Internationalisierung spiegelt Geschäftsverlauf

Update: SAP vor umfassendem Vorstands- und Kurswechsel

25.03.2008
Der Softwarekonzern SAP steht vor einem der gravierendsten Kurswechsel in seiner Unternehmensgeschichte. Die Softwareschmiede plant offenbar einen umfassenden Umbau des Vorstands.

Mit den neuen Köpfen soll aber nicht nur frischer Wind in die SAP-Konzernzentrale in Walldorf einziehen. Der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware wird künftig beim Spitzenmanagement deutlich internationaler. Damit passt sich der DAX-Konzern auf Führungsebene seiner Geschäftsstrategie an: Der weit überwiegende Teil von Umsatz und Gewinn wird im Ausland erzielt. Nur noch rund ein Drittel der Beschäftigten sitzt in Deutschland.

Der Softwarekonzern schweigt zwar offiziell zu Medienberichten über den Umbau des Vorstands. Dass die Walldorfer an einer neuen Konzernstrategie arbeiten, deutet sich aber bereits seit Monaten an: Mit dem Milliardenzukauf Business Objects verbuchte SAP vergangenes Jahr die größte Akquisition in der Unternehmensgeschichte. Mit dem Schritt rückte das Management bereits von der ursprünglichen Unternehmensphilosophie ab, Erfolg nur organisch zu erwirtschaften und nicht zu erkaufen. Nach dem Milliardendeal zog der Chef des französischen Analysesoftwarespezialisten, John Schwarz, in den SAP-Vorstand ein.

Apotheker als neuer SAP-Steuermann

Léo Apotheker - bald Doppelspitze mit Henning Kagermann?
Léo Apotheker - bald Doppelspitze mit Henning Kagermann?
Foto: Léo Apotheker

Schwarz soll nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" am Dienstag nicht das einzige neue Gesicht im siebenköpfigen SAP-Vorstand sein. Nach Informationen des Blatts sind Amerika-Chef Bill McDermott und der für Branchenlösungen zuständige Jim Hagemann Snabe für das Führungsgremium vorgesehen. Seit längerem hält sich zudem hartnäckig das Gerücht, dass Konzernchef Henning Kagermann der bisherige Vertriebschef Léo Apotheker als Co-Vorstandschef zur Seite gestellt werden soll. Kagermanns Vertrag endet im Mai nächsten Jahres. Dass der 60-Jährige nochmals einen Anschlusskontrakt bekommt, gilt als unwahrscheinlich. Apotheker wäre dann der neue SAP-Steuermann.

Neben altersbedingten Veränderungen ergibt eine stärkere Internationalisierung im Vorstand auch inhaltlich Sinn: SAP verdient sein Geld vor allem in den USA. Dort sitzt auch der härteste Konkurrent Oracle mit seinem Boss Larry Ellison. Amerika-Chef McDermott gilt als Architekt des SAP-Erfolgs in den USA, wo der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware seine Marktanteile kontinuierlich ausbaut. Der Manager soll neben der Region Amerika auch für den Asien-Pazifik-Raum verantwortlich sein. Der Däne Snabe ist weltweit für die Entwicklung branchenspezifischer Lösungen bei dem Softwarehaus zuständig.

Zuwächse vor allem in Asien und Amerika

In den vergangenen Jahren verbuchte SAP die stärksten Zuwächse vor allem in den Märkten in Asien und Amerika. Quartal für Quartal gab es hohe zweistellige Erlösanstiege aus dem Verkauf von Software. Während die Steigerungsraten teilweise bei deutlich über 20 Prozent lagen, betrug das Plus in Europa in der Regel etwas mehr als zehn Prozent. In Deutschland legte der Softwarekonzern zwar auch zu, das Wachstum kletterte aber kaum über die Fünf-Prozent-Hürde. Bei den Beschäftigtenzahlen zeigt sich ein ähnliches Bild: Von den aktuell knapp 44.000 Mitarbeitern im Konzern sind 14.700 in Deutschland tätig. Beim jährlichen Jobaufbau entfielen zuletzt etwa zehn Prozent auf den heimischen Markt. Die Zahl der bei SAP in Deutschland vertretenen Nationalitäten liegt bei 78.

Ob die zunehmende Internationalisierung des Vorstands einen Rutschbahneffekt für das gesamte Unternehmen in Richtung Ausland zur Folge haben wird, bleibt offen. Im Jahr 2006, als im Unternehmen heftigst über die Einführung eines Betriebsrates in Deutschland diskutiert wurde, dachte das Top-Management jedoch bereits offen über die Umwandlung in eine Europa AG und die Verlagerung der Konzernzentrale ins europäische Ausland nach.

Eindeutiger Fingerzeig bei Hauptversammlung erwartet

Ein eindeutiger Fingerzeig für die "neue SAP" wird spätestens bei der Hauptversammlung am 3. Juni in Mannheim erwartet. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der personelle Neuanfang bereits Anfang April nach einer Aufsichtsratssitzung verkündet wird. Neben Kagermanns Kontrakt endet der Vertrag von Finanzvorstand Werner Brandt 2009. Forschungsvorstand Peter Zencke ist nur noch bis Ende 2008 gebunden. Aufsichtsratschef Hasso Plattner wird den Aktionären den künftigen Kurs verkünden. Er ist das einzige Gründungsmitglied, das nach dem Start von SAP vor rund 36 Jahren noch eine aktive Rolle in dem Unternehmen spielt. (dpa/tc)