Trend in Prozent 2012

Was CIOs wirklich tun und denken

29.11.2012
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Mehr CIOs denn je sind heuer dem CFO unterstellt. Lesen Sie, was die Analyse der Bewerbungen zum "CIO des Jahres" sonst noch über die Unternehmens-IT verrät.
Foto: Fotolia/Phototom

Wenn Marktauguren Trends prognostizieren, gehen sie meist ein gut kalkulierbares Risiko ein: Einige Entwicklungen lassen sich mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit voraussagen; dazu gehören im IT-Bereich sicher der Siegeszug der Tablet-Computer und die allmähliche Akzeptanz des Cloud Computing - zunächst in Form der Private Cloud.

Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner, wie übrigens in jedem Jahr, seine Top-Trends für die folgenden zwölf Monate. Mit den Bewerbungsunterlagen für den Wettbewerb "CIO des Jahres" machte die Computerwoche die Probe aufs Exempel. Sie fragte die Bewerber: Welche Rolle spielen die von Gartner identifizierten Topthemen für Sie?

Um einen Einwand gleich zu entkräften: Nein, eine solche Umfrage genügt selbstverständlich nicht den Ansprüchen an eine repräsentative Marktstudie. Aber sie kann Tendenzen bestätigen. Das große Interesse an Tablets und mobilen Anwendungen beziehungsweise Interfaces ist jedenfalls keine Überraschung. Dass vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen mit dem Cloud Computing liebäugeln, wird auch niemandem mehr ein Ah und Oh entlocken. Die Gründe für diese Präferenz sind vergleichbar mit etwa denen für das große Interesse an energiesparender Server-Technik: Es geht darum, die Kosten zu senken.

Big Companies - Big Data

Geht es um Themen wie Big Data, Analytics der nächsten Generation und In-Memory- Computing, winken die kleineren Betriebe häufig ab. Wie aus den Antworten hervorgeht, haben sich einige von ihnen überhaupt noch nicht damit auseinandergesetzt.

In den Großunternehmen wird dieser Themenkomplex hingegen lebhaft diskutiert. Was dabei ins Auge springt, ist das Interesse am In-Memory-Computing, vermutlich angekurbelt durch das massive Marketing, das SAP für seine Applicance HANA betreibt. Vier von fünf der teilnehmenden Großunternehmen gaben an, dieses Thema treibe sie um. Allerdings mussten die meisten von ihnen einräumen, dass sie noch keine praktischen Erfahrungen gesammelt hätten. HANA-Projekte sind noch mit der Lupe zu suchen.

Mit kontextuellen Applikationen wie Local-based Services oder Augmented Reality können bislang nur wenige IT-Chefs etwas anfangen. Das gilt für die Konzern-CIOs wie für die mittelständischen IT-Verantwortlichen. Hier sollten sie eventuell das Gespräch mit den Marketing-Leitern im Unternehmen suchen. Auch die Bedeutung, die Gartner dem "Internet der Dinge" beimisst, erschließt sich noch wenigen.

Entwicklungspotenzial darf sicher den App Stores beigemessen werden. Immer mehr Unternehmen richten interne Anwendungskioske ein, über die vor allem die mobilen Anwender ihre Produktivitäts-Tools beziehen sollen. Sinn und Zweck dieser Maßnahme ist es, den sprichwörtlichen Wildwuchs einzudämmen. Für einige wenige CIOs hat dieses Thema heute schon extrem große Bedeutung. Viele andere sehen es immerhin als wichtig an - auch wenn jeder zweite das bislang noch nicht bemerkt hat.

Gute und schlechte Nachrichten

Die Abfrage der Gartner-Trends war Novum im diesjährigend Wettbewerb. Daneben stellte der Fragebogen wie jedes Jahr auch Standardfragen, die sich auf die hierarchische Postion, das Budget und die Hauptaufgaben des jeweiligen CIO bezogen.

Eine gute Nachricht vorweg: Es gibt zumindest einen CIO in einem mittelständischen Unternehmen, der zwar heute noch an den Finanzchef berichtet, in Kürze aber direkt der Geschäftsführung unterstellt sein wird. Die Begründung dafür lautet, dass die organisatorische Aufhängung dann wohl eher der tatsächlichen Bedeutung der IT für das Unternehmen entspreche.

Nun die schlechte Nachricht: Einem Standeskollegen aus einem Großunternehmen widerfuhr genau das Gegenteil. Ihm wurde Ende des vergangenen Jahres der CFO vor die Nase gesetzt.

Unter der Fuchtel des CFO

Diese beiden Einzelfälle sind gewissermaßen signifikant. Im Mittelstand hat die deutliche Mehrzahl der CIOs (62 Prozent) direkt mit der Unternehmensführung zu schaffen, während in den Unternehmen mit einer mindestens 2000-köpfigen Belegschaft nur jeder fünfte den direkten Draht zum Vorstand hat. In diesen Betrieben müssen 45 Prozent der CIOs mit dem Finanzchef darüber verhandeln, was das Unternehmen auf der IT-Seite benötigt.

Damit verstärkt sich heuer ein Trend, der sich schon in der Befragung des vergangenen Jahres deutlich abzeichnete: Vor allem in den Großunternehmen stehen viele CIOs unter dem direkten Einfluss des Finanzressorts.

Das Budget-Tal ist durchschritten

Immerhin haben die IT-Budgets - zumindest vorläufig - das Tal durchschritten. Nachdem sich die IT-Bereiche in den vergangenen Jahren gnadenlos auf Effektivität getrimmt haben, dürfen sie jetzt auch wieder etwas mehr Geld ausgeben, um ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen: das Unternehmen mit innovativen Projekten voranzubringen.

Insgesamt konnten sich die CIOs 2012 über eine deutliche Budgetsteigerung gegenüber dem Vorjahr freuen. 55 Prozent der Großunternehmen und 75 Prozent der Mittelständler geben heuer mehr Geld für die IT aus als 2011. Nur ein Viertel der IT-Verantwortlichen in Konzernen und zwölf Prozent ihrer Kollegen in kleineren Betrieben müssen Einsparungen hinnehmen. Im vergangenen Jahr waren es noch 46 beziehungsweise 21 Prozent.

Trotzdem ist anscheinend immer noch zu wenig Geld für innovative Projekte vorhanden. Den Angaben der CIOs zufolge verwenden die IT-Bereiche rund 70 Prozent ihrer finanziellen Mittel darauf, den Laden am Laufen zu halten. Das "Run"-Budget steht in Großunternehmen für durchschnittlich 71 Prozent der Gesamtausgaben, in den kleineren Unternehmen immer noch für 68 Prozent. Für "Change" bleibt da nicht viel.

Sehr zentral und standardisiert

Hinsichtlich der strategischen Ausrichtung haben die Effizienzbestrebungen der CIOs deutliche Spuren hinterlassen: Es zeichnet sich ein Hang zur Zentralisierung und Standardisierung ab. In den Großunternehmen nennen 79 Prozent der IT-Verantwortlichen ihre Strategie "zentral" oder sogar "sehr zentral". In den kleinen und mittleren Betrieben sind es sogar 97 Prozent. Eine "eher dezentrale" Ausrichtung der IT ist demnach kaum noch anzutreffen.

Auch "Best of Breed" ist aus der Mode gekommen. 58 Pozent der IT-Chefs in Großunternehmen und drei Viertel der Mittelstands-CIOs setzen auf die Standardisierungskarte, um die Komplexität - und damit die Kosten - ihrer IT gering zu halten. Die Verfechter einer Best-of-Breed-Philophie sind in kleinen Unternehmen fast völlig verschwunden (sechs Prozent), in den Konzernen auf eine exklusive Minderheit von gerade mal 16 Prozent geschrumpft.

Am Reizthema Outsourcing scheiden sich die Geister. Tendenziell lagern die großen Unternehmen mehr aus als als die kleinen. Aber hier ist auch die Anzahl derjenigen höher, die prinzipiell den Eigenbetrieb ihrer IT-Systeme präferieren.

Die meisten sind auf Xing

Xing ist King - auf diese Formel lässt sich die Social-Media-Nutzung der CIOs bringen. Vor allem im Mittelstand ist die deutsche Business-Plattform nahezu allgegenwärtig. In den Großunternehmen muss sie sich die Zuneigung der CIOs mit ihrem internationalen Pendant LinkedIn teilen, das seit dem vergangenen Jahr mächtig aufgeholt hat. 2011 hatten nicht einmal 40 Prozent der Konzern-CIOs dort ein Profil angelegt. Heute sind es bereits 60 Prozent.

Auch Facebook hat an Beliebtheit gewonnen. Google+ hingegen trägt die Bürde des Zuspätkommers: Bislang erreicht es bei den CIOs gerade mal 20 Prozent. Und Twitter spielt als Social-Media-Plattform für CIOs lediglich eine untergeordnete Rolle.

Social-Muffel in den Konzernen

Die IT-Chefs der mittelständischen Firmen sind offenbar samt und sonders auf sozialen Plattformen unterwegs. Das kann man von den Konzern-CIOs nicht behaupten. Immerhin 25 Prozent gaben an, kein einziges dieser Netzwerke zu nutzen. Auf der anderen Seite stehen jedoch 30 Prozent, die auf vier, fünf oder sogar sechs unterschiedlichen Plattformen zu Hause sind.

Im Mittelstand konzentrieren sich die CIOs mehrheitlich auf ein oder zwei Netzwerke. Das sind meist Xing und Facebook oder auch Xing und LinkedIn.

Kommunikation und Strategie

Die Frage, womit ein CIO seinen Arbeitstag verbringt, lässt sich immer noch in drei Worten beantworten: Personalführung, Kommunikation, strategische Planung. Durchschnittlich ein Fünftel seiner Zeit

widmet er dem Personalthema, fast ebenso viel dem Gedankenaustausch mit den Fachbereichen und etwas mehr als ein Zehntel der Kommunikation mit der Geschäftsführung.

Die strategische Planung gehört ebenfalls zu den wichtigsten Aufgaben der CIOs. Das gilt vor allem in den Großunternehmen, wo die IT-Chefs 20 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden. Gegenüber dem Vorjahr hat die Beschäftigung mit dem Dienstleis-ter-Management leicht zugenommen. Aber insgesamt sind die Unterschiede von 2011 zu 2012 sowie zwischen großen und kleinen Organisationen zu vernachlässigen.