Siemens stellt interaktives Lifeworks-Konzept vor

Softswitch beseitigt Kommunikationshürden

18.07.2003
MÜNCHEN (pg) - Medienbrüche sollen in der Kommunikation bald der Vergangenheit angehören. Der Siemens-Geschäftsbereich ICN hat mit "Lifeworks" ein Konzept angekündigt, das sowohl Netzbetreibern, Großanwendern als auch kleinen und mittelständischen Firmen eine netze-, endgeräte- und anwendungsübergreifende Plattform bietet.

Thomas Ganswindt, Vorsitzender des Bereichsvorstands Information and Communication Networks (ICN) der Siemens AG, stellt der TK-Branche kein gutes Zeugnis aus. "Der Industrie ist es in den letzten Jahren nicht gelungen, für die Nutzer einen Mehrwert zu schaffen", prangert der ICN-Chef auch die Entwicklungspolitik im eigenen Haus an. Heute, so Ganswindt, gebe es zwar eine Vielzahl an Netzwerkdiensten wie Sprachservices im Festnetz oder Mobilfunk, Fax, E-Mail, SMS oder Unified Messaging, dabei handle es sich aber um unterschiedliche Netze, die keine durchgängige Kommunikation erlauben.

Technik-Mix in einer Domäne

Diese fragmentierte Kommunikationslandschaft hat nach Ansicht des Siemens-Managers nicht nur eine Vielzahl an Passwörtern, Adressbüchern und Endgeräten zur Folge, sondern ist für Unternehmen auch ineffektiv und kostspielig. Ein Missstand, der sowohl für Absender wie auch Adressaten gilt. Für den Übermittler, weil er häufig nicht weiß, mit welchem Medium er die Zielperson am besten adressiert. Für den Empfänger, weil die Botschaft möglicherweise über mehrere Dienste (Voice-Mail, E-Mail, Fax, SMS) an ihn gerichtet wurde und die Bearbeitung deshalb mehr Zeit kostet. Die Einführung von IP-basierenden Infrastrukturen hat laut Ganswindt in den letzten Jahren zwar zu einer Kostensenkung geführt, die Anbieter seien bisher aber weitgehend ihr Versprechen schuldig geblieben, neue, netzeübergreifende Anwendungen und Dienste zu entwickeln.

Glaubt man Siemens, soll jetzt aber die Zeit für IP-Applikationen der zweiten Generation und die Beseitigung der Kommunikationsschranken reif sein. Mit Lifeworks kündigt der Konzern ein ganzheitliches Konzept für Netze und Anwendungen an, das die unterschiedlichen Kommunikationstechniken unabhängig von Ort, Netzart und eingesetzten Applikationen integrieren soll.

Technisch wird dies laut ICN durch die Kombination der Carrier-Technik "Surpass" mit dem Enterprise-Pendant "Hipath" zu einem Softswitch realisiert. Ganswindt zufolge wurde dabei die Vermittlungstechnik mit Anwendungen und Features aus dem Enterprise-Geschäft zu einer Plattform verschmolzen, wobei der Standard Session Initiation Protocol (siehe Kasten "SIP") laut Bernd Kuhlin, Leiter des Geschäftsbereichs Enterprise Networks, eine tragende Rolle spielt. Das heißt, der Softswitch fasst beide Bereiche zu einer Domäne zusammen und soll als zentraler Server für eine netzeübergreifende Kommunikation ohne Medienbruch sorgen. Der Aktionsradius von Lifeworks reicht dabei Siemens zufolge vom festen Arbeitsplatz über mobile Mitarbeiter bis hin zum Teleworker im Homeoffice. Dabei ist insbesondere die Integration externer Personen und Endgeräte von Bedeutung, weil der Anteil der bürogebundenen Kommunikation rückläufig ist (siehe Grafik).

Siemens wird Lifeworks in drei Kategorien vermarkten: zum einen für Netzbetreiber und Managed-Service-Provider, zum anderen für Großunternehmen. Beide Zielgruppen können Lifeworks durch den Einsatz von Softswitches in Eigenregie als gehostete Lösung betreiben. Drittens in Gestalt der Software "Highpath Openscape", mit der auch kleine und mittelständische Unternehmen eine Kommunikationsdrehscheibe für den Eigenbedarf einrichten können.

Die Softwareplattform "Openscape", mit der sich Festnetz-, Mobilfunk- und Wireless-Funktionen in Collaboration-Anwendungen integrieren lassen, haben die Münchner in Zusammenarbeit mit Microsoft für den angekündigten "RTC Server 2003" entwickelt. Openscape ist deshalb zunächst nur in Kombination mit diesem Server in Windows-Server-2003-Umgebungen lauffähig, soll laut Kuhlin aber auch an andere OS- und Collaboration-Systeme angepasst werden. Während bei den Betriebssystemen derzeit also noch eine Beschränkung auf das Microsoft-OS besteht, wird Openscape laut Siemens zumindest herstellerunabhängig auf jeder IP-Infrastruktur einsatzfähig sein.

Mit dem jetzt fertig entwickelten Produkt haben Anwender, so Kuhlin, die Möglichkeit, alle Kommunikationsvorgänge medien- und netzneutral ohne Bruch zu organisieren und zu vereinfachen. Zu den unterstützten Diensten zählen Festnetz- und Mobilfunktelefonie, Video, Messaging, Voice-Mail und SMS. Außerdem beherrscht das System Collaboration-Applikationen wie Web-Conferencing, Whiteboarding und Document Sharing.

Die eigentliche Effizienz des Systems entsteht jedoch dadurch, dass jeder Anwender über eine einheitliche Oberfläche per Mausklick selbst die Regeln für seine Kommunikation festlegt, beispielsweise über welches Medium er wann und wo adressierbar ist. "Damit wird das Ratespiel beendet, wo jemand erreichbar ist", lobt Kuhlin den Zeit- und Kostenvorteil. Über das Inbound-Management hinaus wird der Nutzer in Openscape durch "Buddy"-Listen über die Erreichbarkeit der Kollegen informiert. Laut Siemens kann er beispielsweise per Mausklick eine Ad-hoc-Konferenz mit allen Mitgliedern einer Arbeitsgruppe einleiten, egal wo sich diese befinden und über welches Medium sie erreichbar sind.

Solche Collaboration-Features sind an sich nichts Neues, weil aus Groupware- oder Instant-Messaging-Systemen wie beispielsweise "Sametime" bekannt. Laut Kuhlin besteht der durch Openscape erzeugte Mehrwert jedoch darin, dass diese aus der IT kommenden Kommunikationsformen nun in Echtzeit unabhängig vom Endgerät und Netz zur Verfügung stehen. Der Manager weiter: "Damit wird die Realtime-Kommunikation Bestandteil des Business Workflow."

Während Openscape die Lifeworks-Komponente für kleine und mittelständische Firmen ist, verkörpern die Softswitches "Surpass Business Connection" und "HiQ 8000" die Lösungen für Carrier und Großunternehmen. Laut Siemens setzen bereits ein US-amerikanischer Netzbetreiber sowie IBM die Systeme ein.

Outsourcing-Potenzial schaffen

Beide Softswitch-Produkte können beliebig im Netz installiert werden und machen als Hosted Service alle Leistungsmerkmale und Hipath-Anwendungen zentral über das IP-Netz zugänglich. Große Organisationen sind laut Kuhlin dadurch in der Lage, ihre Kommunikationsinfrastruktur in einem Rechenzentrum zu konzentrieren und auf diese Weise den Administrations- und Wartungsaufwand zu reduzieren.

Lifeworks bietet Netzbetreibern und Großanwendern nach Ansicht Ganswindts den Vorteil, nicht nur ihre Netze für den Eigenbedarf zu konsolidieren, sondern auch als Managed-Service-Provider zu agieren. Das heißt, sie können für Dritte das gesamte IP-Servicespektrum und die Infrastruktur vorhalten und betreiben. Außerdem lassen sich neue IP-Applikationen entwickeln und über Schnittstellen auf die Softswitches aufspielen. Dadurch, so Ganswindt, könnten Teilnehmer gewonnen und wieder mehr Umsätze generiert werden.

Session Initiation Protocol (SIP)

SIP ist ein Standard der Internet Engineering Task Force (IETF) für ein Signalisierungsprotokoll, das Sitzungen mit zwei und mehr Teilnehmern aufbauen, modifizieren und beenden kann. Dieses textorientierte Protokoll, das auf HTTP basiert, dient der Übertragung von Echtzeitdaten über paketgestützte Netze. Es ermöglicht Class-Features (Custom Local Area Signalling Service) wie etwa die Übermittlung der Identität des Anrufers oder die Anrufweiterleitung in IP-Netzen. Das Protokoll ist für die Gesprächssignalisierung, das Lokalisieren von Anwendern und die Registrierung verantwortlich. Die Dienstgüte, Verzeichniszugriffe und die Sitzungsprozeduren werden von anderen Protokollen übernommen.

Abb: Wandel in der Unternehmenskommunikation

Der Anteil der bürogebundenen Kommunikation nimmt in Firmen ab. Quelle: ITAC