Gateways angewachsen sein. Vier von fünf Mainframe-Anwendern, so ermittelte die Meta Group, nutzen ihre IBM-S/390-Systeme bereits als Internet/Intranet-Server oder planen dies.

Web-Browser als universeller Client

Die Marktentwicklung wird wesentlich gefördert durch die Motivation der IT-Verantwortlichen und Entscheider, vorhandene Informationsbestände über Intranets oder sogar über das Internet durch Web-to-Host-Verbindungen effektiver nutzen zu können. Da eine solche Lösung anpassungsfähig ist, erlaubt sie auch die Einbeziehung und Weiterentwicklung der traditionellen zweistufigen Terminal-Host- in eine dreistufige Client-Server-Architektur. Die erste Stufe in einem Intranet bildet ein Web-Browser als universeller Client. Als Schaltzentrale auf der zweiten Stufe ist ein Web-Applikations-Server angesiedelt. Er stellt die Verbindung zu existierenden Host-Systemen der dritten Stufe her.

Wo es um Web-to-Host-Verbindungen geht, lassen sich drei Ansätze aus der Tradition der Terminalemulations-Software unterscheiden: HTML-Konverter, Java-Applets und Active-X-Technologie.

Der traditionelle Host-Zugriff via Terminalemulations-Software wird durch diese drei Varianten auf eine neue Internet/Intranet-Basis gestellt. Den genannten Konzepten ist ein dreistufiger Client-Server-Ansatz gemeinsam. Diese Software-Architektur unterscheidet die Schichten

-Präsentation (in Form eines Web-Browsers),

-Applikation (in Form eines Web-Applikations-Servers) und

-Datenhaltung (die Host-Datenbestände).

HTML-Konverter: Ist lediglich ein Lesezugriff auf Mainframe-Datenbanken erforderlich, genügt es, den 3270-Datenstrom vom IBM-Host in HTML-Code zu übersetzen und in einem Web-Browser darzustellen. Auf dem Web-Server gespeicherte CGI-Scripts verarbeiten die Benutzereingaben des Browsers und übersetzen sie in ein Format, das der Host versteht. Umgekehrt werden Mainframe-Daten von CGI-Scripts ins HTML-Format konvertiert und dann an den Browser weitergeleitet. In diese Produktkategorie gehört "Salvo Connect" von Simware. Die direkte Übernahme von 3270-Daten in HTML-Format ist in Umgebungen, in denen nur Lesezugriffe erforderlich sind, durchaus praktikabel und ausreichend. Als Pluspunkt kann diese Variante für sich verbuchen, daß sie einen bequemen und schnellen Konvergenzpfad Richtung Intranet bietet; bereits vorhandene Web-Browser lassen sich dafür nutzen. Aber auch die Nachteile einer derartigen Lösung gilt es zu sehen: Durch die Übersetzung des 3270-Datenstroms in HTML leidet die Performance. Standardmäßig ist bei HTML-Konvertern keine Printer- oder File-Transfer-Emulation möglich.

Java-Applets: Als führender Vertreter dieser Kategorie gilt "OC://WebConnect" von Open Connect Systems. Die Software lädt ein 35 KB großes Java-Applet vom Server und generiert dadurch in einem Java-fähigen Browser eine Terminalemulation. Ähnlich wie bei HTML-Konvertern wird der 3270-Datenstrom aufbereitet - in diesem Fall von einem Javascript. Die Vorteile: Sowohl auf der Server- als auch auf der Client-Seite unterstützt OC://WebConnect neben Windows NT auch Unix-Derivate. Aber auch die Nachteile einer solchen Lösung dürfen nicht verschwiegen werden: Java ist bislang nur eingeschränkt für unternehmenskritische Applikationen tauglich; die plattformübergreifende Programmiersprache befindet sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Filetransfer und Printing sind nur über individuelle Anpassungen möglich.

Active-X-Technologie: "Winsurf Mainframe Access" von Icom Informatique ist ein Vertreter dieses Ansatzes. Installiert wird die Software auf einem Windows-NT-Server. über den Microsoft Internet Information Server (IIS), ein fester Bestandteil von Win- dows NT, erlaubt Winsurf Main- frame Access den Austausch von Informationen mit den Mainframes des Unternehmens von jedem Arbeitsplatz aus, auf dem der Microsoft Internet Explorer ab Version 3.0 installiert ist. Abweichend von Lösungen, die den 3270-Datenstrom der Host-Anwendungen in das HTML-Format konvertieren, sind die Emulationsmodule in diesem Fall vollständig als Active-X-Komponenten in den Internet Explorer integriert. Vorteil dieser Lösung ist, daß alle von Windows her gewohnten Features und Funktionen zur Verfügung stehen. Winsurf Mainframe Access kann auf 3270- (CICS, IMS/DC, VTAM), 5250-, Digital/Unix-VT/320- sowie Bull-DKU-basierende Anwendungen zugreifen. Winsurf Mainframe Access 2.0 bietet 16-Bit-Unterstützung und läuft somit auch unter Windows 3.x. Stärke dieser Lösung ist, daß alle von Windows her gewohnten Features und Funktionen zur Verfügung stehen. Schwachpunkt dieser auf Active X basierenden Web-to-Host-Lösung ist ihre ausschließliche Verwendung zusammen mit Windows-NT-Servern.

Zusätzlich zu den geschilderten Ansätzen aus der Tradition der Terminalemulations-Software sind weitere Produkte verfügbar, um via Internet-Technologie auf Host-Rechner zuzugreifen. Die führenden Datenbankanbieter wie IBM, Informix, Software AG, Sybase und Oracle haben alle im Verlauf der letzten eineinhalb Jahre entsprechende Software in Form von Web-Applikations-Servern vorgestellt. Derartige Server erlauben es, von einem PC-Arbeitsplatz mit einem Web-Browser auf Host-Datenbestände zuzugreifen. Nicht zu vergessen sind spezielle datenbankunabhängige Integrationsplattformen für Web-Applikationen wie "Fore Site". Zur Laufzeit agiert Fore Site als skalierbare Integrationsplattform, die die Anbindung unterschiedlicher Datenquellen oder Applikationen über flexible Software Integration Modules (SIMs) vorsieht. Wo es um die Integration von PC-LAN-Lösungen und Hosts via Intranet-Technologie geht, darf auch ein Produkt wie Lotus Notes/Domino nicht fehlen. Es bietet von der Server-Seite aus eine Vielzahl von Möglichkeiten (Domino Connect, Lotus Pump, Schnittstellen zum Zugriff auf R/3 oder Peoplesoft), die Informationen aus relationalen Datenbanken von Host-Systemen zu nutzen.

Jürgen Wasem-Gutensohn ist freier Journalist in München.