Hasso Plattner

SAP könnte mit Hana millionenfach Erbgut analysieren

04.02.2013

"Wenn ich keinen Erfolg hätte, wäre ich schon längst weg"

Plattner: Nein, denn Schnelligkeit hat auch noch eine ganz andere Qualität. Wenn etwas sehr viel schneller wird, kommt es in die Nähe unseres normalen menschlichen Dialogs. Da geht es nur um Sekunden oder weniger. Und wenn wir mit einer Antwort in die Nähe dieses kleinen Zeitfensters kommen, kann ein direkter Dialog beginnen. Dann kriegen wir plötzlich eine ganz andere Qualität, denn nur auf Basis eines solchen Dialogs wird der Mensch denken, interpretieren und die nächste Frage stellen. Das ist die Art und Weise, auf die wir zu Erkenntnis gelangen - indem wir hintereinander mehrere Fragen stellen. Die werden mit Hilfe von Hana jetzt von einer Analyse beantwortet - mit hoher Wahrscheinlichkeit für Erkenntnis. Einen Arzt kann man nur unterstützen, wenn man Antworten gibt in der Schnelligkeit seines eigenen Gehirns. Er muss doch oft in wenigen Sekunden entscheiden, wie es mit einer Behandlung weitergeht. Der Computer kann erst dann richtig helfen, wenn er ebenso schnell ist wie das Gehirn des Arztes.

Was geht in diesem Bereich schon über das Charité-Projekte hinaus?

Plattner: Wir arbeiten mit einer Reihe von Firmen zusammen. Eine, die ich persönlich kenne, ist Molecular Health aus Heidelberg. Sie bietet Ärzten ein genombasiertes Analyse- und Beratungssystem für Tumorbehandlung an. Dieses System ist allerdings unheimlich langsam. Wir können es mit Hana enorm beschleunigen. Und unser Prototyp zeigt bereits, dass wir dieser Firma hoffentlich helfen können, ein sehr interessantes System auf den Markt zu bringen. Wir integrieren deren Bibliotheken in Hana und vereinfachen Programmierschritte. Diese Plattform stellen wir dann auch anderen Unternehmen und Instituten zur Verfügung, Forschungs- oder Pharmafirmen zum Beispiel. Interessenten gibt es viele. Wir liefern die Grundlagen. Ihre Anwendungen auf dieser personalisierten Genom-Datenbank müssen diese Unternehmen selbst bauen - dafür fehlt uns ja das medizinische Wissen.

Haben Sie ein aktuelles Hana-Beispiel weit weg von der Medizin?

Plattner: Zum Beispiel "intelligentes" Bohren für Erdöl- oder Erdgasfirmen. Während der Bohrer arbeitet, wird mit Hilfe von Hana in Echtzeit über Sensoren ständig gemessen. Die Geologen errechnen aus Vibrationen, in welchem Gestein sie sich gerade befinden. Wenn sie alle Sensordaten schnell genug auswerten und miteinander kombinieren, können sie sogar vorhersehen, auf welches Gestein sie bald stoßen werden. Wir haben ein Projekt mit einer der großen Erkundungsfirmen der Welt, um diese Daten mit Hana aufzunehmen und permanent zu errechnen, auf welches Gestein der Bohrer treffen kann. So kann man unter anderem verhindern, dass er sich festfrisst, was enorm teuer ist.

Hasso Plattner: Ingenieur, Mäzen und Nachwuchsförderer

Hasso Plattner verkörpert etliche Rollen. Die einen kennen ihn als charismatischen Unternehmer, andere als Segelsportler. Wissenschaftler, Denkmalschützer und Künstler verbinden mit Plattner den Mäzen, der Millionen seines Privatvermögens der Gesellschaft vermacht. Der 69-Jährige engagiert sich außerdem im Kampf gegen Aids. Er gilt als kreativ - und als einer, der den Wettbewerb nicht scheut.

Seine berufliche Laufbahn begann der gebürtige Berliner 1968 als Programmentwickler beim Computerkonzern IBM. Vier Jahre später gründete er mit vier Mitstreitern SAP. Von 1988 bis 1997 war er stellvertretender Vorstandsvorsitzender, danach gleichberechtigter Vorstandssprecher mit Mitgründer Dietmar Hopp. Von 1998 an leitete Plattner als Co-Vorstandssprecher die Geschicke des Dax-Unternehmens.

Plattner fehlt es nicht an Selbstbewusstsein, er hat ein Gespür für den Markt. 2003 zog sich der zweifache Vater aus dem Tagesgeschäft vom Software-Riesen SAP zurück und wechselte an die Spitze des Aufsichtsrates.

Golf ist neben Segeln die große Leidenschaft von Plattner. Er lebt zeitweise in Deutschland, den USA und Südafrika.

Im Berlin-nahen Potsdam engagiert sich der Diplom-Ingenieur seit Jahren - für Kunstprojekte, das Schloss, in das der Landtag ziehen soll, aber auch für die Zukunft junger IT-Talente. Die werden im Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik gefördert. Seit 2002 ist Plattner Ehrendoktor und seit 2004 Honorarprofessor der Universität Potsdam. Noch heute begleitet er dortige Doktorarbeiten.

Und ein Beispiel aus Deutschland vielleicht noch?

Plattner: Ein bekanntes großes deutsches Automobilunternehmen plant für alle seine Modelle die Fertigung der Motoren. Das ist ein Jahresplan, dessen Berechnung heute 75 Stunden dauert. Wir haben dies mit Hana beschleunigt auf fünf oder sechs Sekunden. Die Frage ist nun, was man intelligent damit macht, wenn etwas so unendlich viel schneller geht, dass es in Dialogzeit stattfindet. Simulationsläufe wären eine Idee. Viel mehr Flexibilität bei der Planung und Auslastung von verschiedenen Motorenwerken. Ich denke, das Potenzial ist gewaltig. Aber die richtigen Ideen muss natürlich der Autohersteller haben.

Wenn Sie noch einmal zurückkönnten, was würden Sie anders machen?

Plattner: Also wenn ich noch einmal von vorne anfangen würde, dann würde ich mir vielleicht auch überlegen, dass Anwendungen für Konsumenten im Moment viel populärer sind als industrielle Anwendungen. Anwendungen an vorderster Front, wie wir sie heute zum Beispiel bei Apple finden: Internet-TV, mobile Anwendungen, Spiele. Diese Firmen werden an der Börse sehr hoch bewertet, weil sie einfach mehr Nutzer haben.

Sie sind mit jetzt 69 Jahren als einziger SAP-Mitgründer noch im operativen Geschäft. Haben Sie Kriterien, wie lange Sie bleiben?

Plattner: So lange ich Einfluss, Erfolg und Spaß habe. Wenn ich keinen Erfolg hätte, wäre ich schon längst weg. (dpa/tc)