Firmen suchen neue Wege, um Entlassungen zu vermeiden

Sabbatical: Die verordnete Auszeit

04.10.2001
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Schließlich herrscht bei vielen Arbeitnehmern noch Ungewissheit über die Wiedereingliederung nach Ablauf des Sabbaticals. „Hier genügt ein Blick in den Arbeitsvertrag“, empfiehlt der Kölner Rechtsanwalt Axel Hoß. Wer dort seinen Einsatzort entsprechend seiner Position zu Beginn des Sabbaticals definiert hat, braucht keine Angst davor zu haben, nach der Auszeit versetzt zu werden. Wenn der Arbeitsvertrag jedoch nicht ruht, sondern für das Sabbatjahr aufgelöst wurde, besteht kein einklagbeares Recht mehr, den ehemaligen Posten wieder zu besetzen.

Ähnliches gilt für Tätigkeiten während der Auszeit. Bei einem fortbestehenden Arbeitsvertrag gilt die Klausel für Nebenbeschäftigung aus Paragraph 60 des Handelsgesetzbuchs. Danach darf der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden. Gibt es keine vertragliche Bindung mehr, kann auch die Klausel nicht in Kraft treten. Möchte ein Mitarbeiter die Auszeit nutzen, um sich weiterzubilden, hat er keinen Anspruch, von seinem Arbeitgeber unterstützt zu werden. In einigen nord- und mitteldeutschen Bundesländern bestehen Weiterbildungsgesetze, wonach ein Arbeitnehmer pro Jahr fünf Arbeitstage für Fortbildungen in Anspruch nehmen kann.

Hoß: „Für eine längere Auszeit würde das jedoch nicht reichen: Bei der maximalen Ansparzeit von zwei Jahren kämen so nur zwei Wochen zusammen.“ Doch gerade die ständige Weiterbildung ist für Fachkräfte der IT-Branche enorm wichtig. Darum sollten vor allem IT-Experten genau abwägen, ob für sie ein Sabbatical in Frage kommt. Ihre Qualifikationen können während einer längeren Auszeit veralten, ihr Marktwert sinken, der Karriereknick wäre die Folge.

Selbst Accenture-Mann Henning räumt ein, dass er einen ausgewiesenen Technikexperten unter Umständen überreden würde, doch von dem Sabbatical-Programm Abstand zu nehmen – zumal die Beratung gerade im technischen Bereich immer noch Nachwuchs sucht. Dennoch können Gewerkschaftsvertreter der neuen Interpretation von Sabbaticals eine positive Seite abgewinnen. „Das ist immer noch besser, als Leute zu entlassen“, räumt etwa Wolfgang Müller von der IG Metall ein.

Allerdings zweifelt er daran, ob das Pilotprojekt bei Siemens mehr als nur ein „PR-Gag“ ist und dadurch tatsächlich Arbeitsplätze gerettet werden können. Das zeige sich vor allem an der geringen Resonanz der Mitarbeiter. Sollte jedoch ein Sabbatical zur Alternative für viele Mitarbeiter werden, müsste es in den Augen von Müller neu konzipiert werden. So solle nicht nur die Bezahlung höher sein, sondern auch dem Karriereknick vorgebeugt werden. Jeder Mitarbeiter, der sich auf eine längere Auszeit einlasse, müsse dies auch honoriert bekommen.

Dazu komme der eklatante Widerspruch von plötzlicher Freizeit und der üblichen Arbeitsweise in der IT-Branche: „Bisher wurde von den Beschäftigten erwartet, dass sie ohne Ende arbeiten, und auf einmal sollen sie von heute auf morgen ein Jahr pausieren und nichts mehr tun“, so Müller.