Data Warehousing

Stammdaten - der Business Case für SOA

24.09.2007
Von Jan-Henrik Fischer

Die Ausgestaltung der Lösung hängt dann von den individuellen Umständen und Anforderungen des Unternehmens ab. So sollte eine Stammdatenlösung nicht Teil eines DWH sein, wenn Unternehmen ihre enge Verzahnung mit operativen Systemen planen, da dies nach bisherigen Erfahrungen eine Prozessintegration be- oder gar verhindert. Der Aufbau – und die damit verbundene Pflege - eines zentralen MDM-Systems ist hingegen nicht sinnvoll, wenn nur wenige Stammdaten im Unternehmen zu synchronisieren sind (siehe auch "Wie man bessere Stammdaten bekommt"). Um grundsätzlich ein besseres Verständnis für die eigenen Bedürfnisse in puncto MDM zu bekommen, sollten Anwender zunächst "Pain Points" in den betrieblichen Prozessen identifizieren und deren Ursachen analysieren. So gewinnt man einen guten Überblick über die betroffenen Systeme und den Gesamtaufwand.

Wie MDM zur SOA passt

Anforderung

an ein MDM-System

an einen SOA-Service

Connectivity

Stammdaten müssen unternehmensweit zugänglich sein.

Services müssen unternehmensweit zugänglich sein.

Distribution

Stammdaten müssen aufgrund definierbarer Prozesse verteilbar sein.

Services müssen über verschiedene Systeme hinweg verteilt werden können.

Integration

Ein MDM-System sollte möglichst wenig Integrationsaufwand bereiten, wenn es von bestehenden Anwendungen benutzt werden soll.

Services müssen als Web-Services standardisiert sein. Die Integration selbst muss unabhängig vom Service erfolgen.

Sicherheit

Auf Stammdaten muss man aufgrund klar formulierter Sicherheitsregeln zugreifen können.

Services müssen über die Sicherheits-Infrastruktur vor unautorisiertem Zugriff geschützt werden können.

Audit-Fähigkeit

Der Zugriff sollte sich auditfähig gestalten lassen, so dass auch verschiedene Compliance-Policies eingehalten werden können.

Jeder Serviceaufruf sollte auditfähig sein.

Data Analysis

Die Daten müssen analysiert werden können, um sie gegebenenfalls in einen auf Unternehmensebene standardisierten Zustand zu überführen.

Keine Anforderung an einen Service.

Data Correction

Stammdaten sind besonders kritisch hinsichtlich der Datenqualität. Änderungen an Stammdaten müssen sich kontrollieren und korrigieren lassen.

Keine Anforderung an einen Service.

Data Conversion

Stammdaten müssen in verschiedene Standardformate und Attribute in verschiedene Datentypen konvertierbar sein.

keine Anforderung an einen Service

Zentrales Management

Zentrale Erfassung der Stammdaten.

Die zentrale Verwaltung von Diensten muss unternehmensweit möglich sein.

Publication

Medienunabhängige Publikation aller Daten.

Services und die Daten sollten medienunabhängig dargestellt werden.

Quelle: entnommen dem Buch "SOA goes real" von Daniel Liebhard

Zunehmend werden MDM-Systeme beim Aufbau einer Service-orientierten Architektur (SOA) empfohlen (viele Informationen zum Thema finden Sie auch im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE). Damit könnte der seit langem gesuchte erfolgversprechende Business Case für das SOA-Konzept gefunden sein. Bisher steht SOA vor allem für eine brillante, immer wieder verfeinerte Grundidee, die sich aber bisher nicht im großen Stil durchgesetzt hat. MDM könnte diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit schließen. Die Anforderungen im Stammdaten-Management ergeben sich unmittelbar aus den betrieblichen Prozessen. In diesen variieren je nach Geschäftskontext die führenden beziehungsweise abhängigen Systeme. Die Stammdaten müssen sich in diesen dynamischen Abläufen flexibel konsumieren, konsolidieren und propagieren lassen. Dies entspricht genau den Prinzipien einer SOA. Wie gut MDM und SOA tatsächlich zusammenpassen, hat Daniel Liebhart, Mitglied im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE, anhand eines Anforderungsabgleichs eindringlich aufgezeigt (siehe Tabelle "Wie MDM zur SOA passt").

Neben den Kernfunktionen, mit denen sich Stammdaten analysieren, korrigieren und konvertieren lassen, kann ein MDM-System auch alle Grundanforderungen für seine Nutzung in einer SOA erfüllen. So lassen sich Verantwortlichkeiten, Verfügbarkeiten und andere Rahmenbedingungen formulieren und die notwendige Datenqualität zentral und über klare Prozesse steuern. Die vorhandenen Systemschnittstellen lassen sich als MDM-Services abbilden und von anderen Anwendungen konsumieren. Dabei ist zwischen Consumer-, Producer-, Update- und Delivery-Services zu unterscheiden.

Mit Hilfe von Designumgebungen können Anwender unter Verwendung der "Business Process Execution Language" (BPEL) die Services zu MDM-Prozessen orchestrieren, um sicherzustellen, dass diese Prozesse tatsächlich rasch anpassbar, extrem flexibel und stark kollaborativ sind. Der Aufbau eines MDM-Systems auf SOA-Basis ist zwar eine Grundsatzentscheidung, belässt dem Anwender aber die erwähnten Architekturoptionen (siehe Grafik "Unabhängiges MDM-System").

Angesichts dieser Möglichkeiten und Vorteile fragt man sich, warum BI-Systeme erst jetzt für Schaffung konsistenter operativer und eigener Stammdaten herangezogen werden. Die Antwort liegt in der Entwicklung: BI-Systeme waren ursprünglich nicht für operative Aufgaben bestimmt. Erst durch die wachsende Bedeutung von Datenanalysen und deren Integration in betriebliche Prozesse ist die Frage nach zentralen Stammdaten wichtiger geworden (siehe auch den Beitrag "Störfaktor Stammdaten").

Ein häufiges Beispiel ist die Einführung von SAP-Standardsoftware, die zugleich mit "SAP Netweaver BI" ein speziell abgestimmtes operatives BI-System bietet. Will man dieses nutzen, ist oft die Synchronisation mit einem bereits vorhandenen Enterprise-BI-System erforderlich. Zugleich müssen aber auch die Stammdaten im ERP-System gepflegt werden (siehe auch "Stammdatenpflege geht alle an"). Beide Anforderungen lassen sich am besten von einem MDM-System abdecken. Sicher wäre es aus wirtschaftlicher und strategischer Sicht weise und vorausschauend gewesen, sich frühzeitig eine ganzheitliche Stammdatenverwaltung aufzubauen. Jede architektonische Neuerung hat jedoch ihre Zeit, und die von MDM beginnt gerade. (as)