Hasso Plattner

SAP könnte mit Hana millionenfach Erbgut analysieren

04.02.2013
Krebs, Autismus, Diabetes - die moderne Medizin setzt bei Therapien immer stärker auf Wissen über das menschliche Erbgut.

Ein Problem dabei: die Computerleistung dafür. Europas größter Softwarehersteller SAP versucht mit seiner schnellen Datenbank, den Durchbruch zu schaffen, wie Chefaufseher Hasso Plattner im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa sagt.

Herr Plattner, SAP hat mit der Echtzeit-Datenbank Hana ein Pilotprojekt in der Berliner Charité. Macht sich der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware auf zu neuen Ufern im Gesundheitssystem?

Plattner: Es gibt den grundsätzlichen Trend im Gesundheitssystem, dass alles immer teurer wird. Unsere Medizin ist an vielen Stellen personalintensiv und auch sehr forschungsintensiv. Und der Ausweg ist nun sicher nicht, immer mehr Leistungen zu kürzen oder den Leuten zu sagen "Es wird leider immer teurer" oder "Wir können uns das als Staat nicht mehr leisten". Also gibt es eigentlich nur einen Ausweg - die präventive Medizin zu verbessern, so dass wir gar nicht erst krank werden. Oder wenn wir eine Veranlagung dazu haben, dass wir das im Vorhinein eindämmen, so wie wir es vom Impfschutz kennen.

An welcher Stelle kommt da SAP ins Spiel?

Plattner: Wir haben eine superschnelle Datenbank gebaut, Hana, und sind losgezogen um zu schauen, welche Anwendungen es dafür in der Forschung oder in der Medizin gibt. Aus einem dieser Pilotprojekte ist die Zusammenarbeit in der Berliner Charité geworden, wo wir einen Prototyp gebaut haben - den Oncolyzer für die personalisierte Krebstherapie. Er bringt die Erfahrungen aus vielen medizinischen Patientenberichten und Fakten über die Patienten zusammen, um Wechselbeziehungen bei den Krankheitsfällen zu finden und in ganz kurzer Zeit statistische Aussagen über einzelne Krankheitsfälle machen zu können. Das geht mit Hana so schnell, dass dies bei der Patienten-Visite der Ärzte möglich ist. Aber es geht auch um grundlegendes Forschen an Stellen, an denen große Datenvolumina umgewälzt werden.

SAP ist ein Treiber für modernste Grundlagenforschung in der Medizin?

Plattner: Das Charité-Projekt zur personalisierten Medizin beachtet nicht nur Fakten wie Alter, Größe, Gewicht, Geschlecht, Blutgruppe, Organwerte oder Fakten über die Eltern und Familienherkunft. Sondern es geht um die genetische Definition eines Individuums - also das Genom beziehungsweise menschliche Erbgut - das ist der viel reichere Schatz mit Millionen von Informationen, die auf Krankheitsrisiken hinweisen können oder auf Reaktionen von Patienten und auf bestimmte Therapiewege. Die ganze Welt arbeitet an der Erstellung von menschlichen Genomen - aber der Preis ist hoch: Das Analysieren von DNA ist bis dato sehr teuer und dauert lange. Daher haben wir uns der Sache angenommen.

Was genau leistet SAP dabei?

Plattner: Im Labor wird das menschliche Genom, also das Erbgut, in Abschnitten analysiert. Als Resultat kommen dort ungeordnete Datensätze heraus. Der erste Schritt ist jetzt, aus diesem ungeordneten Datenhaufen das komplette Genom wieder aufzubauen. Diesen Schritt haben wir deutlich beschleunigt. Um den Faktor Acht - auf einem sehr kleinen Computer. Wenn wir einen etwas größeren Computer genommen hätten, der immer noch unter 40.000 Euro kostet, wären wir schon bei Faktor 40 gewesen. Im nächsten Schritt geht es darum, dieses Genom mit Referenzgenomen abzugleichen und zu prüfen, wo es Abweichungen gibt, die möglicherweise Gesundheitsrisiken bedeuten könnten. Schritt drei ist, in einer Datenbank nach ähnlichen Genom-Varianten zu suchen, die medizinischen Aufzeichnungen über die dazugehörigen Personen abzugleichen und Rückschlüsse bezüglich wahrscheinlicher Krankheitsbilder und deren effektivster Behandlung zu ziehen. Bei diesem Prozess kommen etliche Terabyte an Daten zusammen, bei deren Analyse wir mit Hilfe von Hana dramatische Leistungsverbesserungen erzielen können.

Was wäre denn absehbar als Leistung eines solchen Systems?

Plattner: Ich lehne mich ein bisschen aus dem Fenster und wage die Prognose, dass wir mit einem Großrechner in den nächsten Jahren Millionen von Genomen in vernünftiger Zeit untersuchen können. Die Hardwarekosten dafür liegen unter zehn Millionen Dollar. Für groß angelegte Research-Verfahren sehe ich die klare Chance, sie gegenüber den heutigen Verfahren deutlich zu beschleunigen und vor allem im Vergleich zu den sehr hohen Kosten heute sehr viel günstiger zu machen.

Aber inwieweit kann das nur Hana und nicht auch Ihre Konkurrenz?

Plattner: Das kann natürlich auch der Wettbewerb machen. Aber er muss erst einmal sehen, wie schnell er das hinbekommt. Aber der Blick auf den Wettbewerb war nicht der Auslöser für uns. Im Gegenteil: Wir haben festgestellt, dass derzeit über 50 Prozent aller Hana-Einsätze außerhalb des klassischen SAP-Produktbereichs liegen. Wir beschleunigen Anwendungen, die andere mit anderen Programmen auf anderen Datenbanken gebaut haben. Wir ersetzen diese Datenbanken mit Hana und stellen fest, dass wir bis zu über hunderttausend Mal schneller sind.

Schnell ist in der Medizinforschung also billiger, stimmt die Formel?