Klamme Investoren

Schwieriger Start für IT-Gründer

28.10.2009
Von Anja Dilk

Gründer brauchen Partner

Im Zweifelsfall kann das bedeuten: Sich Kompetenzen von außen zu holen auch wenn davor Gründer oft zurückschrecken, weil sie lieber uneingeschränkter Herr im eigenen Haus sein wollen. "Gründen in Komponenten", nennt das Günter Faltin, Professor für Entrepreneurship an der Freien Universität Berlin, der im Sommer mit dem deutschen Gründerpreis ausgezeichnet wurde. In seinem 2008 erschienenen Buch "Kopf schlägt Kapital - die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen", plädiert er für ein arbeitsteiliges, modulares Unternehmermodell. Faltin: " Der Unternehmer als Alleskönner, der auf der Klaviatur von Betriebswirtschaft, Technologie und Arbeitsrecht spielt, gehört ins Museum. Heute ist Arbeitsteilung in die Entrepreneurship einführbar." Also: Einkaufen, was man selbst nicht kann, Partner suchen, wo die eigene Kompetenz nicht reicht. Dass das hervorragend funktionieren kann, hat Personalvermittler Rohrmeier jüngst bei einem Kunden erlebt. Weil er erkannte, dass es mit einem Crash-Kurs in Unternehmensführung nicht getan ist, holte sich der Startup-Neuling einen doppelt so alten Partner in die Firma, als COO. Im Duett floriert das Geschäft.

Bei Attila von Unruh versammeln sich jene, die mit ihrem Unternehmen den Boden unter Füßen verloren haben. Einmal im Monat kommen die "Anonymen Insolvenzler" in Köln zusammen. Sie wollen sich in einer Gruppe Gleichgesinnter austauschen, suchen Rat und emotionalen Beistand. "In der Gruppe helfen wir, das alles zu verarbeiten”, sagt Unruh, der selbst eine Pleite in den Knochen hat. Gerade erst hat von Unruh neue Selbsthilfegruppen in Hamburg, Berlin und München gegründet. "Der Bedarf ist gewaltig. Mit unserer Initiative wollen wir das Tabu brechen", sagt von Unruh. "Letztlich kann es jeden erwischen." Wie "blauäugig" manche Gründer allerdings ihr Projekt angehen, überrascht ihn schon: "Sie schreiben zwar Worst-Case-Szenarien in den Business-Plan, nehmen sie aber nicht ernst." Nach dem Motto: Wird schon gut gehen. Laut Unruh ein fataler Fehler. Denn nur, wer sich ernsthaft mit den Gefahren beschäftigt, kann rechtzeitig gegensteuern. Unruh empfiehlt "Rütteltests", wie sie die Wirtschaftsjunioren anbieten. Gründer müssen sich hier dem Fragenstakkato kritischer Experten und Unternehmerkollegen stellen. Von Unruh: "Da erkennt man schnell die Schwächen seines Konzepts - und knüpft nebenbei wertvolle Kontakte."

Krise ist für Gründer eine Chance

Manchmal reißt es auch einen vorsichtigen Gründer unverhofft von den Füßen. "Es ist unglaublich, wie viele Steine Gründern in Deutschland in den Weg gelegt werden", sagt Personalprofi Rohrmeier. Wenn etwa das Finanzamt bei einem höchst erfolgreichen Unternehmensstart gleich die Vorauszahlungen erhöht, ist das schlecht für die Liquidität, ebenso wenn Gründer in einem Wust von Antragsformularen ersticken, um staatliche Hilfen zu bekommen. Nicht wenige lassen sich entmutigen, die Hälfte der Gründer steigt in den ersten fünf Jahren aus, schätzt EBS-Mann Klandt. "wobei natürlich nicht jeder Marktaustritt eine Pleite ist". Dabei hält der Gründungsforscher die Zeit der Krise durchaus für einen guten Gründungszeitpunkt. "In Zeiten des Umbruchs werden die Karten neu gemischt, wer einen guten Blick für Lücken im Markt hat und die Konkurrenz im Blick behält, kann jetzt punkten."

Tobias Johann weiß, dass man nur überlebt, wenn man beides aufmerksam im Blick hat, gerade in der IT-Branche: die Chancen, aber auch die unberechenbare Dynamik des Markts. Der EBS-Absolvent und Doktorand bei Gründungsprofessor Heinz Klandt hatte Ende 2006 eine Gründungsidee, die eine Novität zu sein schien: ein soziales Online-Netzwerk für Sportler. Die Idee passte in die Zeit, gerade hatte das Web 2.0 seinen beeindruckenden Start hingelegt. Sie passte zu dem begeisterten Leistungssportler, der wusste: "Es fehlt ein Angebot für Sportbegeisterte, das auch das Vereinswesen in Deutschland einbezieht." Johann hörte sich um. An der Hochschule, bei Business Angels und Kooperationspartnern des Gründungslehrstuhls, bei Studi VZ. Im Dezember 2006 waren sich alle einig: Niemand plant derzeit ein ähnliches Geschäftsmodell. Zwei Monate später waren allein in Deutschland 30 Sport-Communities am Start.

Johann lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück und atmet tief durch. Er hat sich, mit seinen beiden Co-Gründern, erfolgreich durchgebissen. Viele Konkurrenten verschwanden ebenso schnell wieder vom Markt, wie sie gekommen waren. Einer verbrannte innerhalb von sechs Monaten Millionen Investorengelder. Johann blieb mit sportme.de auf Erfolgskurs, weil er genau hinschaute, flexibel und kreativ reagierte. Schnell erkannte er: Eine reine Community rechnet sich nicht, gegen den Sog von Facebook, Studi VZ und Co hat eine Special-Interest-Gemeinde keine Chance, je genug Klicks an Land zu ziehen. Zielgenau nahm er Alternativen ins Visier, stellte Inhalte auf die Seite, machte die Seite zu einer Mischung von sozialer Community der jeweiligen Sportarten und Informationsplattform, die über alle Ereignisse der 200 gängigsten Sportarten, von Kreisligaspielen bis zum Vereinsleben, auf dem Laufenden hält. Ein Unikat in Deutschland. 100.000 Sportler und 11.000 Vereine sind registriert. Verbände und Sportsponsoren schießen Geld zu, sportme ist nicht mehr auf Werbeeinnahmen angewiesen. "Ohne diesen Schritt wären wir nicht überlebensfähig, zumal die Werbepreise im Netz in den vergangenen Jahren auf ein Zehntel eingebrochen sind", sagt Johann. Mit dem Relaunch Anfang November ist der erfolgreiche Umbau des Geschäftsmodells abgeschlossen.