Ratgeber Cloud Computing und Recht

Was Cloud-Planer wissen müssen

05.12.2012
Von Marc Strittmatter

Urheberrecht und Lizenzen: Was geht in der Cloud?

In puncto Urheberrecht und Lizenzen stellen sich vor allem zwei Fragen: Ein Anwender, der eine Applikation in die Cloud verlagert, muß ausreichend lizenziert sein, um diese auf Rechnern des Anbieters betreiben zu dürfen. Umstritten ist unter Juristen derzeit, ob das Anzeigen der Software im reinen Terminal-Betrieb eine Vervielfältigungshandlung im Sinne von § 69c Nr. 1 UrhG ist oder nicht. Da es hierzu divergierende Gerichtsentscheidungen gibt, sollte für die Cloud-Nutzung im Zweifel die ausdrückliche Zustimmung des Softwareherstellers eingeholt oder bereits bei der erstmaligen Lizenzierung im Vertrag vorsorglich vereinbart werden. Jedenfalls bedarf es für eine Weitergabe von Softwarekopien an einen Anbieter der Zustimmung des Softwareherstellers analog der Situation beim Hosting.

Weiter muss mit dem Softwarehersteller geklärt sein, ob er mit dem Anbieten einer nicht vom Anbieter entwickelten Applikation zur Cloud-Nutzung durch den Anbieter einverstanden ist. Denn dies ist nach überwiegender Ansicht eine zustimmungsbedürftige Weitervermietung.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Oracle/ USedSoft vom 3.7.2012, C-128/11 hat auf die Frage, ob Weitervermietung zulässig ist, keine Auswirkung. In diesem Urteil wurde die Frage geklärt, dass es bei nicht-körperlicher Verbreitung von Software (download) analog zur Verbreitung auf Datenträger keine vertragliche Möglichkeit des Softwareherstellers gibt, den Weiterverkauf als „Gebrauchtsoftware“ zu verbieten, sofern der Ersterwerber die Nutzung ganz einstellte. Bei Cloud Computing ist die Zustimmung des Rechteinhabers nach wie vor erforderlich, soweit nicht die Bereitstellung in einer Cloud ausdrücklich als Nutzungsart eingeräumt ist. Bei älteren Verträgen ist dies anhand der vertraglichen Formulierung der Nutzungsrechteeinräumung auszulegen. Soweit Open-Source-Software zum Einsatz kommen soll, muß vorab geklärt sein, unter welcher Lizenz diese genutzt oder weitergegeben werden kann.

Vertragsgestaltung: Was müssen Cloud-Nutzer regeln?

Ein Hautpmerkmal standardisierter Cloud-Dienste ist die Verwendung von ebenso standardisierten Verträgen. Dies birgt Vor- und Nachteile. Es liegt auf der Hand, dass ein wesentlicher Vorteil des Geschäftsmodells darin liegt, dass gerade kein individualisierender, iterativer und kleinteiliger Definitionsprozeß der optimalen Lösung stattfindet, sondern vorgefertigte Lösungen katalogartig bestellt werden können. Dies muss sich aus Anbietersicht auch im Vertragsprozeß widerspiegeln. Gleichwohl sind die meisten Anbieter bereit, ihre AGB durch eine Zusatzvereinbarung zu ergänzen oder in den für Kunden wichtigen Punkten abzuändern.

Gelingt das nicht, hilft deutschen Nutzern das vielfach gescholtene Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305ff. BGB), welches anders als in vielen anderen Ländern auch im B2B-Bereich eine umfassende vertragliche Inhaltskontrolle auf Angemessenheit, Transparenz und Üblichkeit der verwendeten Klauseln bietet. Allerdings kann dieses Regelwerk im B2B-Bereich durch Rechtswahl ausgeblendet werden, sodass eine erste, wichtige Weichenstellung darin liegt, welches anwendbare Recht vom Anbieter vorgesehen wird. Auch gibt das AGB-Recht dem Nutzer natürlich keine Gewähr für Vollständigkeit und Passgenauigkeit der verwendeten Klauseln auf den Geschäftsvorfall, sodass eine Analyse der Verträge im Hinblick auf die eigene Einschätzung der Risiken nicht unterbleiben sollte. Auch kontrolliert das AGB-Recht Preis und Leistungsbeschreibung nur eingeschränkt.

Eine klare Vertragstypik ist nicht definiert, es liegt somit in den Händen der Parteien ob die prägenden Vertragspflichten miet-, dienst- oder werkvertraglich ausgestaltet werden sollen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner ASP-Entscheidung im Jahr 2006 (15.11.2006, XII ZR 120/04) ausreichende Hinweise gegeben, wie die Einordnung vonstatten geht (dort: Werkvertrag).

In Anbetracht der (notwendigen) Standardisierung von Verträgen kann man von einer Vorverlagerung des Vertragsprozesses sprechen: Rechtskriterien sind in den Auswahlprozeß aufzunehmen, da echte Vertragsverhandlung nunmal nicht zum Geschäftsmodell gehört (anders gegebenenfalls bei private Cloud Angeboten). Will man etwa sensible Daten in die Cloud verlagern, kommt nur ein Anbieter in Frage, mit dem man über die Vertragsinhalte verhandeln kann oder dessen generelle Zusagen so belastbar sind, dass man sich damit zufrieden geben kann, weil sie auch die Compliance-Anforderungen im Unternehmen des Nutzers abdecken.

Falls machbar, lohnt die Aufnahme der wesentlichen Rechtskriterien bei der Auswahl des Anbieters in ein Request for Proposal (”RfP”). Naturgemäß sind Anbieter in der Auswahlphase flexibler als nach der Endauswahl. Ein vergleichweise geringfügiger, aber in der Auswirkung wichtiger Punkt ist wie oben dargestellt die Auswahl des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstands.


Fazit: Augenmaß statt Paranoia!

Cloud Computing ist rechtlich ohne weiteres möglich. Nutzer müssen sich vorab sorgfältig mit dem Vertragswerk der Anbieter auf ihrer ”Shortlist” auseinandersetzen und daraus eine eigene Risikoanalyse ableiten. Vertragsfragen sind möglichst in die Auswahlentscheidung einzubeziehen. Insgesamt scheint die Devise ”Augenmaß statt Paranoia” ein guter Ratgeber zu sein. Nutzer sollten die Chancen nutzen, Rechtsbedingungen zu ”rightsizen” und sich dafür spezialisierten Rechtsrat einkaufen.