Wie Netzwerke Voice over IP lernen

30.09.2004
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Bevor allerdings die eigentliche Analyse der Infrastruktur angegangen wird, ist in vielen Unternehmen erst einmal ein menschliches beziehungsweise organisatorisches Problem zu bewältigen: Die für Datennetze und Telekommunikation zuständigen Mitarbeiter sitzen in unterschiedlichen Abteilungen und haben voneinander abweichende Erwartungen an die Infrastruktur.

Erschwerend kommt häufig hinzu, wie Thomas Boele, Senior Consultant bei 3Com Deutschland, beobachtet hat, dass einzelne Fachabteilungen Applikationen wie Backup-Jobs oder Server-Replizierungen fahren, die das Netz stark in Anspruch nehmen, und von denen der Rest des Unternehmens aber nichts weiß. In der Datenwelt fällt diese Vorgehensweise kaum auf, wenn etwa E-Mails aufgrund der hohen Netzauslastung mit etwas Verzögerung zugestellt werden. In der VoIP-Welt haben dagegen solche Latenzzeiten eine fatale Konsequenz, denn bereits Verzögerungen im Bereich von 150 bis 200 Millisekunden beeinträchtigen die Sprachqualität eines Telefonates.

Um solche störenden Applikationen zu entdecken, sollten deshalb alle involvierten Abteilungen im Vorfeld eines VoIP-Projektes am runden Tisch ihr Nutzungsverhalten der Netzinfrastruktur erörtern. Darüber hinaus empfehlen fast alle Experten, die Netzinfrastruktur einer ausführlichen Auditing zu unterziehen. Uwe Lepa, Business Development Manager IP-Telefonie bei Cisco, geht sogar noch weiter und propagiert, Stress- beziehungsweise Lasttests zu fahren, um festzustellen, wie sich ein Netz verhält, wenn es etwa IP-Sprachpakete mit einer höheren Priorität weiterleiten soll.

Im Zusammenhang mit VoIP ist letztlich weniger die verfügbare Bandbreite im Netz von Bedeutung als vielmehr die Frage, mit welcher Verzögerung die Voice-Pakete weitertransportiert werden. Nur unter Bandbreitenaspekten betrachtet, reichen die heute üblichen Infrastrukturen mit Switched Fast Ethernet eigentlich aus. Lediglich im Backbone ist in Einzelfällen ein Upgrade auf Gigabit Ethernet erforderlich.

Dennoch ist selbst in einem solchen Netz ein Stresstest empfehlenswert, wie Avaya-Manager Kreter erklärt: "Ein Ethernet LAN, das in der Regel nur mit 25 Prozent ausgelastet ist, ist nicht automatisch VoIP-fähig, denn der verzögerungsfreie Transport der Sprache muss auch in Spitzenzeiten gewährleistet sein."

IP-Telefone im Netz funktionieren nur zuverlässig, wenn ihre Daten priorisiert behandelt werden.
IP-Telefone im Netz funktionieren nur zuverlässig, wenn ihre Daten priorisiert behandelt werden.