Server-Blades revolutionieren die Racks

06.12.2001
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.
Ein einfaches Blade ist ein Server auf einem Board. Die stärkere Variante ist zwei Boards breit. (Quelle: Dell)
Ein einfaches Blade ist ein Server auf einem Board. Die stärkere Variante ist zwei Boards breit. (Quelle: Dell)

Nichts ist bisher vom Zweitplatzierten im Server-Markt, Sun Microsystems, zu hören. Allerdings hat das Marketing des Unternehmens die Zeichen der Zeit erkannt: Es gibt zwei Server mit dem Namen Blade. Die aber haben allenfalls die Packungsdichte auf dem Board mit der neuen Rechnerklasse gemein. Um eine massive Ansammlung von CPUs in einem Rack bei gleichzeitiger Konsolidierung von I/O und System-Management geht es hier nicht. Aber das könnte nur eine Sache der Nachfrage sein.

Vergebliches Hoffen auf Standards

Noch scheint das Interesse der Kundschaft - der primären Zielgruppe, den ISPs, ASPs und Dot-Coms, geht es ja alles andere als gut - verhalten zu sein. Anfang August hat RLX die Preise der Blades je nach Ausstattung und Bestellmenge um 16 bis 31 Prozent gesenkt. Das einfachste Board kostet jetzt knapp 1000 Dollar. Möglicherweise war dieser Nachlass auch notwendig, um einen signifikanten Marktanteil zu erringen, bevor die Lawine der Intel-basierenden Blades ins Rollen kommt. Dell-Manager Owen könnte mit seiner Beobachtung, dass die Kunden auf Intel bestehen würden, Recht gehabt haben.

Angesichts der sich abzeichnenden Intel-Phalanx der Branchengrößen könnten Anwender auf so etwas wie Industriestandards hoffen. Immerhin stimmen die ersten Architekturen in der Nutzung des cPCI-Busses überein, und alle Hersteller wollen möglichst bald die bedeutend durchsatzstärkere "Infiniband"-Architektur nutzen. Übereinstimmung gibt es auch in der Trennung zwischen Rechner plus Festplatten auf den Blades und dem hinteren Teil des Chassis mit Stromversorgung, Kühlung, Netzanschlüssen sowie internen Systemverbindungen.

Das entscheidende Teil zwischen beiden funktionalen Einheiten ist die Mid-Plane. Tatsächlich bezeichnet Dell-Manager Owen dieses Bauelement als den "Hauptansatzpunkt für einen Standard". Damit würde man "etwas wiederholen, was die Geschichte der PCs auszeichnet und ihren Erfolg gesichert hat: offene Systemarchitektur". Ein standardisiertes Mid-Plane würde es erlauben, Blades verschiedener Hersteller auf einem Chassis einzusetzen. Doch große Hoffnungen mochte Owen nicht machen.

Denn diesmal dominiert nicht ein Hersteller, wie einst IBM bei den PCs, die Entwicklung. Und es gilt nicht, einen ganz neuen Markt zu erschließen, sondern nur, so Owen, "den ungebrochenen Ressourcenhunger der Anwender" zu stillen. Im Klartext bedeutet das: Die Hersteller müssen nicht den Markt bereiten, sondern erwarten eine starke Nachfrage nach Blade-Systemen. Damit bestimmen sie das Geschehen. Entsprechend ist nichts über Gespräche der Hersteller zur Standardisierung von Bauteilen der Blade-Server bekannt.

Wenn der Markt wirklich so groß sein sollte, reicht er für jeden Hersteller mit cleverem Marketing, ohne dass er sich einer durch Standardbauteile noch schärferen Konkurrenz aussetzen müsste. Standards, das wissen die heutigen Server-Großanbieter aus ihrer PC-Vergangenheit, erleichtern Newcomern im Markt den Start und bereiten großen Firmen alsbald Schwierigkeiten. Es ist für das Server-Establishment günstiger, mit inkompatiblen Blade-Servern um die Kunden zu konkurrieren. Die Leistung ihrer Hardware wird dabei immer einigermaßen auf einem konkurrenzfähigen Niveau bleiben.

Entscheidend für den Markterfolg wird unter solchen Voraussetzungen die Software, insbesondere die Programme zur Systemüberwachung. "Das wird der Casus Knacksus", bestätigt Compaq-Sprecher Herbert Wenk. Dabei geht es um Software, die über klassische Administrationsprogramme für große Server oder Cluster hinausgeht. Ein solcher Systemüberwachungsmonitor ist beispielsweise der "Insight-Manager" von Compaq, der es gestattet, sämtliche Blades und damit die CPUs in einem Rack von einer Management-Konsole aus zu kontrollieren und zu steuern.

Selbstbeherrschung ist alles

Monitorsoftware dieser Art arbeitet als Zusatzmodul unter den eigentlichen Systemadministrationsprogrammen wie "Tivoli" (von IBM), "Unicenter" (CA) oder "Openview" (HP). Sie überwacht in ihrer jetzigen Entwicklungsstufe bei Compaq rund 1600 Systemparameter, analysiert Ereignisse, sich abzeichnende Engpässe und den CPU-Bedarf. Sie soll möglichst automatisch auf Systemzustände reagieren; das heißt, sie soll mehr können, als beispielsweise nach vorher festgelegten Zeitplänen den CPUs bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Alle großen Anbieter haben aufwändige Entwicklungen für die Verbesserung dieser erweiterten Systemadministration angekündigt, wobei die automatische Reaktion der Software auf Ereignisse und Anforderungen im Vordergrund steht.

Es ist schon heute abzusehen, welcher Hersteller von Blade-Servern das beste Geschäft machen wird: derjenige mit dem flexibelsten und den geringsten Personalaufwand verlangenden Überwachungsmonitor. Denn der Traum der Anwender ist nicht nur ein massives System mit Hunderten von CPUs. Vielmehr wäre es das Beste, wenn das auch noch eine einzige Person in der IT machen könnte, die nicht hochkarätige Spezialkenntnisse (zum Beispiel in der Administration hochverfügbarer Cluster) mitbringen muss - eine personelle Billiglösung. Denn je billiger die Blade-Hardware ist, desto interessanter werden die Personalkosten.