Herbert Schmitz, Gothaer

Service-Orientierung bricht alte Strukturen auf

29.11.2006
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Mit einem fachlichen Servicemodell und einer SOA-Infrastruktur überwand Herbert Schmitz die Spartengrenzen der Gothaer Versicherungen.

Vom CIO zum Chief Integration Officer: So beschreibt Herbert Schmitz, Vorstandschef der Gothaer Krankenversicherungen, seinen Werdegang. Das Motto steht zugleich für das wichtigste Vorhaben, das er in den vergangenen Jahren gestemmt hat: Die Transformation der klassischen Spartenorganisation des Gothaer-Konzerns in ein spartenübergreifendes Geschäftsmodell, basierend auf einer Service-orientierten Architektur (SOA). Dass der promovierte Wirtschaftswissenschaftler auch im Konzernvorstand der Gothaer Versicherungen sitzt, hat ihm dabei geholfen. In dem Führungsgremium zeichnet er nicht nur für das Thema Konzernarchitektur verantwortlich sondern auch für die Bereiche Human Resources, Betriebsorganisation und Allgemeine Verwaltung/Zentrale Dienste.

Erfolgsbausteine

- Partnerschaft zwischen Fachbereich und IT;

- Dienstleistungsmentalität (Change-Management-Kultur);

- Aufbau einer fachlich getriebenen Service-orientierten Architektur;

- Trennung von IT-Demand und -Supply schafft Transparenz;

- Industrialisierung der Geschäftsvorfall-Bearbeitung;

- der Kunde als Ziel allen Handelns (CRM, Scoring, Kontakthistorie etc.);

- Kostensenkung;

- Standardisierung von Prozessen und Produkten;

Abschied vom Silodenken

Die verkrusteten Strukturen vieler Versicherer sind nicht nur historisch bedingt, erläutert er die Hintergründe. In Deutschland schreiben Gesetze die Spartentrennung ausdrücklich vor. So darf etwa ein Krankenversicherer keine Autohaftpflicht anbieten. Daraus erklären sich die zahlreichen Einzelgesellschaften etlicher Versicherungskonzerne. Als Allspartenversicherer hatte auch die Gothaer in ihrer 185-jährigen Geschichte Prozesse und IT-Systeme spartenspezifisch ausgerichtet. Im Lauf der Zeit bildete sich daraus eine "Wagenburgmentalität", wie es Schmitz ausdrückt. "Keiner ließ den anderen in seine Systeme schauen, es fehlte eine Gesamtsicht auf den Kunden." Das "Silodenken" führte in der IT zu redundanten Systemen und Funktionen; zahlreiche Übernahmen und Fusionen verstärkten diese Entwicklung noch: "Wir arbeiteten beispielsweise mit vier verschiedenen Anwendungen für das Inkasso, mehreren Partnerdatenbanken und einer äußerst heterogenen IT-Infrastruktur."

Integration und verminderte Komplexität lauteten deshalb die durch SOA unterstützten Ziele, berichtet der Konzernvorstand, der dem Hype-Thema ansonsten durchaus kritisch gegenübersteht: "Alle springen derzeit auf diesen Zug auf, die Softwarehersteller kleben einfach 'SOA inside' auf ihre Produkte." Dabei seien die Prinzipien Service-orientierter Architekturen alles andere als neu. "Services kapseln, Schnittstellen klar definieren, Komponenten nach dem Lego-Prinzip kombinieren - das alles gab es doch schon früher." Im Zuge der aktuellen Diskussion würden diese Prinzipien nur weitergedacht, hinzu kämen neue Instrumente und Standards, die die Umsetzung erleichterten.