Firmen suchen neue Wege, um Entlassungen zu vermeiden

Sabbatical: Die verordnete Auszeit

04.10.2001
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Eine längere Auszeit vom Job nehmen zu dürfen war bisher Privileg für wenige. In Zeiten der Konjunkturschwäche entdecken Firmen das einstige Mitarbeiterbindungsinstrument für sich, um Personalkosten zu reduzieren, ohne Kündigungen ausprechen zu müssen. Eine Lösung, die von Mitarbeitern Flexibilität und Verzicht einfordert.

Brasilien, Chile, Patagonien, Feuerland, Cook Islands, Neuseeland und schließlich Australien: Vier Monate bereiste Simon Schoop die Welt als Rucksacktourist. Geldsorgen hatte der 28-jährige Böblinger keine, da ihm sein Arbeitgeber Hewlett-Packard weiter das monatliche Gehalt überwies.

Der Berater gehört bei HP zu den Glücklichen, die ein bezahltes Sabbatical genehmigt bekamen. Theoretisch könnte jeder, der statt der tariflich vorgesehenen 38 Stunden die bei HP vereinbarten 40 Stunden oder mehr in der Woche arbeitet und diese auf seinem Arbeitszeitkonto lange genug anspart, früher oder später in diesen Genuss kommen. Praktisch ist dafür immer noch die Zustimmung des Vorgesetzten nötig.

Diese bekam Schoop damals vor allem, weil er ein lukratives Jobangebot eines Internet-Startups in der Tasche hatte und sein Chef ihn mit einem viermonatigen Sabbatical zum Bleiben überreden konnte – mit der Zusicherung, dass er bei seiner Rückkehr seinen bisherigen Job wiederbekommen würde. „Das war mir wichtig, da ich schon Angst vor einem Karriereknick hatte“, so Schoop.

Der IT-Konzern HP ist mit seinem Sabbatical-Modell unbestrittenen ein Vorreiter. Während Hochschullehrern alle drei Jahre ein Forschungsfreisemester zugestanden wird, sind in der Wirtschaft, wenn überhaupt, dann meist unbezahlte Sabbaticals üblich. Diese beanspruchten bisher vor allem Führungskräfte und Unternehmensberater mit entsprechendem Verdienst. „In anderen Fällen war ein Sabbatical auch Gratifikation bei übermäßiger Belastung und diente der Wiederherstellung von Arbeitskraft. Die Mitarbeiter sollten so vor dem Burnout geschützt und neu motiviert werden“, so Karlheinz Geißler, Professor für Wirtschaftspädagogik in München.

Heute entdecken Firmen das Sabbatical als Instrument, um in Zeiten sinkender Nachfrage Personalkosten zu senken, ohne Stellen abzubauen. Einen Teil der Lasten tragen dabei die Beschäftigten. Bei der Unternehmensberatung Accenture etwa bekommen Mitarbeiter während einer einjährigen Auszeit nur 20 Prozent ihres Bruttogehalts und müssen im Einzelfall verhandeln, ob und in welcher Höhe ihr Arbeitgeber die Sozialversicherungsleistungen weiterbezahlt. Das Ende August eingeführte „Flex Leave“-Programm sieht vor, dass sich bis Mitte Oktober jeder zehnte Berater in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem einjährigen Sabbatical anfreundet. Verwaltungsmitarbeiter und Partner sind davon ausgenommen.