Rettungsversuche für das Internet

10.04.2007

Als Leiter des Forschungsprojekts "Clean Slate Design for the Internet" beschäftigt sich McKeon damit, Wege zu finden, die Engpässe im World Wide Web ein für alle Mal zu beseitigen. Die zentrale akademische Fragestellung lautet dabei, wie man - basierend auf dem heute vorhandenen Wissen - eine weltweite Kommunikationsinfrastruktur neu aufbauen würde. Ausgehend von der resultierenden Blaupause könnte man anschließend überlegen, wie sich dieses Modell realisieren lässt, erklärt McKeon. Dass sich die aktuellen Missstände auf Dauer mit konventionellen Methoden beheben lassen, bezweifelt der Wissenschaftler. Das World Wide Web sei inzwischen so verknöchert, dass es nicht mehr reiche, wenn ein paar weitere Löcher gepatcht oder zusätzliche Workarounds entwickelt würden.

Das ist bei einem Neuanfang zu klären

  • Wie werden Nutzer und Dienste identifiziert?

  • Wie stellt man sicher, dass Angaben vertrauenswürdig sind?

  • Wie lässt sich eine höhere Verfügbarkeit (99,999 Prozent) als jetzt erreichen?

  • Wo im Netz werden Sicherheit, Mobilität und Dienstgüte gewährleistet?

Das Internet in seiner heutigen Form ist in die Jahre gekommen. Foto: Dynamic Graphics.
Das Internet in seiner heutigen Form ist in die Jahre gekommen. Foto: Dynamic Graphics.

Der besondere Vorteil des experimentellen Clean-Slate-Ansatzes sei dessen Ergebnisoffenheit, legt die bei den Deutsche Telekom Laboratories und an der TU Berlin tätige Professorin für Informatik, Anja Feldmann, dar. "Man darf noch einmal von vorne beginnen, nichts ist vorgegeben, alles darf in Frage gestellt werden, jedes Experiment ist erwünscht", erläuterte die Expertin für Netztechnik das Konzept auf einer Veranstaltung des Geschäftskundenbeirats der Deutschen Telekom (Telekomforum). Selbst die Erkenntnis, dass das bestehende Internet das beste aller möglichen Netze ist, sei nicht ausgeschlossen. Denkbar wäre aber auch, so Feldmann, dass sich ein neues Internet als "Net of Networks" entwickelt, das aus zahlreichen neuen experimentellen Netzen zusammenwächst.

Mehrere Projekte am Start

Entsprechende Clean-Slate-Forschungsansätze gibt es bereits, in den USA etwa das von der National Science Foundation (NSF) initiierte Geni-Projekt (Global Environment for Network Innovations). Das Directorate for Computer and Information Science and Engineering (Cise) der Wissenschaftsstiftung baut dazu für 300 bis 400 Millionen Dollar ein riesiges, über die USA verteiltes Testlabor mit verdrahteten und drahtlosen Rechnern, Routern, Switches, Management-Software und verschiedenen Subnetzen auf. Es soll auf einem Glasfaser-Backbone basieren und zunächst gut 200 Universitäten anschließen. Nach der Fertigstellung, irgendwann nach 2010, können Forscher einen kleinen (virtuellen) Teil davon als private Testumgebung nutzen. Das Besondere daran: Hard- und Software werden so flexibel ausgelegt sein, dass nahezu jedes Networking-Konzept getestet werden kann, nicht nur solche, die auf Paketvermittlung, TCP/IP, Router und anderer Ausstattung des heutigen Internets basierten, erklärt Allison Mankin, Program Director bei der NSF.

Daneben fördert die Stiftung im Rahmen des Find-Programms (Future Internet Network Design) eine Reihe von Forschungsprojekten von denen manche nach der Fertigstellung auf dem Geni-Netz getestet werden sollen. Die EU hat zwei ähnliche Forschungsinitiativen ins Leben gerufen, Engine (Experimental Next Generation Internet in Europe) sowie Géant2, das zum europäischen Gegenstück von Geni ausgebaut werden soll.

Kritische Stimmen

Als Argumente für einen erforderlichen Neuansatz für das World Wide Web werden die aktuellen Herausforderungen angeführt - etwa Viren und Spam sowie der Mangel an Sicherheit. Robert Kahn, Internet-Pionier und Miterfinder von TCP/IP, findet die Idee gut, weist jedoch darauf hin, dass auch eine nagelneue Architektur nicht alle Probleme beseitigt. Was als Spam oder Pornografie einzuschätzen sei, hänge immer stark vom Betrachter ab, erklärt Kahn, mittlerweile CEO der Corporation for National Research Initiatives (CNRI), gegenüber der CW-Schwesterpublikation "Computerworld". Käme hier eine rein technische Lösung zum Einsatz, würden schnell Bedenken hinsichtlich mangelnden Schutzes der Privatsphäre und Zensur laut.