Aufbaustudium für Informatiker

Wie sich Informatiker auf Spitzenjobs vorbereiten

12.12.2016
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Eine Initiative aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft hat einen europäischen Aufbaustudiengang für den IT-Nachwuchs konzipiert – die EIT Digital Master School. Der Leiter, Patrick Hartigan, erklärt im CW-Interview, was diese Ausbildung auszeichnet und was Hochschulen leisten müssen, um die richtigen Skills zu vermitteln.

CW: Ausbildungsstätten und Hochschulen müssen sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen und Trends wie Internet of Things und ­Industrie 4.0 verstärkt berücksichtigen. Welche Pläne hegen Sie, und was ist schon geschehen?

Patrick Hartigan ist promovierter Ingenieur und ¬leitet die EIT Digital Master School, die zum European Institute of Innovation and Technology gehört.
Patrick Hartigan ist promovierter Ingenieur und ¬leitet die EIT Digital Master School, die zum European Institute of Innovation and Technology gehört.
Foto: EIT

PATRICK HARTIGAN: In meiner 30-jährigen Karriere - ich bin von Haus aus Ingenieur - habe ich den Beginn der Revolution der mobilen Kommunikation miterlebt. In dieser Zeitspanne hat eine enorme Transformation stattgefunden, nicht nur hinsichtlich Technologien, sondern auch in unserem Nutzungsverhalten und in der Gesellschaft. Ich sage meinen Master-School-Studenten immer, dass solche monumentalen Veränderungen wieder stattfinden werden, nicht in den nächsten 30, sondern schon in den nächsten drei bis fünf Jahren. Die Veränderungen durch die Digitalisierung müssen in den Inhalten der Kurse und in der Art, wie wir diese vermitteln, berücksichtigt werden. An der EIT ­Digital Master School wollen wir beim Online-Lernen und in der interdisziplinären Bildung, aber auch bei traditionellen Kursen an der Spitze stehen. Dabei versuchen wir nicht nur, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu sein. Wir benutzen Technologien auch, um die Inhalte auf neue Arten zu vermitteln.

CW: Geht es nur um Technologien oder auch um unternehmerische Trends?

PATRICK HARTIGAN: Alle Studiengänge, die wir in der Master School anbieten, beinhalten neben dem Hauptfach mit technischem Schwerpunkt auch ein Nebenfach zum Thema Innovation und Unternehmertum. Das ist deshalb so wichtig, weil EIT Digital in einem europaweiten Ökosystem agiert, zu dem Industriepartner, Forschungs­institute, Kleinbetriebe und Startups gehören. Die Präsenz dieser Organisationen in unserem Öko­system stellt sicher, dass wir die Fächer und Bildungsprogramme immer auf dem neuesten Stand halten.

Data Science ist der beliebteste Kurs

CW: Was wäre eine solche Neuerung in Ihrem Bildungsprogramm?

PATRICK HARTIGAN: Ein Beispiel wäre Data Science. Vor drei Jahren hat diesem Fach kaum jemand Beachtung geschenkt, heute ist es jedoch der beliebteste Kurs. Die Verfügbarkeit von massiven Datensätzen, Big Data und das neue Bewusstsein dafür, wie dies für die Lösung von gesellschaftlichen Problemen, ob im Gesundheitssektor, Städten oder in der Logistik, genutzt werden kann, macht Data Science immer beliebter. Das gilt nicht nur für unsere Studenten, sondern auch für die Industriepartner, die später die Jobangebote schaffen. Andere wichtige Themen sind Cyber-Sicherheit, Design Thinking oder die Mensch-Computer-Interak­tion. Die Art, wie wir mit Daten und Maschinen umgehen, ändert sich gravierend. Entsprechend müssen wir unsere Studenten darauf vorbereiten.

CW: Was können und sollten die Hochschulen angesichts der fortschreitenden Digitalisierung leisten? Müssten sie neue Inhalte anbieten?

PATRICK HARTIGAN: Hochschulen müssen nicht nur ihre Inhalte auf dem neuesten Stand halten, son­dern auch die Art, wie diese vermittelt werden. Die EIT Digital Master School bringt 20 Universitäten aus acht EU-Staaten zusammen. Das sind die wichtigsten Technischen Universitäten in Europa, was uns einen guten Einblick gibt, wie die europäische Universitätslandschaft auf die Veränderung reagiert. Inhalte veralten heute noch viel schneller, als sie es früher taten. Jedoch schaffen neue Lehrmethoden wie das Online-Lernen die Möglichkeit, sich mit neuen Inhalten zu beschäftigen, sobald sie relevant werden.

Die EIT Digital Master School bringt 20 Universitäten aus acht EU-Staaten zusammen.
Die EIT Digital Master School bringt 20 Universitäten aus acht EU-Staaten zusammen.
Foto: bikeriderlondon - shutterstock.com

CW: Welche Fähigkeiten werden in Zukunft in der Wirtschaft stärker nachgefragt?

PATRICK HARTIGAN: Um diese Frage mit Sicherheit zu beantworten, bräuchten wir eine Kristallkugel. Wir müssten raten, was die wichtigsten Technologien in zehn bis 15 Jahren sein werden. Was wir jedoch mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Wirtschaft eine komplett andere Art von Ingenieuren und IT-Fachleuten benötigen wird, als sie in der Vergangenheit von unseren besten Technischen Hochschulen ausgebildet wurden. Es wird einen wachsenden Bedarf dafür geben, nicht nur die Technologien und die Realisierbarkeit der dahinterliegenden Geschäftsmodelle zu verstehen, sondern diese auch in echte Produkte und Leistungen umzuwandeln. Das setzt ein tiefes Verständnis von Innovation und Unternehmertum voraus, was in der Vergangenheit bei Absolventen mit Tech­nologiehintergrund vermisst wurde. An der EIT Digital Master School versuchen wir das zu korrigieren. Innovations- und unternehmerisches Denken ist tief in die Programme integriert. Zum Beispiel trainieren die Studenten in der zweiwöchigen Summer School an echten Geschäftsproblemen, die rund um Technolo­gien entstehen, insbesondere in Startups. Am Ende eines Kurses verfügen die Teilnehmer über eine Art Wissens-Werkzeugkasten, und sie nehmen eine andere Haltung an, die den zukünftig in der Wirtschaft geforderten Fähigkeiten entspricht.

CW: Glauben Sie, dass Online-Lernen einen Beitrag zur Überwindung des Fachkräftemangels leisten kann?

PATRICK HARTIGAN: Zumindest glauben wir, dass Online-Bildung auch Quereinsteigern in die Internet-Welt Chancen eröffnet, die sie früher nicht hatten. Mit der Konsequenz, dass sich so die steigende Nachfrage von IT-Experten in der Wirtschaft zumindest teilweise befriedigen lässt. Nicht unerwähnt bleiben soll noch ein anderer Aspekt: Kurse eines Semesters oder gar ein ganzes Master-Programm online anzubieten, bietet einen wichtigen Ansatz hinsichtlich der Skalierung. Er reißt die Grenzen nieder, die den Zugang zu solchen Kursen bisher verhindert haben. Es bedeutet, dass wir die Frage stellen können: "Was ist falsch daran, Menschen zu Online-Kursen zuzulassen, wenn sie nicht das notwen­dige Stück Papier besitzen, das besagt, sie hätten einen Bachelor Abschluss?".

Patrick Hartigan...

ist promovierter Ingenieur und ­leitet die EIT Digital Master School, die zum European Institute of Innovation and Technology gehört. Bis vor Kurzem ­koordinierte Hartigan EU-Projekte wie "CORE-Business", einen Aktionsplan für erneuerbare Energien. Er war Mitglied in Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Hightech-Umfeld und arbeitete dabei unter anderem als Projekt-Manager, Designingenieur, Forscher, Gutachter und Unternehmer. Hartigan hat zudem Universitätskurse für Innovation und Design in Irland und Polen entwickelt.

Die EIT Digital Master School...

ist eine Initiative von führenden technischen Universitäten und Business Schools in Europa, die zusätzlich durch Mentoring von europäischen Forschungsinstituten und Industriepartnern unterstützt wird. Das zweijährige Studium kombiniert Bildung, Forschung und kaufmännisches Wissen zu einer besonderen Ausbildung, mit der die Studenten sowohl fundiertes technisches Wissen als auch breite unternehmerische Fähigkeiten erlangen können.