Abkehr von der reinen "Banner"-Werbung

Mittelständler entdecken Nutzen der Internet-Werbung

02.10.1998

Das Werbebanner "Lizenz zum Löten", mit dem der Elektronikversandhandel Conrad Electronic auf sein Angebot aufmerksam macht, zählt zu den erfolgreichsten Online-Anzeigen in Deutschland. Etwa 17 Prozent der Besucher diverser Homepages, auf denen die Werbung lief, klickten sie an. "Solche Werte könnten wir mit Werbespots im Fernsehen nie erreichen", betont Stefan Grellert, Leiter Internet-Marketing beim Versandhaus in Hirschau in der Oberpfalz. Grellert kann dabei aus einem "sechsstelligen Werbeetat" schöpfen. Der gesamte Ausgabenposten des Unternehmens für Anzeigenkampagnen liegt im siebenstelligen Bereich.

Grellert wird bald in guter Gesellschaft sein. Schließlich prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Forrester Research aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts für das Jahr 2003 einen weltweiten Umsatz bei Online-Werbung von 15 Milliarden Dollar. Dieses Jahr geben die Amerikaner 1,3 Milliarden für Anzeigen auf Web-Sites aus, die Europäer 105 Millionen Dollar. Bis zum Jahr 2003 wird laut For- rester die Dominanz der USA zurückgehen. 1998 beträgt der amerikanische Anteil der Werbung 87 Prozent. In fünf Jahren buchen diese Inserenten voraussichtlich nur noch 70 Prozent aller Online-Anzeigen. Bis zu diesem Zeitpunkt, so die Analysten, wird der Umsatz im Werbemedium Internet die Anzeigenverkäufe beim Rundfunk und den Magazinen überflügelt haben.

Als beste Werbeträger werden sogenannte Portal-Sites gehandelt. Dazu zählen vor allem die Einstiegsseiten der Suchmaschinen sowie die der Online-Dienste wie etwa AOL und Compuserve. Zu den klassischen Kunden dieser elektronischen Litfaßsäulen gehören Unternehmen aus dem IT-Bereich wie etwa Dell und IBM. Letztere beabsichtigt, ein Drittel seiner Medienaktivitäten in Online-Werbung zu investieren. Außerdem schalten Microsoft, Yahoo, Excite und Net- scape fleißig Anzeigen im Web, bieten aber gleichzeitig auch Werbeflächen auf ihren Home- pages an.

Verstärkt machen auch mittelständische Unternehmen mit Internet-Anzeigen auf sich aufmerksam, wenn auch vorsichtig. Nach den Erfahrungen von Valentin Nowotny, Leiter Online-Media bei der Berliner Agentur Index, verplanen Firmen dieser Größe etwa zehn Prozent ihres Werbeetats für Annoncen im Web. Dabei, so Nowotny weiter, starten die Manager zunächst einen Versuchsballon, um zu sehen, wie viele Rückläufe das Medium einspielt.

Mittelständische Betriebe lernen dabei aus Erfahrungen, stellt Arndt Groth, Geschäftsführer der Hamburger Dependance des Internet-Werbeunternehmens Doubleclick, fest. Oft sind die Verantwortlichen mit den Besucherzahlen auf der hauseigenen Web-Site unzufrieden. Bei der Überlegung, wie sich mehr Interessenten auf die Seiten locken lassen, kommen manche Marketingleiter zu dem Entschluß, Online-Anzeigen zu schalten. Über den Werbebanner gelangen Surfer dann auf die Web-Seiten des Inserenten.

Statt nur einfache Banner auf bestimmten Homepages zu plazieren, bedienen sich Werbetreibende zunehmend der Möglichkeiten des Internet zur Zielgruppenbestimmung. Gerade für mittelständische Firmen, die Nischenmärkte betreuen, sind Werbemaßnahmen mit hohen Streuverlusten selten tauglich. Daher reservieren sich einige Unternehmen bestimmte Begriffe einer Suchmaschine, die dann mit gezielter Werbung verbunden werden. Gibt ein Surfer beispielsweise auf der Search-Engine Altavista http://www.altavista.de das Wort "Pektin" ein, präsentiert die Homepage neben dem Suchergebnis ein Banner der Firma Herbstreith & Fox KG in Neuenbürg, einem Hersteller von Nahrungsmittelzusatzstoffen. Bei Eingabe des englischen Wortes "pectin" bereitet die Site die Werbebotschaft für den angelsächsischen Kundenkreis auf. Der Pectin-Hersteller beauftragte Doubleclick in den USA, die Anzeige in die Suchseite zu integrieren. Nach Angaben von Doubleclick erhöhte sich die Besucherzahl auf der Homepage um 300 Prozent.

Andere Verfahren finden die geeignete Zielgruppe für eine Werbebotschaft, indem sie auswerten, mit welchem Browser der Web-User im Internet navigiert und welches Betriebssystem ihm dabei als Plattform dient. Cookies helfen den Marketing-Strategen ebenfalls dabei, Nutzerprofile für eine gezielte Anzeigenberieselung zu erstellen. Dabei legt der Web-Server kleine Dateien auf dem Rechner des Site-Besuchers ab. Alter, Geschlecht, Einkommen, Beruf, Herkunft und Hobbies lassen sich so dauerhaft speichern, oft ohne Wissen des Anwenders. Doubleclick gelobt jedoch, Cookies nur heranzuziehen, um festzustellen, ob ein Surfer bereits eine Anzeige angeklickt hat.

Inzwischen lassen sich die Medienexperten mehr einfallen als nur statische Bildchen, die genauso in einem Magazin abgedruckt werden könnten. Mit Animationen versuchen die Werbeprofis, die Aufmerksamkeit der Surfer auf die elektronischen Botschaften zu lenken (siehe auch http://www.werbeformen.de/banner1. html). Ebenfalls im Trend lie- gen Anzeigen, die dem Web- User Eingaben erlauben. So bietet etwa der HTML-Banner des Nahrungsmittelzusatzherstellers Herbstreith & Fox eine Auswahlliste mit den verschiedenen Produktbereichen des Unternehmens. Der Interessent landet nach der Auswahl etwa des Begriffs "Milk Products" direkt auf dem entsprechenden Bereich der Homepage des Anbieters. Durch die Einführung der Auswahlfelder erhöhte sich nach Angaben von Doubleclick die Click-Through-Rate von etwa zwei auf sechs Prozent. Somit betraten von hundert Web-Anwendern, die sich die Werbung anschauten, sechs die Homepage der Gesellschaft.

Bei anderen Kampagnen erscheinen auf den Internet-Seiten Werbebilder, die den Systemmeldungen von Windows 95 ähneln, verbunden mit dem gleichen Look and feel. Einige Online-Werber bedienen sich sogenannter "Nanosites". Auf der Fläche eines Banners wird dabei eine eigene Homepage in der Homepage dargestellt. Klickt der User auf diese Schaltfläche, wird er nicht mehr wie bei herkömmlichen Bannern zu einer anderen Web-Site weitergereicht. Statt dessen präsentiert sich ihm innerhalb des Bannerrahmens auf der Web-Site beispielsweise ein Bestellformular für eine Designerjeans oder eine Liste mit aktuellen Zinssätzen und Börsenkursen eines Finanzdienstleisters.

Im Gegensatz zu den aufdringlichen Bannern alter und neuer Spielart präsentieren sich dem Surfer auch ganz andere Formen der Werbung. Zum Beispiel Buttons, deren Aufschrift ("Sponsored By ...") auf den Sponsor der Homepage hinweist.

Interstitials, was wohl am Besten mit "Unterbrecherwerbung" übersetzt werden kann, verlangen vom Web-Benutzer besonders viel Geduld. Während des Surfens unterbricht, ähnlich wie beim Fernsehen, ein Werbespot den Transfer einer HTML-Seite. Mitunter füllt die Botschaft den gesamten Bildschirm aus, so daß sich der Anwender ihr nicht entziehen kann. Für den Werbetreibenden hat dies den Vorteil, daß sein Inserat nicht mit anderen Inhalten der Internet-Seite konkurrieren muß. Beispielsweise nutzt der werbefinanzierte Internet-Service-Provider Germany.net diese Anzeigenform. Einerseits müssen die Kunden die Berieselung über sich ergehen lassen, andererseits kommen sie auf diese Weise kostenlos ins Web.

Anzeigenpreise im Web

Als gängige Rechnungsgröße zur Ermittlung der Anzeigenpreise dient den Werbe-Anbietern der Tausend-Kontakt-Preis (TKP): Wird ein Banner tausendmal angeklickt, verlangen die Web-Site-Betreiber nach Auskunft der Berliner Agentur Index üblicherweise 80 bis 100 Mark. Für Anzeigen, die an Suchbegriffe einer Search-Engine gekoppelt sind (Keyword-Advertising), werden 150 bis 180 Mark pro TKP berechnet.