Ratgeber VoIP: In zehn Schritten zur IP-Telefonie

Sparsam telefonieren

20.05.2005
Von Lars Reppesgaard
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Dass ein Unternehmen in einem Schritt die gesamte Kommunikation auf ein IP-basiertes Netzwerk umstellt und die klassische Telefonanlage ausmustert, ist selten. Vor allem für neu errichtete Bürogebäude ist der nahtlose VoIP-Einstieg betriebswirtschaftlich sinnvoll. Bei gewachsenen Unternehmensstrukturen muss neben technischen Neuerungen auch der Schutz bestehender Investitionen wie nicht abgeschriebener Telefonanlagen im Vordergrund stehen. Dies haben mittlerweile auch so gut wie alle Anbieter von Unternehmenslösungen begriffen. Vor allem Avaya-Tenovis und Siemens haben Konzepte für die so genannte sanfte Migration der Telefondienste entwickelt. Dabei wird das traditionelle Telefon-Equipment weiter genutzt, Neuanschaffungen werden nur für VoIP getätigt. Nach und nach stellen sich so die einzelnen Abteilungen innerhalb eines Unternehmens auf die neue Technologie um.

Unter der Oberfläche arbeitet bei diesen Szenarien ein einziges, konvergentes Netz, das Sprache und Daten verarbeitet. Nach außen hin erlaubt es aber dem Unternehmen, flexibel zu sein. Für Telefoniedienste kann eine IP-fähige TK-Anlage eingesetzt werden, die auch als IP-PBX (IP-Private Branch Exchange) bezeichnet wird. Alternativ lassen sich herkömmliche Festnetz-Telefonanlagen einsetzen, die durch spezielle IP-Module erweitert werden. Ein Mix aus analoger, digitaler und IP-basierter Technologie an jedem Arbeitsplatz kann so nebeneinander arbeiten: verkabelte und schnurlose Telefone, Applikationen und Administrationssoftware.

8 Ein Blick auf die Protokolle

Bei VoIP konkurrieren derzeit zwei Standards: H.323 wurde von der International Telecommunication Union definiert und hat aufgrund langer Entwicklungszeit bereits einen sehr hohen Reifegrad erreicht. Seit einiger Zeit löst aber ein wesentlich einfacher gestricktes Protokoll H.323 als lingua franca der Internet-Telefonie ab: das Session Initiation Protocol (SIP). Die Internet Engineering Task Force, die auch Internetprotokolle wie TCP/IP definierte, hat SIP als Signalisierungsprotokoll für Multimedia-Anwendungen entwickelt. SIP passt nahtlos zu anderen Internetprotokollen und ist wegen seiner Flexibilität die Grundlage für so gut wie alle modernen VoIP-Lösungen geworden.

SIP wurde lange nur im privaten Bereich der Internet-Telefonie genutzt. Die Integration des Standards in die IP-Telefonanlage hat den Vorteil, dass man als Kunde auf eine breitere Basis an unterstützten Endgeräten zugreifen kann, zum Beispiel auf WLAN-Telefone. Die Kompatibilität garantiert Kunden Investitionssicherheit, weil die Geräte unterschiedlicher Hersteller über SIP in konvergente Unternehmensnetze integriert werden können.

Die meisten Hersteller haben ihre SIP- und H.323-kompatiblen Produkte um proprietäre Lösungen erweitert, um ISDN-artige Komfortfunktionen zu ermöglichen wie eine Rufumleitung mit der gewohnten Tastaturkombination eines Telefons. Hier muss der Kunde abwägen, wie wichtig ihm Unabhängigkeit und Flexibilität im Vergleich mit den Funktionalitäten nicht kompatibler Zusatzelemente sind. Internationale Anbieter von VoIP-Lösungen und Hardware stellen oft überrascht fest, dass gerade deutsche Unternehmen viel Wert auf technisch nicht optimale Netzelemente legen, weil sie Liebgewonnenes aus der alten ISDN-Welt nicht missen möchten.

9 Sicher telefonieren

Auch wenn es in der Praxis bislang nur wenige Beispiele für Hacker-Attacken und andere Angriffe auf VoIP-Anwendungen gibt, muss das neue konvergente Netz - ähnlich wie das alte Datennetz - mit Firewalls, Virenscannern und anderen Abwehrmechanismen gegen virtuelle Angriffe abgesichert werden. Das Gleiche gilt für IP-fähige Endgeräte.

Besonders wichtig ist das, wenn VoIP eingesetzt wird, um auch Telefonate außerhalb des eigenen Unternehmensnetzwerkes zu führen. VoIP-Telefonate innerhalb einer Filiale oder von einer Zweigstelle zu einer anderen können kaum angegriffen werden, weil sie hinter den abgesicherten Unternehmensmauern stattfinden. Einige Unternehmen nutzen deshalb VoIP nur, um interne Gespräche billiger als bisher zu führen, und gehen bei externen nach wie vor den Weg über die klassische Telefonanlage. Sinnvoll ist es in jedem Fall, bereits bei der Konzeption das Sprachnetz virtuell vom Datennetz zu trennen, obwohl beide auf den gleichen Festplatten liegen und dieselben Glasfaserkabel nutzen. So wird vermieden, dass der Ausfall eines Kommunikationskanals alle anderen Kanäle erfasst.

Bei extrem geschäftskritischen Kontakten - etwa bei Telefonaten des Vorstands oder bestimmter Entwickler - sollte der VoIP-Verkehr verschlüsselt werden. Technisch ist das noch einfacher als die Absicherung sensibler Telefonleitungen, die schon in der klassischen Telefonwelt üblich war.

10 Mehr als Telefonie