Kraft- und Energiequelle

Warum positive Emotionen so wichtig sind

28.12.2023
Von 
Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska in Wien, das unter anderem Coaches ausbildet. Seit 1990 ist Prohaska in der Aus- und Weiterbildung als Wirtschaftspsychologin tätig und hält Seminare für Führungskräfte und MitarbeiterInnen. Sie arbeitet auch als systemisch - lösungsorientierter Coach im Unternehmenskontext und in eigener Praxis.
Positive Emotionen sind der Motor für unsere persönliche Entwicklung – beruflich und privat. Also sollten wir in unserem Alltag möglichst viele Momente schaffen, in denen wir uns über unser Leben und Tun freuen.
Kleine Erfolgserlebnisse und erfreuliche Begegnungen erzeugen positive Emotionen wie Freude und Zufriedenheit.
Kleine Erfolgserlebnisse und erfreuliche Begegnungen erzeugen positive Emotionen wie Freude und Zufriedenheit.
Foto: KieferPix - shutterstock.com

"Lachen ist gesund." "Lachen ist die beste Medizin." "Humor ist, wenn man trotzdem lacht." Solche Sinnsprüche kennt jeder. In ihnen spiegelt sich die menschliche Erfahrung wider, dass Menschen, die eine positive Einstellung zu sich und ihrem Leben haben, Herausforderungen leichter meistern - beruflich und privat.

Sie sind zudem gesünder und haben eine höhere Widerstandskraft. Das haben auch die Medizin und Psychologie erkannt und versuchen, diese Erkenntnis wissenschaftlich zu objektivieren und gezielt zu nutzen. Auch in die betriebliche Gesundheitsprävention fließt sie zunehmend ein.

Ein Vorreiter dieser Entwicklung war die US-amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson. Sie stellte 1998 die Broaden-and-Build-Theorie vor. Diese geht davon aus, dass positive Emotionen wie Freude, Interesse, Zufriedenheit und Zuneigung unser Denk- und Verhaltensrepertoire erweitern ("Broaden"). Sie fördern zudem unsere geistige Flexibilität und Kreativität, unsere Lust, Neues zu lernen und zu entdecken, sowie unsere Fähigkeit und Bereitschaft, soziale Beziehungen einzugehen und aktiv zu pflegen.

Durch dieses Offen-sein sammeln wir wiederum neue, positive Erfahrungen - beispielsweise in Form kleiner Erfolgserlebnisse und erfreulicher Begegnungen. Und diese erzeugen wiederum positive Emotionen, so dass wir mit der Zeit, so Fredrickson, eine Art Vorrat positiver Emotionen und Erwartungen aufbauen, der es uns erleichtert, auch unangenehme Situationen zu ertragen und Herausforderungen zu meistern.

Positive Emotionen stärken unsere Widerstandskraft

Positive Emotionen bilden für Fredrickson sozusagen den Nährstoff für persönliches Wachstum. Und wenn wir einen entsprechenden Lebensstil pflegen? Dann gelangen wir der Broaden-and-Build-Theorie zufolge in eine Aufwärtsspirale, die zu einem immer größeren Selbstvertrauen und Wohlbefinden führt.

Doch nicht nur dies. Inzwischen wiesen schon viele Forscher nach, dass positive Gefühle auch eine gesundheitsfördernde Wirkung haben:

- das Herzkreislaufsystem wird gestärkt,

- die Antikörperproduktion wird forciert und

- die Entzündungsreaktionen verringern sich.

Positive Emotionen steigern also außer unserer psychischen auch unsere physische Widerstandskraft. Sie wirken wie kleine Kraftmaschinen, die unsere körperliche und geistige Gesundheit und somit unsere Leistungsvermögen stärken. Also sollten wir unser Leben so gestalten, dass es möglichst viele kleine Mikro-Momente voller positiver Emotionen enthält, die wir bewusst wahrnehmen. Und Unternehmen? Sie sollten die Arbeit und das Arbeitsumfeld ihrer Mitarbeiter so gestalten, dass solche Mikro-Momente des Glücks und der Zufriedenheit möglich sind.

Mikro-Momente von Glück schaffen und erleben

Ein Manko hierbei ist: Positive Emotionen sind meist weniger intensiv als negative. Wenn uns zum Beispiel unser Chef vor versammelter Mannschaft "anpflaumt", schnellt - bildhaft gesprochen - unser Gefühlsbarometer stärker nach oben, als wenn er uns öffentlich lobt. Zudem verarbeitet unser Körper die negativen Emotionen priorisiert. Deshalb nehmen wir positive Emotionen seltener und zumeist weniger stark und anhaltend als negative wahr.

Also sollten wir, wenn wir die Kraftquelle "positive Emotionen" zum Beispiel beruflich nutzen möchten, uns bewusst auf diese konzentrieren. Das heißt, wir sollten in unserem Arbeitsalltag gezielt Mikro-Momente schaffen, in denen wir positive Emotionen empfinden, und, wir sollten diese Momente bewusst erleben. Das kann zum Beispiel die Freude über ein nettes Gespräch mit Kollegen oder eine erledigte (Teil-)Aufgabe sein.

Positive Momente finden

Inwieweit wir eher positiv denkende Menschen sind, ist teilweise auch genetisch bedingt. Trotzdem ist diese Eigenschaft erlernbar - jedoch nicht von heute auf morgen. Einstellungsänderungen, aus denen Verhaltensänderungen resultieren, sind stets ein Langzeitprojekt. Und ob wir das Ziel erreichen, hängt auch davon ab, wie viel Positives wir bereits auf dem Weg dorthin erfahren und empfinden. Also sollten wir uns, wenn wir eine nachhaltige Verhaltensänderung anstreben, fragen: Wie können wir die Verhaltensänderung mit positiven Emotionen verknüpfen? Mögliche Ansätze hierzu sind:

- etwas finden, das uns Spaß macht und motiviert,

- auf kleine Unterschiede/Fortschritte achten, auf die wir stolz sein können,

- etwas mit anderen Menschen tun,

- die Aktivität möglichst attraktiv gestalten,

- ein angenehmes Umfeld schaffen,

- die Ansprüche an uns nicht zu hoch schrauben,

- uns auch für Teilerfolge belohnen.

Zudem sollten wir nicht aus einem Gefühl "Ich muss…", sondern "Ich sollte…" oder "Es tut mir gut, …" heraus agieren. Vermuten Sie also zum Beispiel, wenn Ihr Chef Ihnen eine neue, anspruchsvollere Aufgabe überträgt, dahinter nicht gleich eine böse Absicht: "Der hat mich auf dem Kieker und will mich fertigmachen." Fragen Sie sich vielmehr: Was ist das Gute daran? Zunächst: Ihr Chef traut Ihnen das Erledigen der Aufgabe offensichtlich zu. Vielleicht eröffnet Ihnen die neue Aufgabe auch den nötigen Spielraum für eine Gehaltserhöhung oder mittelfristig eine neue Position…. Wenn Sie so reagieren, erscheint die neue Herausforderung in einem anderen Licht.