Wie Netzwerke Voice over IP lernen

30.09.2004
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Er kann sich lediglich bei den Vertragsverhandlungen die gewünschte QoS im Backbone in Form von Service-Level-Agreements (SLAs), verbunden mit entsprechenden Konventionalstrafen, zusichern lassen. Anders sieht es dagegen auf der letzten Meile aus. Hier kann der Benutzer beispielsweise seinen Bandbreitenbedarf selbst errechnen. Stender von Broadnet Mediascape rät, als Faustformel von rund 80 Kbit/s pro VoIP-Telefonat auszugehen. Ein Wert, der für die unkomprimierte Übermittlung der IP-Sprachpakete gilt. Komprimierung empfehle sich ohnehin nicht, da die Anwender dann die Sprachqualität meist schlechter beurteilten, auch wenn, gemessen an den Leistungsdaten der verwendeten Codecs, eigentlich gar keine Unterschiede zu hören sein dürften.

Um nun den absoluten Bandbreitenbedarf für die IP-Telefonierer zu kalkulieren, ist es wichtig zu wissen, wie viele Mitarbeiter eines Unternehmens gleichzeitig telefonieren. Broadnet Mediascape schätzt, dass dies in normalen Unternehmen etwa 20 Prozent der Beschäftigten sind, während stärker telefonabhängige Betriebe auf 30 Prozent kommen und im Call-Center die Parallelität bei 100 Prozent liegt.

Ein normales Unternehmen mit 150 Mitarbeitern müsste damit für die letzte Meile eine Bandbreite von 30 mal 80 Kbit/s, also rund 2,4 Mbit/s, ansetzen. Doch die verfügbare Bandbreite ist nur ein Aspekt. Um auf der letzten Meile die QoS wie im eigenen Netz sicherzustellen, müssen Mechanismen wie Bandbreitenreservierung eingesetzt werden. Wichtig ist dabei, dass sowohl der Router beim Kunden (Costumer Premise Equipment = CPE) als auch das Gegenstück auf der Provider-Seite (Edge-Router) das gewählte Verfahren beherrschen.

Sollen im Zuge einer VoIP-Migration zudem noch Außenstellen oder Zweigstellen zu einem IP-fähigen Corporate Network zusammengeschlossen werden, stellt sich eine weitere Frage: Ist das VPN, mit dem heute in der Regel verschiedene Standorte zu einem Datenverbund verknüpft sind, auch VoIP-fähig? Kleinster gemeinsamer Nenner unter den Befragten ist dabei die Einschätzung, dass die häufig verwendeten IPsec-VPNs oder andere getunnelte VPNs keine ideale Grundlage für ein VoIP-Corporate-Network sind.

"Schließlich vergrößert jede weitere Protokoll-Encapsulation", so erklärt Dietl, "die Verzögerung." Für Broadnet-Manager Stender besteht deshalb das ideale VoIP-VPN aus einer MPLS-Infrastruktur (Multiprotocol Label Switching) mit Any-to-any-Verbindungen im Gegensatz zur Sternstruktur eines IPsec-VPN. "Hier muss nämlich ein Gespräch von Bremen nach Hamburg erst über die Unternehmenszentrale in Frankfurt geroutet werden, womit sich die Latenzzeiten aufgrund der doppelten Wegstrecke erhöhen", verdeutlicht Stender das Problem an einem theoretischen Beispiel. Zudem führe der Ausfall nur eines Tunnels bereits dazu, dass ein Standort komplett von der Kommunikation abgeschnitten ist, während in einer MPLS-Infrastruktur bei Störungen im schlimmsten Fall nur ein Teil der Kommunikation gestört sei.