CeBIT-Chef Pörschmann

"Schluss mit Zählen, jetzt geht’s ans Wiegen"

04.12.2012
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Die CeBIT 2013 wirft ihren Schatten voraus, und die Macher der weltgrößten Messe haben gegenüber der Presse ausgeführt, was sie sich bei ihrem Messemotto "Shareconomy" gedacht haben.

"Schluss mit dem Zählen, jetzt geht’s los mit dem Wiegen" - CeBIT-Chef Frank Pörschmann ließ anlässlich einer Pressekonferenz im Vorfeld der CeBIT 2013 (5. - 9. März 2013) keinen Zweifel daran, dass er an einer fortgesetzten Jagd auf mehr Besucher und mehr verkaufte Standfläche kein Interesse hat. "Unser Fokus ist die Investition in Qualität", sagte Pörschmann, der das Amt zum 1. April 2012 vom langjährigen CeBIT-Macher Ernst Raue übernommen hatte. Man wolle "Klasse statt Masse". So ganz konnte sich Pörschmann dann aber doch nicht vom alten Messe-Motto Schneller- Weiter-Höher lossagen: Bei den Ausstellern liege der Anmeldestand auf Vorjahresniveau, es laufe alles nach Plan. (Die Pressekonferenz wurde live übertragen)

CeBIT-Motto: Shareconomy

Das CeBIT-Thema 2013 hatten die Hannoveraner schon vor ein paar Monaten ausgegeben. Es lautet "Shareconomy" und soll laut Pörschmann das "Prinzip des Teilens" spiegeln, das in Zeiten des allgegenwärtigen Internet zu einem zentralen ökonomischen Faktor werde. Es gehe nicht mehr nur darum, nach dem gängigen Social-Web-Muster Bilder, Videos und Kontakte zu teilen, es gehe jetzt auch um das Sharing von Wissen, Infrastrukturen und Erfahrungen. Mit den vielfältigen Collaboration- und Social-Enterprise-Werkzeugen finde "die Wissensgesellschaft nun die Instrumente, um ihr Potenzial zu entfalten", sagte der Messemanager.

Erklärt den Kollegen vom Privatfernsehen die "Shareconomy": CeBIT-Chef Frank Pörschmann.
Erklärt den Kollegen vom Privatfernsehen die "Shareconomy": CeBIT-Chef Frank Pörschmann.
Foto: Deutsche Messe AG

Die Shareconomy führe zu neuen Geschäftsmodellen - Car-, Flat- und Bike-Sharing nannte der CeBIT-Manager als Beispiele -, alternativen Formen der Zusammenarbeit und zu einer neuen Rolle des Managements. In diese Kerbe schlug auch IBMs Deutschland-Chefin Martina Koederitz, die zunächst einmal ein deutliches Bekenntnis zur größten ITK-Messe ablegte: "Wir sind von Anfang an dabei gewesen und fühlen uns als einer der Pioniere", sagte die IBM-Geschäftsführerin. Shareconomy sei das passende Motto, das belege eine Studie, die IBM im Kreis von 1700 CEOs weltweit vorgenommen habe. Demnach ist "Partizipation, Vernetzung und Meinungsfreude die neue Währung für Chefs und Mitarbeiter".

Koederitz nannte drei Trends, die für Erfolg in der Shareconomy maßgeblich seien:

  • Social Networks bieten einen neuen Zugang zum "Kunden als Individuum". Er könne nun seine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse formulieren und passgenaue Angebote der anderen Seite erwarten. Voraussetzung dafür sei aber, dass Unternehmen sich technisch, organisatorisch und kulturell darauf einließen. Koederitz zitierte die Analysten von Gartner, denen zufolge sich künftig vor allem Marketing-Manager mit IT-Themen beschäftigten. Ihnen gehe es verstärkt darum, die richtige Mischung an Social- und Analytics-Werkzeugen sowie Mobile-Tools und Apps einzusetzen.

  • Eine offene Firmenkultur ist laut Koederitz eine elementare Voraussetzung dafür, dass die Schätze der Shareconomy gehoben werden können. Es gehe um "Teilen statt Herrschen" und die "Motivation des Einzelnen". Starke Hierarchien und autoritärer Führungsstil liefen der Partizipationsidee zuwider.

  • Partnerschaften sind laut Koederitz der dritte Baustein, ohne den die Shareconomy nicht funktionieren kann. Übergreifende Prozessketten, Machine-to-Machine-Kommunikation über das Internet Protocol 6 - die Rede war von "Industrie 4.0" -, Wertschöpfung in Open-Innovation-Prozessen, all das funktioniere nur, wenn Unternehmen bereit seien, sich zu öffnen.

Die CeBIT-Macher von links nach rechts: Frank Pörschmann (CeBIT), Jacek Robak (Botschaft Polen), Heinz-Paul Bonn (Bitkom), Martina Koederitz (IBM), Roland Schweyer (Samsung)
Die CeBIT-Macher von links nach rechts: Frank Pörschmann (CeBIT), Jacek Robak (Botschaft Polen), Heinz-Paul Bonn (Bitkom), Martina Koederitz (IBM), Roland Schweyer (Samsung)
Foto: Deutsche Messe

Laut Pörschmann stehen 2013 denn auch Trends im Vordergrund, die eine Shareconomy tragen. Dazu gehören das Social Business, Cloud Computing, das Internet der Dinge, Mobile Computing und Big Data im Verbund mit Analytics-Software. Der Rahmen dafür bleibt allerdings gegenüber den Vorjahren unverändert: Die CeBIT hält an ihrem Vierklang CeBIT pro, gov, life und lab fest, um professionelle, behördliche, private und wissenschaftliche Aspekte der IT abzubilden.

Global Conferences aufgewertet

Allerdings sollen IT-Themen und Trends im Bereich der Global Conferences intensiver als bisher erklärt werden. Statt auf einer werden 2013 auf vier Bühnen hochkarätige internationale Sprecher die verschiedenen Aspekte der Themen Social Web, Cloud Computing und Mobility bearbeiten, und die Zuschauer werden Gelegenheit bekommen, in Workshops und Roundtables zu diskutieren und Fragen zu stellen.

Startups können sich zeigen

Auch die Startup-Kultur in Deutschland liegt den Hannoveranern am Herzen. Pörschmann nannte das Thema einen "Engpass", vergleichbar mit dem Fachkräftemangel, weshalb es Initiativen wie ein "CeBIT Special für junge innovative Unternehmen" geben werde. Außerdem soll die im Vorjahr gestartete Initiative "code_n 13" in die zweite Runde gehen, diesmal mit zukunftsweisenden Lösungen für den Energiewandel. Im Rahmen der "Start-me-up"-Kampagne ist außerdem ein vom Bundeswirtschaftsministerium geförderter Gemeinschaftsstand hoffnungsvoller Jungunternehmen geplant, und außerdem soll es die Initiative "TectoYou" unter der Schirmherrschaft von Bundesforschungsministerin Annette Schavan geben. Ziel ist es, Abiturienten und Studienanfängern Informatik-Berufsbilder nahezubringen.

Partnerland Polen

Partnerland der kommenden CeBIT ist Polen, das "Tor in den osteuropäischen Markt", wie Pörschmann sagte. Andererseits sei die CeBIT für Polen das ideale Entrée in die westeuropäische IT-Welt. Insgesamt 200 Aussteller aus Polen werden erwartet, die bekanntesten Namen sind hierzulande wohl der Softwareanbieter Comarch und der IT-Dienstleister Asseco, der mit einem Umsatz von rund 800 Millionen Euro zu den großen IT-Anbietern Europas gehört. In Deutschland hatte Asseco nicht zuletzt durch die Übernahmen von matrix42 und dem ERP-Anbieter AP AG Aufmerksamkeit erregt; Comarch war mit dem Kauf der SoftM AG tief in den hiesigen ERP-Markt vorgedrungen.

Jacek Robak, Gesandter der polnischen Botschaft, zeichnete das Bild eines - auch durch den anhaltenden Wirtschaftsaufschwung - selbstbewussten Polen. Nach den russischen und chinesischen würden die polnischen Entwickler auf Rang drei im weltweiten TopCoder-Ranking geführt, was die Qualität der Ausbildung im Nachbarland verdeutliche. Mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland wurde Robak sehr deutlich: "Wir sind überhaupt nicht interessiert, dass in Polen ausgebildete Fachkräfte das Land verlassen. Wir möchten vielmehr, dass ausländische Firmen bei uns investieren und so unser Potenzial nutzen."

Optimistischer Bitkom

In gewohnt launiger Art gab schließlich Bitkom-Vizepräsident Heinz-Paul Bonn einen Einblick in den Zustand der deutschen ITK-Industrie. Die Stimmung in der Branche für das kommende Jahr sei sehr gut, so der Chef des Softwarehauses GUS Group, 71 Prozent der ITK-Anbieter erwarteten Umsatzsteigerungen. Vor einem Jahr habe die Prognose für das inzwischen fast abgelaufene Jahr 2012 um zwei Prozentpunkte darunter gelegen. Am zuversichtlichsten seien die IT-Dienstleister, von denen 81 Prozent Mehreinnahmen erwarteten. Allerdings rechnet der Bitkom 2013 nur mit einem Marktwachstum von insgesamt 1,6 Prozent, während 2012 ein Plus von 2,8 Prozent zu Buche stehen soll. Wie Bonn ausführte, erwartet der Verband ein sich abschwächendes Geschäft mit Smartphones und Tablets, die in diesem Jahr das Wachstum maßgeblich getrieben hätten.

Karrieresprungbrett CeBIT

Wichtig wird 2013 einmal mehr die Funktion der CeBIT als Karrieresprungbrett sein. Laut Bitkom gibt es derzeit rund 43.000 offene Stellen in der IT zu besetzen - kein Wunder, dass die Messemacher hier Potenzial sehen. Wichtigste Anlaufstelle wird während der CeBIT Halle 9 sein, wo die COMPUTERWOCHE im Zentrum Jobs & Karriere Interessierten die Chance zu Gesprächen mit den Personalverantwortlichen namhafter Unternehmen einräumt. Neu ist zudem das Recruiting Business Center, in dem Firmen Räume buchen können, um Gespräche mit Kandidaten zu führen oder sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.

Am CeBIT-Samstag (9. März) gibt es zudem den Recruiting-Day, der allen Interessierten Antworten zu Ausbildung- und karrierefragen in der IT geben will. Und schließlich bieten die Hannoveraner - als digitale Verlängerung - ab sofort eine Online-Jobbörse an, die gemeinsam mit der Online-Jobbörse Monster ins Leben gerufen wurde. Hier sollen sich Arbeitssuchende und Wechselwillige über vakante Stellen informieren. (hv).